Die Redaktion präsentiert jeden Dienstag die Geschichten, die sie bewegt, aufgerüttelt oder zum Nachdenken angeregt hat.
Bisher hat das sogenannte «Department of Government Efficiency» (DOGE) von Elon Musk noch mindestens ansatzweise versucht, unter dem Feigenblatt «Effizienz» zu operieren. Am Wochenende wurde jedoch – wortwörtlich – in einer Nacht-und-Nebel-Aktion eine US-Regierungsorganisation aufgelöst, die sich wohl wie keine zweite um die Effizienzsteigerung durch gute Digitalisierung kümmerte: 18F. Wem das nichts sagt, bis vor 2 Wochen sagte es uns auch nichts. Das heisst aber nicht, dass ihre Aufgabe nicht wichtig war; so erklärten sie den anderen Amtsstellen in praktischen, verständlichen Anleitungen und mit ihren Taten, wie man öffentliche IT-Projekte kostengünstig und erfolgreich durchführt und dabei fähig ist, auch den Lieferanten auf die Finger zu gucken oder Softwareprojekte sicher, zuverlässig und modern umsetzt. Diese Handreichungen sind alle nur noch schwer zu erreichen, da essenzielle Seiten gelöscht wurden. Was ist das Ziel dieser destruktiven Aktion? Mutmasslich um die Zerstörung des Staates von innen. Und die Möglichkeit für die paar superreichen Tech-Bros, selbst die Kontrolle über die Beschaffungen der öffentlichen Hand zu übernehmen. Ohne lästige Konkurrenz oder Fragen über Zweckmässigkeit. (Man beachte: Dieser vorher verlinkte Text von Anil Dash wurde 2½ Wochen vor der Vereidigung Trumps geschrieben! Wenige Texte aus dieser Zeit sind so gut gealtert wie dieser.)
Wir bleiben in den USA und erinnern uns: Vertreter der US-Big-Tech-Konzerne hatten Trump grosszügig finanziell unterstützt und durften dafür u. a. bei der Amtseinführung in der ersten Reihe sitzen. Mutmasslich als Dankeschön hat Trump nun vor zwei Wochen verlauten lassen, US-Amerikanische Big-Tech-Konzerne vor «unfairen» ausländischen Steuern schützen zu wollen. Wer sie dennoch erhebe, müsse mit Gegenmassnahmen rechnen. Die Schweiz wird nicht explizit erwähnt, aber Martin Steiger hat den Wortlaut des Memorandums mit der vor 3 Jahren an der Urne angenommenen «Netflix-Steuer» verglichen. Seine Schlussfolgerung: Es werden wohl Gegenmassnahmen auf uns zukommen. Der Wortlaut des Memorandums passt zu Trumps sonstigen Rhetorik. So wird kritisiert, dass doch andere Länder sich lieber um ihre eigene Wirtschaft kümmern sollten («Instead of empowering their own workers and economies, …»), während Trump gleichzeitig Deutschlands Exportüberschuss kritisiert. Der Umgang mit Big-Tech-(Quasi-)Monopolen, die Frage des Besteuerungsorts und ob sektorielle Direktzahlungen sinnvoll sind, werden uns noch einige Zeit begleiten.
Microsofts Quantenbemühen: Trau, schau wem
Microsoft hat laut eigenen Angaben einen Durchbruch bei Quantencomputern erreicht. Dies auf Basis von sogenannten «topologischen Qubits», die wiederum versuchen, ein sogenanntes Majorana-Teilchen nachzubilden, ein Teilchen, welches sein eigenes Antiteilchen ist. Soweit schon verwirrend genug. Doch es gibt noch mehr Fragezeichen: Die Microsoft-Quantencomputer-Forschungsabteilung hatte schon vor mehreren Jahren behauptet, dieses Majorana-Teilchen gefunden zu haben, mussten aber zugeben, dass sie sich geirrt hätten und die Publikation zurückziehen, wie die BBC rasch herausfand. Und auch RiffReporter schaute in ihrem Hintergrund- und Erklärartikel hinter die Kulissen: «Offenbar zweifeln auch die Gutachter von Microsofts Nature-Publikation: Die Daten lieferten keinen Beweis für Majorana-Zustände auf dem Chip, schreiben [die Gutachter]. Die Stärke der Arbeit liege in der Chip-Architektur, die für zukünftige Experimente mit Majorana-Zuständen geeignet sei.» Unabhängig vom Hersteller bleiben die Fragen, ob Quantencomputer in absehbarer Zeit überhaupt sinnvollen Einsatz finden werden, ausser zum Knacken von Verschlüsselung. (Und wie um alles in der Welt man auf die Idee kommt, heute schon Projekte zu starten, diese sehr verletzlichen Quantencomputer mit aufs Schlachtfeld nehmen zu wollen.)
