Mit dem sechsten digitalpolitischen Blick schauen wir auf die in der ersten Hälfte 2025 eingereichten oder behandelten Vorstösse in National- und Ständerat. Um die teilweise episch langen Listen der letzten Ausgaben etwas zu reduzieren, fokussieren wir uns neu auf Vorstösse, bei welchen zumindest eine Antwort des Bundesrats vorliegt oder eine Behandlung in Rat und/oder Kommission erfolgt ist. Das führt in dieser Ausgabe dazu, dass der Rückblick auf bereits einmal erwähnte Vorstösse deutlich umfangreicher ausfällt als der Blick auf neue Themen.
Wie bereits erwähnt, erlaubt die Geschäftsfallsuche im Web-Auftritt von National- und Ständerat leider keine Suche nach «digitalpolitisch relevant». Falls wir den einen oder anderen Vorstoss übersehen haben, nehmen wir Hinweise darauf gerne in den Kommentaren entgegen.
Wer mit parlamentarischen Begriffen nicht so vertraut ist, findet Näheres zu Anfrage, Interpellation, Motion und Postulat im Parlamentswörterbuch.
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Medien
Motionen werden vom Parlament verwendet, um dem Bundesrat den Auftrag zu geben, zu einem Thema ein Gesetz bzw. eine Gesetzesänderung auszuarbeiten oder eine Massnahme zu treffen. Damit der Bundesrat aktiv wird, müssen allerdings beide Räte einer Motion zustimmen. Stimmt ein Rat dagegen, findet keine weitere Behandlung statt und die Motion hat sich erledigt. Genau dieses Schicksal erlitt die im Juli 2024 von der nationalrätlichen Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen eingereichte Motion für die Einführung Kanal- und geschäftsmodellunabhängiger Förderung elektronischer Medien. Sie sollte die Ausarbeitung einer entsprechenden Gesetzesvorlage anstossen, da rein elektronische Medien zurzeit nicht von der (nur indirekten) Presseförderung profitieren können (unter indirekter Presseförderung versteht man zum Beispiel die reduzierten Post-Tarife für Presseprodukte).
Der Bundesrat hatte die Motion mit Verweis auf die laufenden Beratungen zur indirekten Presseförderung abgelehnt, der Nationalrat nahm sie trotzdem an. In der zuständigen Kommission des Ständerats obsiegten dann allerdings die Gegenargumente. Insbesondere war die Kommission der Ansicht, dass von einer generellen Förderung abgesehen werden muss, da man damit Gefahr laufen würde, Staatsmedien zu schaffen, was für eine freie Demokratie nicht tragbar wäre. Förderungswürdig sieht die Kommission primär Printmedien an, bei welchen eine indirekte Förderung (z.B. über Posttarife) möglich ist. Der Ständerat lehnte die Motion daher ab. Damit verzögert sich die Frage der Förderung von elektronischen Medien weiter.
Barbara Schaffner (GLP) hat im Frühling 2025 im Nationalrat eine Motion Kanal- und geschäftsmodellunabhängige Förderung elektronischer Medien eingereicht, welche die Ideen der obigen Motion aufgreift, aber primär eine mittelfristige Lösung sicherstellen will. Der Bundesrat wäre bereit, die Motion entgegenzunehmen. Politiker der Mitte und der SVP haben sich allerdings dagegen ausgesprochen, die deswegen nötige Beratung im Nationalrat steht noch aus.
Plattformen
Vom Ständerat angenommen wurde hingegen das Postulat von Maya Graf (Grüne), welches einen Bericht darüber fordert, wie Kinder und Jugendliche vor übermässigem und schädlichem Konsum von sozialen Medien geschützt werden können. Der Bundesrat hat nun zwei Jahre Zeit, diesen Bericht zu erstellen. Zum gleichen Themenbereich wurden Anfang Mai im Nationalrat zwei Motionen eingereicht (TikTok und Co. sollen Risiken ihrer Inhalte aufzeigen und minimieren, TikTok und Co. sollen Präventions- und Schutzmassnahmenfonds finanzieren) deren Behandlung noch aussteht. Während der Bundesrat es also bei der Plattformregulierung nicht so eilig zu haben scheint, setzen sich ParlamentarierInnen in beiden Räten für mehr Massnahmen ein.
