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Verdient Google mit der Suche nach „Marco Odermatt“ wirklich Geld?

Leistungsschutzrecht

Vielleicht wird sich der eine oder die andere fragen, wieso es jetzt noch einen dritten Beitrag zur Verleger-Studie zum Leistungsschutzrecht braucht. Wir haben ja schon gezeigt, dass das knackige Zitat von Ernst Fehr nichts mit dem Inhalt der Studie zu tun hat und dass die in der Studie getroffenen Annahmen über das AdSense-Programm und die Erwartungen an den Geldsegen für die Verleger falsch sind. Heute gehen wir darauf ein, dass nicht alle Internetsuchen gleich sind, und dass es sich lohnen könnte, die Studie auch diesbezüglich zu hinterfragen (an dieser Stelle ein herzliches „Dankeschön“ an den Leser mit dem entsprechenden Kommentar zum zweiten Beitrag). Annahmen über die Art und Relevanz von Internetsuchen stellen schliesslich die Basis der Studie dar. Ob die Basis ein solides Fundament ist oder doch eher eine Sanddüne? Wir zeigen das in den folgenden fiktiven Abschnitten.

Heute ist der dritte Tag des Gerichtsprozess der Verleger gegen die durch Google vertretenen Suchmaschinen im Internet. Am ersten Tag haben Anwälte beider Parteien ihre Standpunkte und Anträge vertreten, gestern hat der Anwalt der Verleger die Experten von FehrAdvice in den Zeugenstand gerufen und auf Basis der Expertenmeinung seinen Antrag begründet, wonach den Verlegern im Rahmen eines neu zu schaffenden Leistungsschutzrechts jährlich CHF 154 Millionen zustehen würden. Der dritte Tag beginnt mit des Befragung des Zeugen von FehrAdvice durch den Anwalt der Verteidigung.

Verteidiger: Sie legen in Ihrer Studie dar, dass den Verlegern jährlich bis zu CHF 154’000’000 von den Suchmaschinenbetreibern zustehen. Ist das korrekt?

Zeuge: Das ist korrekt.

Verteidiger: Können Sie uns kurz erläutern, wie Sie zu diesem Ergebnis gekommen sind?

Zeuge: Wir haben anhand typischer Suchanfragen erhoben, wie oft der typische Internetbenutzer sein Informationsbedürfnis durch die Suche alleine befriedigt, also keine Online-Zeitungen aufsuchen muss da das Suchresultat alleine informativ genug ist. Der Inhalt dieser Suchresultate wird durch die Verleger bereitgestellt, und aus dem Anteil dieser Suchen am Gesamtsuchumfang rechnen wir den Gewinnanteil der Suchmaschinen aus, der den Verlegern zusteht.

Verteidiger: Und die dabei verwendeten Suchanfragen sind repräsentativ für das Verhalten der Benutzer?

Zeuge: Das ist korrekt.

Verteidiger: Können Sie die verwendeten Suchanfragen bitte aufführen?

Zeuge: Wir haben typische Suchanfragen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft verwendet.

Verteidiger: Eine dieser Suchanfragen war „Credit Suisse Krise“, ist das korrekt?

Zeuge: Das ist die Suchanfrage zum Bereich Wirtschaft, ja.

Verteidiger: Wir haben hier das Ergebnis einer Google-Suche nach den Stichworten „Credit Suisse Krise“.

Können Sie für die Geschworenen kurz erläutern, was wir hier sehen?

Zeuge: Wir sehen die Suchergebnisse der erwähnten Google-Suche, diese bestehen hauptsächlich aus Titeln und Ausschnitten von Online-Zeitungen. Im weiteren sehen wir Informationen zur Bank selbst, darunter Standort und Öffnungszeiten.

Verteidiger: Wie viel Geld verdient Google mit dieser Seite?

Zeuge: Google macht jährlich rund CHF 385 Mio medienrelevanten Umsatz, diese Seite ist …

Verteidiger: unterbricht Diese Seite ist eine von Ihnen als repräsentativ bezeichnete Suche, wie viel Umsatz macht Google konkret mit dieser Seite?

Zeuge: Google verarbeitet Millionen von Anfragen am Tag, der Anteil einer einzelnen Seite ist …

Verteidiger: unterbricht Bleiben wir konkret: Google verdient Geld mit Online-Werbung?

Zeuge: Das ist korrekt.