Wer angesichts all‘ dieser Entwicklungen seine Abhängigkeit von US-Digitaldiensten etwas reduzieren möchte, findet zum Beispiel unter Switching.Software eine übersichtliche Liste mit – laut eigenen Angaben – ethischen, benutzerfreundlichen und privatsphärefreundlichen Alternativen, zumeist auf Open-Source-Basis. Eine Liste mit europäischen Alternativen gibt es auf European-Alternatives.eu; auch wenn sich dort einige Dienste finden, die zumindest mehr Fragen aufwerfen als beantworten, z. B. SwissCows und pCloud. Egal, welche Liste man konsultiert: Man sollte sich auf alle Fälle mit der Software, den Nutzungsbedingungen und dem Vertrauen in die dahinterstehende Organisation sowie Auswirkungen auf die eigene Souveränität auseinandersetzen.
Und schliesslich:
- Skype hat seit 2003 kostenlose Internet-Telefonie und Chats für ein breites Publikum ermöglicht, und mit SkypeIn/SkypeOut auch kostengünstige Übergänge vom bzw. zum lokalen Telefonnetz in vielen Ländern erlaubt. Schätzungen zufolge liefen 2014 rund 40 % aller internationalen Anrufe über Skype. In den letzten Jahren wurde es um die Anwendung etwas ruhiger. Viele Messenger bieten heute ebenfalls die Möglichkeit für Voice-Calls, und Applikationen wie Zoom oder Jitsi bieten kostenlose Video-Calls für alle. Auch sank mit der wachsenden Verbreitung von Smartphones die Notwendigkeit von SkypeIn/SkypeOut-Funktionen. Microsoft selbst, welches Skype in 2011 gekauft hatte, setzte verstärkt auf die Weiterentwicklung von Teams. Und nun ist mit Skype bald Schluss: Das nächste Update wird einen Hinweis darauf enthalten, dass der Betrieb von Skype am 5. Mai 2025 eingestellt werden wird. Ein Stück Internet-Geschichte geht damit zu Ende, aber erfreulicherweise gibt es diverse kostenlose und sichere Alternativen.
- Forscher an der George Mason University haben einen Weg entdeckt, um mittels Apples Find My-Netzwerk die Position beliebiger Bluetooth-Geräte bestimmen und überwachen zu können. De facto sind sie in der Lage, ein solches Bluetooth-Gerät dem Find My-Netzwerk als AirTag unterzuschieben, ohne dass der Benutzer hierzu seine Einwilligung geben muss. Erreicht wird dies dadurch, dass mittels hunderten von GPUs die für das Find My-Netzwerk relevanten Schlüsseldaten für alle Bluetooth-Adressen vorausberechnet wurde. Dies erlaubt den Angreifern, einen Schlüssel zu finden, der mit der Bluetooth-Adresse zum Beispiel eines Kopfhörers kompatibel ist, und der dann übers Find My-Netzwerk nachverfolgt werden kann. Die technischen Details werden erst an einer Security-Konferenz im August vorgestellt werden, Apple wurde allerdings bereits letzten Sommer informiert. Bis ein Fix verfügbar ist, kann aber noch einige Zeit vergehen. Sicherheitsbewussten (oder diesbezüglich exponierten) Anwendern bleibt vorderhand nur die Möglichkeit, auf Bluetooth-Geräte zu verzichten.
2 Antworten
Cory Doctorow hat dafür eine passende Lösung. Die Gesetze, dass man Kopierschutz nicht umgehen kann, waren Bedingung für den zollfreien Warenaustausch mit den USA. Jetzt, wo Donald einfach Zölle einführt, könnte man die mal fallen lassen. Das würde einige Monopole von Big Tech und anderen digital abgeriegelten Produkten (Autos usw) aufbrechen.
Danke für den Hinweis. Ja, währscheinlich hätte ich auf Doctorows Januar-Artikel „Canada shouldn’t retaliate with US tariffs “ noch eingehen sollen.