Demokratie
Im Nachgang zu den 2024 bekannt gewordenen Fälschungen von Unterschriften bei Initiativen und Referenden wurden verschiedene Vorstösse eingereicht, um diese Unterschriften in Zukunft (auch) digital sammeln zu können (E-Collecting). Die Motion Pilotbetrieb für E-Collecting mit der E-ID-Vertrauensinfrastruktur (von verschiedenen ParlamentarierInnen sowohl im National- wie auch im Ständerat eingereicht) wurde im Juni vom Nationalrat als Zweitrat angenommen und als Auftrag an den Bundesrat überwiesen. Die Motion rennt insofern offene Türen ein, als dass der Bundesrat Ende April eine Teilrevision des Gesetzes über die politischen Rechte angestossen hat, welche die Grundlagen fürs E-Colleting legen soll. Insofern ist es auch nicht ganz so tragisch, dass die Motion Rasche Einführung der digitalen Unterschriftensammlung aufgrund einer im Nationalrat vorgenommenen Änderung nochmals in den Ständerat muss: Der Zug in Richtung E-Collecting beginnt schon mal zu rollen.
Wer in Bezug auf E-Collecting Bedenken bezüglich der Qualität zukünftiger Unterschriftensammlungen und Sorgen bezüglich einer Klick-Demokratie hat, kann die Debatte zu den Motionen im amtlichen Bulletin nachlesen. Man kann für einmal wirklich nicht sagen, dass sich zumindest die digital-affinen ParlamentarierInnen der Problematik nicht bewusst sind.
Das Thema Desinformation hat in den letzten Jahren zu verschiedenen Vorstössen geführt, zur Motion Eine Strategie zur Bekämpfung von Desinformation von FDP-Nationalrätin Jacqueline de Quattro liegt jetzt die Stellungnahme des Bundesrats vor. Er lehnt die Motion ab, da das Thema bereits aufgrund früherer Vorstösse aufgegriffen wurde und in der Bundesverwaltung entsprechende Arbeiten laufen. Auch habe der Bundesrat das Thema Desinformation als eines der Schwerpunkte der sicherheitspolitischen Strategie in 2025 festgelegt (was wohl impliziert, dass weitere Vorschläge und Massnahmen folgen werden). Zur Bekämpfung von Desinformation sollen dabei entsprechende Massnahmen vorgeschlagen werden. Eine zusätzliche Motion zum selben Thema würde die laufenden Arbeiten eher behindern, da sie zu Doppelspurigkeiten führen würde.
Konsumentenschutz
Zur Interpellation Welche Verantwortung trägt eine Online-Verkaufsplattform, die lediglich als Vermittlerin auftritt, im Fall von Produkten, die nicht mit dem Schweizer Recht übereinstimmen? von Sophie Michaud Gignon (Grüne) liegt die Antwort des Bundesrats vor. Nicht ganz überraschend weist er darin darauf hin, dass sämtliche in der Schweiz gewerblich in Verkehr gebrachten Produkte dem schweizerischen Produktesicherheitsrecht unterstehen. Dies gilt auch für Online-Verkaufsplattformen. Die Vollzugbehörden überwachen den Markt dazu risikobasiert und stichprobenweise, die konkreten Möglichkeiten zur Einflussnahme sind allerdings beschränkt. Zwar kann ein Verkaufsverbot verhängt werden, dieses kann in der Praxis aber, gerade falls die ausländische Plattform keine Adresse in der Schweiz hat, schlecht durchgesetzt werden. Er wäre aber bereit, eine solche Pflicht zu prüfen.
Digitales & KI
Mit einer Motion hatte Marcel Dobler (FDP) angeregt, einen standardisierten Zugang zu persönlichen Vorsorgedaten zu ermöglichen. Aus der Motionsbegründung konnte man dabei ableiten, dass dem Motionär insbesondere ein API (also eine Programmierschnittstelle) vorschwebte, welches standardisiert von allen Vorsorgeanbietern bereitgestellt werden soll.