Verteidiger: Können Sie den Geschworenen aufzeigen, wo auf dieser Seite solche Online-Werbung zu sehen sind?

Zeuge: sucht lange, schweigt

Verteidiger: Diese Seite zeigt das Ergebnis einer repräsentativen Suche. Enthält sie Online-Werbung?

Zeuge: zögert Nein, in diesem Aussch…

Verteidiger: unterbricht Genau, diese Seite enthält keine Online-Werbung. Ich wiederhole meine ursprüngliche Frage: Wieviel Geld verdient Google mit dieser Seite?

Zeuge: Google verdient Geld mit Online-Werbung, also …

Verteidiger: unterbricht von denen es auf dieser Seite keine hat. Es liegt also auf der Hand, dass Google mit dieser repräsentativen Suche kein Geld verdient. Sehr geehrte Geschworene, die vom Experten der Anklage als repräsentativ bezeichnete Suche führt zu keinen zu verteilenden Einnahmen.

Zeuge: bittet um ein Glas Wasser

Verteidiger: Kommen wir zur zweiten repräsentativen Suche gemäss Ihrer Studie, die nach dem Skifahrer „Marco Odermatt“.

Können Sie den Geschworenen auch hier aufzeigen, wo in den Suchresultaten Online-Werbung zu sehen ist?

Zeuge: sucht lange, zögert Wir haben die Studie im Februar gemacht, Marco Odermatt steht heute nicht mehr im Rampenlicht.

Verteidiger: Nehmen wir also ein aktuelles gesellschaftliches Thema wie die Geburt des Enkels von Michelle Hunziker. Können Sie den Geschworenen in diesem Screenshot die Online-Werbung markieren?

Zeuge: sucht lange Das Thema ist zu neu, da …

Verteidiger: unterbricht zu neu, so wie es im Februar das Thema „Marco Odermatt“ war? Sehr geehrte Geschworene, halten wir fest: Sowohl beim von der Anklage als repräsentativ betrachteten Suchbegriff wie auch bei bei einem aktuellen gesellschaftlichen Thema wird keine Online-Werbung eingeblendet. Google verdient also auch mit der zweiten repräsentativen Suche kein Geld.

Zeuge: rutscht etwas nervös auf seinem Stuhl herum

Verteidiger: Die dritte gemäss Ihrer Studie repräsentative Suchanfrage ist aus dem Bereich Politik, korrekt?

Zeuge: Das ist korrekt.

Verteidiger: Konkret lautete sie „Schweizerische Nationalbank Verlust“, ich habe auch hier die Suchergebnisse mitgebracht.

Können Sie den Geschworenen wenigstens hier aufzeigen, wo in den Suchresultaten Online-Werbung zu sehen sind?

Zeuge: Die Suchbegriffe haben aufgrund der Ereignisse rund um CS und UBS an Bedeutung verloren.

Verteidiger: Wollen Sie damit sagen, dass es hier keine Online-Werbung hat, weil die konkreten Suchbegriffe nicht mehr interessieren?

Zeuge: Ja.

Verteidiger: Was ist ihrer Meinung nach typischerweise die Motivation von Anbietern, Online-Werbung zu schalten?

Zeuge: Online-Werbung erwecken Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und sollen Benutzern helfen, interessante Inhalte zu finden.

Verteidiger: Heisst das auch, dass Unternehmen keine Online-Werbung schalten, wenn sie davon ausgehen müssen, dass diese gar nicht erst angeklickt wird?

Zeuge: Dazu habe ich keine Informationen.

Verteidiger: Sie sind Unternehmer. Würden Sie Online-Werbung schalten wenn Sie davon ausgehen müssten, dass diese nicht angeklickt wird?

Zeuge: Nein, das wäre rausgeschmissenes Geld.

Verteidiger: Dann scrollen wir mal ans Ende der Seite.

Können Sie den Geschworenen erklären, was wir hier sehen?

Zeuge: irritiert Der letzte Eintrag ist eine Online-Werbung der NZZ.

Verteidiger: Gemäss Ihrer Studie, ich zitiere, „bleibt [ein grosser Teil der Menschen] dann auch im Google Ökosystem, weil die Antwort dort direkt gefunden werden kann“. Bedeutet das nicht, dass Links in Suchergebnissen gar nicht erst angeklickt werden?

Zeuge: Das zeigen unsere Feldstudien deutlich auf, ja.