Nicht ganz überraschend lehnt der Bundesrat dies in seiner Antwort ab, diese Antwort ist aber geradezu ein Paradebeispiel für die Mühen des Bundes mit Digitalpolitik. Die Antwort weist primär darauf hin, dass bereits 70 % der Versicherten einen digitalen Zugang zu ihren Vorsorgedaten haben. Die Vorgabe eines Standard-APIs lehnt er ab, da die Ausgangslage bezüglich Informatik und Systeminfrastruktur stark unterschiedlich sei, und gerade kleinere 2.-Säule-Anbieter die notwendigen Investitionen nicht finanzieren könnten. Gemäss Abklärungen des Bundesamtes für Sozialversicherungen BSV lehnen auch Arbeitgeberverbände und Träger der Vorsorge einen Zwang für die Erreichung eines bestimmten Digitalisierungsgrades ab. Die Gewerkschaften sind gegen die Öffnung von Vorsorgedaten für kommerzielle Zwecke (z. B. via Open Finance).
Nachdem der Bundesrat aus Rücksicht auf die Anbieter also eine gesetzliche Vorgabe als nicht sinnvoll ansieht, hält er fest, dass die Softwareanbieter der 2. Säule die Ermöglichung der Datenweitergabe an Dritte mittels QR-Code planen. Das ist dieselbe 2. Säule, welche einige Zeilen weiter oben als zu wenig finanzkräftig angesehen wurde, um genau diese Softwareerweiterung zu finanzieren. Der Bundesrat geht sogar noch einen Schritt weiter, und drückt seine Erwartung aus, dass die Akteure der beruflichen Vorsorge und der dritten Säule den Versicherten über standardisierte Schnittstellen einen sicheren digitalen Zugang zu ihren Vorsorgedaten ermöglichen werden. Selbst tätig werden möchte er nur, falls dies nicht innert nützlicher Frist erfolgt. Der Bundesrat verpasst hier also nicht nur eine Chance, der Bevölkerung einen standardisierten Zugang zu einigen eigenen Daten zu ermöglichen, er argumentiert darüber hinaus noch widersprüchlich. Und aus datenschützerischer Optik kann man nur hoffen, dass ein Zugang zu Vorsorgedaten mehr braucht als nur einen in einem QR-Code versteckten ungesicherten Link.
Aber noch besteht Hoffnung. In seiner Antwort hält der Bundesrat Folgendes fest: «Auch wird die geplante E-ID neue Lösungen ermöglichen, zum Beispiel das Herunterladen von Vorsorgedaten auf elektronische Wallets auf dem Smartphone, wodurch der Versicherte seine Daten bei Bedarf und auf eigenen Wunsch teilen kann.» Wie eine digitale Identität mit einem Versicherungsausweis zusammenhängt, wird uns der Bundesrat dann sicher vor der E-ID-Abstimmung noch erklären.
Mit einem Postulat Arbeitsmarktnahe Massnahmen zur Förderung relevanter KI-Kompetenzen für die Erwerbsbevölkerung wollte Mitte-Nationalrat Dominik Blunschy den Bundesrat Ende 2024 auffordern, in einem Bericht aufzuzeigen, wie eine umfassende Offensive zur Förderung von KI-Kompetenzen für die Erwerbsbevölkerung gestaltet werden kann. In seiner Stellungnahme weist der Bundesrat auf die diversen öffentlichen Angebote von Bund und Kantone wie auch auf private Weiterbildungsinitiativen hin. Er betont auch, dass gemäss Weiterbildungsgesetz Weiterbildung in erster Linie Sache jeder und jedes Einzelnen ist, und von den Arbeitgebern begünstigt werden sollte. Angesichts dieser vielseitigen bereits bestehenden Initiativen und Massnahmen sowie der begrenzten Bundeskompetenzen in diesen Bereichen erscheint dem Bundesrat die Erstellung eines entsprechenden Berichts nicht als zielführend.