Verteidiger: Links werden also gar nicht erst angeklickt, und das Schalten von Online-Werbung ist gemäss Ihren Worten rausgeschmissenes Geld, sofern Links nicht angeklickt werden. Warum schaltet die NZZ dann Werbung in Suchresultaten?

Zeuge: Das müssen Sie die NZZ fragen.

Verteidiger: Die NZZ ist ein gewinnorientiertes Unternehmen, welches Werbung nur dort schaltet, wo sie auch wirkt. Konkret erwartet die NZZ, dass Benutzer über diese Anzeige auf die Zeitungsseite geleitet werden. Das legt die Vermutung nahe, dass Benutzer deutlich häufiger auf Links in Suchresultaten klicken als Ihre Studie behauptet.

Sehr geehrte Geschworenen, lassen Sie mich die Ergebnisse der Zeugenbefragung zusammenfassen:

  • Auf den von der Anklage als repräsentativ bezeichneten Suchanfragen, auf deren Basis sie ihren Anspruch von CHF 154’000’000 begründen, wird kaum Online-Werbung angezeigt, Suchmaschinenbetreiber verdienen hiermit schlicht kein Geld. Der Anspruch der Verleger an einer Umsatzbeteilung ist daher nicht gerechtfertigt und stellt den Versuch einer ungerechtfertigten Bereicherung dar.
  • Die von der klagenden Verleger vertretene These, wonach Menschen keine Suchresultate anklicken, wird durch die Verleger selbst ad absurdum geführt indem sie in eben diesen Suchresultaten Werbung schalten und Klicks erwarten.

Verlassen wir an dieser Stelle den Gerichtssaal, und schauen uns das nochmals in Ruhe an.

Behauptung 1: Google verdient Millionen mit der Nutzung von Zeitungsartikeln

Die Verlegerstudie versucht zu belegen, dass Google in der Schweiz durch das Anzeigen von Zeitungsartikeln in den Suchresultaten jährlich Millionen von Franken verdiene. Gerade die in der Studie als repräsentativ bezeichneten Suchen zeigen jedoch, dass bei Suchen nach tagesaktuellen Themen in den Ergebnissen kaum je Werbung eingeblendet wird. Gemäss Google Trends waren am 31. März in der Schweiz die Begriffe „Stormy Daniels“, „EHC Biel“, „Formula 1“ und „Evan Gershikovich“ im Trend, in den zugehörigen Suchergebnissen wurde bei keinem der Begriffe Werbung eingeblendet (auch wenn man sich das bei den ersten drei Begriffen sogar noch hätte vorstellen können). Das zeigt sich indirekt auch daran, welche Schlüsselwörter bei Werbung am teuersten sind: Gemäss einem SEO-Anbieter in USA sind das Begriffe wie „Versicherung“, „Kredit“, „Hypothek“, „Anwalt“, „Spende“ etc. Auch wenn das in CH vielleicht leicht anders aussehen mag: Diese Begriffe deuten stark darauf hin, dass Werbung typischerweise dort geschaltet wird wo es anschliessend etwas zu verkaufen gibt.

Halten wir also fest:

  • Google verdient mit dem Vermitteln und Anzeigen von Werbung viel Geld.
  • Kaum Geld verdient Google mit dem Anzeigen von Zeitungsartikeln in Suchergebnissen, da dort schlicht kaum Werbung geschaltet wird. Defacto fährt Google mit jeder solchen Suche sogar einen Verlust ein, da die benötigte Rechenzeit ja auch bezahlt sein will.
  • Online-Anzeigen finden sich primär in Suchergebnissen nach spezifischen Produkten, Feriendestinationen etc., dort sind aber Zeitungsartikel eher selten in den Ergebnissen zu finden.

Da es nicht nachvollziehbar ist, wieso Google die Verleger für Suchergebnisse entschädigen soll, welche gar keine Zeitungsartikel beinhalten und/oder mit welchen es keine Einnahmen erzielt, bleiben schlussendlich nur die Brosamen aus den wenigen Online-Werbungen bei tagesaktuellen Themen übrig. Da ist es dann schon fast ironisch, wenn diese Werbungen von Zeitungen selber geschaltet werden.