Soweit der Rückblick auf Vorstösse von letztem Jahr. Im folgenden werfen wir einen Blick auf Vorstösse aus 2025, zumindest sofern zumindest der Bundesrat bereits Stellung genommen hat.
Cybersecurity
Die Rolle von Hosting- und Cloud-Anbietern bei der Bewältigung von Cyberbedrohungen stärken
Die Motion (eingereicht von der sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats) möchte eine Gesetzesgrundlage schaffen, welche Hosting- und Cloudanbietern bei der Bewältigung von Cyberbedrohungen die nötigen Rechten und Pflichten erteilt, um den Missbrauch der von ihnen angebotenen Infrastrukturen und Dienste für Cyberangriffe zu bekämpfen. Im Gegensatz zu Internetanbietern (bei welchen entsprechendes über das Fernmeldegesetz geregelt ist) gibt es heute für Hosting- und Cloud-Anbieter keine Vorgaben zur Bekämpfung von Missbrauch ihrer Infrastruktur. Zwar dürften das die meisten in ihren AGBs regeln, aber es gibt keine direkt anwendbare gesetzliche Grundlagen, um Cybersecurity-Massnahmen einzufordern. Der Bundesrat wäre bereit, die Motion entgegenzunehmen. Nach der Zustimmung des Nationalrats ist jetzt der Ständerat am Ball.
Schutz der Schweizer Spitäler vor Cyberangriffen stärken
Dieses Postulat, welches Patrick Hässig (GLP) im Nationalrat eingereicht hat, fokussiert auf die IT-Sicherheit in Spitälern. Er will damit den Bundesrat beauftragen, in Zusammenarbeit mit Kantonen zu prüfen, wie gut die Schweizer Spitäler gegen Cyberangriffe geschützt sind. Zudem sollen die spezifischen Herausforderungen der Spitäler im Bereich der Cybersicherheit analysiert werden. Auch sei abklären, welche präventive Massnahmen zielführend wären, um den Schutz von Spitälern vor Cyberangriffen zu gewährleisten. In der Begründung stützt er sich unter anderem auf einen Bericht des nationalen Testinstituts für Cybersicherheit (NTC), welcher gravierende Sicherheitslücken in Klinikinformationssystemen aufgezeigt hat. Der Nationalrat hat das Postulat im Juni an den Bundesrat überweisen.
Ausreichende Mittel für die zivile Cybersicherheit
Werner Salzmann (SVP) im Ständerat und Gerhard Andrey (Grüne) im Nationalrat beantragen mit einer gleichlautenden Motion, die Mittel für das Bundesamt für Cybersicherheit (BACS) in 2026 und den Folgejahren praktisch zu verdoppelt. Begründet wird dies damit, dass das Amt mit den nötigen Mitteln ausgestattet werden muss, um den stark zunehmenden Cyberbedrohungen begegnen und die neuen Aufgaben wie der Meldepflicht von Cybervorfällen gemäss revidiertem Informationssicherheitsgesetz bewältigen zu können. Die Motion schlägt auch vor, den zusätzlichen Finanzierungsbedarf für das BACS innerhalb des IT-Budgets der Armee zu kompensieren.
Eingereicht wurden die Motionen, da die Finanzkommission des Nationalrats bereits im Voranschlag 2025 eine Erhöhung der BACS-Mittel vorsah, diese Erhöhung aber später gestrichen wurde. Dadurch fehlen dem BACS die Mittel, um seine Aufgabe wahrzunehmen.
Der Bundesrat ist bereit, eine Aufstockung des BACS-Budgets zu prüfen, lehnt aber eine Kompensation innerhalb des IT-Budgets der Armee ab (da dieses auch für andere dringende Aufgaben benötigt wird). Nichstsdestotrotz hat der Ständerat die Motion im Juni angenommen, die Abstimmung im Nationalrat steht noch aus.
KI & Plattformen
Verhindern, dass Algorithmen unsere Demokratie in Geiselhaft nehmen
Brenda Tuosto (SP) will im Nationalrat mit dem Postulat den Bundesrat dazu auffordern, einen Bericht vorzulegen, in dem mögliche Massnahmen gegen den verzerrten Einfluss bestimmter Algorithmen auf die demokratischen Prozesse in der Schweiz dargelegt werden. Sie begründet dies mit der algorithmisch getriebenen Verzerrung der Realität auf grossen Social Media-Plattformen und die dabei fehlenden Transparenz. Diese algorithmische Verzerrung kann Wahlentscheidungen verfälschen, indem bestimmte Debatten überbetont und andere unsichtbar gemacht werden. Es besteht die Gefahr, dass bestimmte Themen über- oder unterrepräsentiert werden und so die Entscheidung der Stimmberechtigten indirekt und manchmal irreführend beeinflussen. Der Bundesrat lehnt das Postulat ab, mit der Begründung, dass das UVEK seit April 2023 eine Vernehmlassungsvorlage zur Regulierung von Kommunikationsplattformen und Suchmaschinen ausarbeite und dieses Thema damit bereits aufgegriffen worden sei. (Anmerkung der Redaktion: Das ist Plattformregulierungsvorlage, welche der Bundesrat mehrfach verschoben und im April 2025 vorerst schubladisiert hat. Siehe auch den entsprechenden Freitags-Kommentar).
Identifikation von Straftätern auf digitalen Plattformen
Dieses Postulat von Patrick Hässig (GLP) hat mit dem leidigen Thema Plattformregulierung zu tun. Inhaltlich fordert es verstärkte Massnahmen und Regeln, um im Fall von potenziellen Rechtsverletzungen auf grossen Plattformen (etwa Hassrede, Diskriminierung und Aufrufe zu Gewalt) diese zu verpflichten, aktiv mit den Behörden zusammenzuarbeiten und eine Identifikation von mutmasslichen TäterInnen zu erlauben.
In seiner Antwort weist der Bundesrat zuerst auf die Verbesserungen im neuen Datenschutzgesetz hin, welche ausländische Unternehmen zumindest verpflichten, eine Vertretung in der Schweiz zu benennen. Er erwähnt auch die bereits bestehenden Identifikations- und Mitwirkungspflichten basierend auf dem Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF), und dessen (bekanntlich stark umstrittene) Erweiterung durch Anpassung der zugehörigen Verordnung. Er geht an dieser Stelle aber nicht darauf ein, inwiefern grosse Online-Plattformen wie Facebook überhaupt dem BÜPF unterstehen. Worauf der Bundesrat dann aber erneut verweist, ist die oben schon erwähnte, momentan schubladisierte Plattformregulierungsvorlage. Diese entwickelt sich mit jedem entsprechenden Vorstoss aus dem Parlament mehr und mehr zu einer Diskussionsbremse …
Transparenz und Fairness im digitalen Raum
Meret Schneider (Grüne) möchte mit dieser Motion den Bundesrat damit beauftragen, Massnahmen zu ergreifen, die es ermöglichen, soziale Plattformen mit über 200’000 registrierten Nutzenden zur Einhaltung von Transparenz-Regeln und zur Reglementierung der dort ausgespielten Werbung zu verpflichten. Das Vorhaben (wie auch die Begründung) lesen sich ähnlich wie beim oben erwähnten Postulat von Brenda Tuosto. Die ablehnende Antwort des Bundesrats fällt kurz und vorhersehbar aus:
Der Bundesrat hat das UVEK am 5. April 2023 beauftragt, eine Vernehmlassungsvorlage zur Regulierung von Kommunikationsplattformen und Suchmaschinen auszuarbeiten. Damit sollen die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer im digitalen Raum gestärkt und die sehr grossen Kommunikationsplattformen und Suchmaschinen zu mehr Transparenz verpflichtet werden.
Die Vernehmlassungsvorlage wurde ausgearbeitet. Der Bundesrat hat sich bereits mehrfach damit befasst und wird zu einem späteren Zeitpunkt einen Entscheid fällen. Eine Umsetzung der Motion erachtet der Bundesrat daher derzeit nicht als angezeigt.
Gewiefte Leserinnen haben es bemerkt: Das ist nochmals dieselbe Vernehmlassungsvorlage zur Plattformregulierung.
Persönliche Haftung von Führungskräften von Technologieunternehmen bei Verstössen gegen Schweizer Gesetze
Mit dieser Motion will Samuel Bendahan (SP) eine Anpassung der gesetzlichen Grundlagen erreichen, sodass Führungskräfte von Technologieunternehmen persönlich haften, wenn ihre Plattformen gegen Schweizer Gesetze verstossen, insbesondere wenn sie die öffentliche Meinung manipulieren, Desinformation verbreiten, die Transparenzpflichten oder den Datenschutz nicht einhalten. Der Motionär zieht dabei Parallelen zu anderen Wirtschaftssektoren, in welchen diese persönliche Haftung teilweise bereits etabliert ist. Die auch in diesem Fall ablehnende Antwort des Bundesrats bezieht sich nicht ganz unerwartet erneut auf die Vernehmlassungsvorlage zur Regulierung von Kommunikationsplattformen und Suchmaschinen. Wie diese, so sie mal das Licht der Welt erblickt, das angesprochene Problem lösen soll, bleibt aber unklar. Im weiteren Teil der Antwort hält der Bundesrat fest, dass die Haftung von Geschäftsführern für die von den Anbieterinnen von sehr grossen Kommunikationsplattformen und Suchmaschinen begangenen Rechtsverletzungen nicht im Auftrag zur Ausarbeitung der Vernehmlassungsvorlage enthalten war.
Nationale KI-Strategie und Roadmap für eine zukunftsfähige Schweiz
Im Nationalrat regt Katja Christ (GLP) mit dieser Motion die Schaffung eines KI-Kompetenzzentrums und die Förderung von KI-Forschung an den eidgenössischen Hochschulen an. Sie begründet dies insbesondere damit, dass einzelne Institutionen am Thema aktiv sind, eine fehlende Gesamtstrategie aber zu Doppelspurigkeiten und Lücken führt. Die ablehnende Antwort des Bundesrats dürfte nicht überraschen: Er betont, dass die Schweiz am Thema KI gut positioniert sei und auch die Strukturen vorhanden seien, welche eine Abstimmung der Forschungsaktivitäten zu KI erlauben. Er teilt grundsätzlich die Anliegen der Motion, lehnt aber den Aufbau weiterer Gremien und Strukturen ab. Sollte die Motion im Erstrat angenommen werden, behält er sich vor, im Zweitrat eine Anpassung des Textes ohne neues nationales Kompetenzzentrum zu beantragen. Wer hier zwischen den Zeilen «es darf nix kosten» herausliest, liegt vermutlich nicht ganz falsch. Die Abstimmung im Nationalrat steht noch aus.
Nachhaltigkeit im Doppelpack
Um die Nachhaltigkeit von KI geht es im Postulat Nachhaltigkeit von künstlicher Intelligenz. Grosser Handlungsbedarf vorhanden von Min Li Marti (SP) und in der Motion Massnahmen zum Schutz der Nachhaltigkeit in die Vernehmlassungsvorlage zur KI-Regulierung aufnehmen von Sibel Arslan (Grüne). Das Postulat fordert einen Bericht, der aufzeigt wie die durch den Einsatz von KI verursachten negativen Umweltwirkungen minimiert und Nachhaltigkeitsziele unterstützt werden können. In seiner Antwort weist der Bundesrat darauf hin, dass er ähnliche Fragen bereits mehrfach beantwortet habe, und dass es im Weiteren eine ganze Reihe von nationalen Vorhaben und Stellen gibt, die sich bereits mit dem Thema befassen. Er führt im Weiteren aus, dass weltweit die Schweiz im Bereich der KI jedoch nicht führend sei (Anmerkung der Redaktion: Was in einem leichten Widerspruch zu den Ausführungen zur oben erwähnten Motion von Katja Christ ist), und es kaum vorstellbar sei, dass sie Anforderungen an die Nachhaltigkeit bei der Entwicklung von Modellen stellen könne. Immerhin stellt er in Aussicht, etablierte internationale Standards zu übernehmen.
Die Motion von Sibel Arslan geht einen Schritt weiter und möchte den Bundesrat beauftragen, in der bis Ende 2026 zu erstellenden Vernehmlassungsvorlage zur KI-Regulierung auch Massnahmen zum Schutz der Nachhaltigkeit aufzunehmen. Auch die Motion lehnt der Bundesrat ab, da er mit der KI-Regulierung ihr Potenzial für den Wirtschafts- und Innovationsstandort Schweiz nutzbar machen, aber auch die Risiken für die Gesellschaft gering halten will. Wieso er in der fehlenden Nachhaltigkeit keine Risiken für die Gesellschaft sieht, führt er leider nicht aus. Er weist aber darauf hin, dass er in Erfüllung des Postulats Stellt der Stromverbrauch der künstlichen Intelligenz eine Gefahr für die Energiestrategie 2050 dar? bereits Abklärungen in Auftrag gegeben hat. Basierend darauf können aus Sicht des Bundesrats dann weitere Schritte ins Auge gefasst werden.
Bundesverwaltung
Mehr Beteiligung, bessere Digitalisierung
In einer gemeinsamen Motion im Ständerat und im Nationalrat fordern Matthias Michel (FDP) und Gerhard Andrey (Grüne) den Bundesrat auf, in Gesetzgebungs- und weiteren Projekten im digitalen Bereich, die sich dafür eignen, schnellstmöglich partizipative, transparente und über die verschiedenen involvierten Bundesämter koordinierte Prozesse zu etablieren. Damit soll der Einbezug von Wissen und Ideen breiter interessierter Kreise aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaft verstärkt werden. Von solchen partizipativen Verfahren versprechen sie sich höhere Chancen, dass realitätsnahe und praxistaugliche digitale Lösungen entstehen, welche dann auch akzeptiert werden. Als Beispiele für diese Art von Vorgehen nennen die Motionen die partizipative Plateforme Tripartite Suisse für digitale Gouvernanz und KI oder die kollaborative, iterative und transparente Erarbeitung der E-ID-Vertrauensinfrastruktur. Der Ständerat hat der Motion bereits zugestimmt, im Nationalrat steht die von der SVP gewünschte Diskussion noch aus.
Risikobeurteilung der Cloud-Version von Microsoft
Mit dieser Interpellation verlangt Linda de Ventura (SP) vom Bundesrat Auskunft über die aktuelle Risikobeurteilung des Einsatzes von Microsoft-Produkten durch den Bund (insbesondere das Risiko der plötzlichen Nicht-Verfügbarkeit). Sie will auch wissen, inwieweit der Bund bei einer Nicht-Verfügbarkeit noch handlungsfähig wäre und ob Schritte hin zu Open Source-Alternativen geplant sind. Die Antwort des Bundesrats gibt einen guten Überblick über den Stand des Denkens in der Verwaltung, geht aber nicht wirklich auf die Risiken ein. Dass der Wegfall von Online-Dienste wie die Microsoft-Teams-basierte Telefonie oder Sharepoint (Intranet) wie in der Antwort beschrieben zu Problemen führen würde, ist offensichtlich. Relevanter wäre zu erfahren, ob Ersatzlösungen bereitstehen oder ob die Verwaltung aktiv daran arbeitet, das Risiko zu senken. Immerhin führt der Bundesrat auch aus, dass die Bundeskanzlei eine Machbarkeitsstudie für eine Büroautomationsumgebung mit Open-Source-Software durchführt, und sie dabei auch die Umsetzung der Open Source-Strategie in Schleswig-Holstein verfolgen.
Bisherige digitalpolitische Blicke
- Digitalpolitischer Blick ins Parlament (1/n), Januar 2024
- Digitalpolitischer Blick ins Parlament (2/n), August 2024
- Digitalpolitischer Blick ins Parlament (3/n), Oktober 2024
- Digitalpolitischer Blick ins Parlament (4/n), Januar 2025
- Digitalpolitischer Blick ins Parlament (5/n), Januar 2025