Behauptung 2: Links in Suchergebnissen werden nicht angeklickt

Die Studie versucht argumentativ, Google als eigenständige Medienplattform darzustellen, welche ihre Werbeeinnahmen durch die Aggregation und Zweitverwendung Inhalte Dritter erzielt. Und stellt basierend darauf die Behauptung auf, dass diese Aggregation dazu führt, dass Benutzer bei der Themensuche bei Google quasi „hängenbleiben“ und den gefundenen Links gar nicht erst folgen.

Zeitungen könnten sich viel Arbeit sparen, wenn sich Leser mit den eher dürftigen Informationen in der Google-Suche zufriedengeben würden, wie untenstehendes Beispiel zeigt. Wer auch nur ein bisschen Kontext und Hintergrund kennenlernen möchte, wird notgedrungen auf einen der gefundenen Links klicken und landet dann unweigerlich bei der entsprechenden Zeitung.

Aber noch viel absurder wird die „Links wird nicht gefolgt“-Behauptung, wenn die wenigen Online-Werbungen zu tagesaktuellen Suchergebnissen von Zeitungen stammen (das obige Beispiel zur Nationalbank führt unter anderem auch noch zu Werbung der Handelszeitung, bei anderen aktuellen Themen kann man auch Tagesanzeiger-Links finden). Nicht einmal die Verlage selber glauben also an diese Behauptung, sonst würden sie ja kaum entsprechende Werbung schalten.

Fazit

Unterm Strich zeigt die von den Verlegern in Auftrag gegebene Studie zum Leistungsschutzrecht vor allem auf, dass es für ein solches schlicht keine Basis gibt. Bei den von der Studie selbst als repräsentativ bezeichneten Suchanfragen wird kaum je Online-Werbung eingeblendet, der Vorwurf einer ungerechtfertigten Bereicherung durch Zweitnutzung von Zeitungsartikeln ist daher hinfällig. Und die in der Studie aufgestellte Behauptung, wonach Benutzer den Links in den Suchergebnissen nicht folgen, führen die Verleger selber ad absurdum indem sie in genau diesen Suchergebnissen anzuklickende Werbung schalten. Vereinfacht gesagt beweist die Studie also genau das Gegenteil von dem, was sich die Verleger eigentlich von ihr erhofft haben…

Wir müssen also die schon letzte Woche gezeigte Übersichtsgrafik um ein wichtiges Element erweitern, konkret um den Inhalt der betrachteten Suche.

Selbst wenn man der Argumentation der Verleger folgen würde und ein Leistungsschutzrecht für die Zweitverwendung von redaktionellen Inhalten durch Suchmaschinenanbieter für gerechtfertigt hält, so müsste sich dieses alleine auf die Suchergebnisse beschränken in welchen solche Inhalte massgeblich enthalten sind (User B). Genau mit diesen Suchergebnissen verdienen Suchmaschinenanbieter aber mangels passender Online-Werbung kaum Geld.

PS: Da man ja gerne dem Vorwurf „Du willst, dass Google sich an uns dumm und dämlich verdient“ ausgesetzt wird: Ich bin klar der Meinung, dass Google (wie andere internationale Unternehmen auch) für die in CH erzielten Gewinne auch hierzulande Steuern zu zahlen hätte. Der Weg dazu führt aber über die Unternehmenssteuer-Gesetzgebung, nicht über eine staatlich verordnete Zwangsabgabe zugunsten einzelner Interessensgruppen. Eine angemessene Gewinnsteuer hätte zusätzlich den Vorteil, dass sie nicht nur einzelnen Medien sondern generell dem Staatshaushalt (und damit zum Beispiel den immer als Argument für den Google-Standort Zürich aufgeführten Hochschulen) zugute käme.

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6 Antworten

  1. Ich würde gerne 50.- spenden, aber nicht mit Karte. Gibt es bei Euch auch die Möglichkeit, über QR-Code mit eBanking zu bezahlen?

    1. Herzlichen Dank, dass Du uns unterstützen möchtest. Wir haben auf der Seite Unterstützen eine IBAN Nummer publiziert. Wir werden das hier in der Spenden-Sektion für die einzelnen Beiträge auch noch machen. Danke für den Hinweis.

  2. Kluger Artikel. Danke für die Hintergründe. Aber was um Himmels Willen haben Geschworene in einem Gerichtsverfahren in der Schweiz zu suchen oder ist der Verteidiger vielleicht gedanklich in den USA?

    1. Ja bereits schon bei meinem Teil Leider hab ich bis dato keine Antwort erhalten. Denn mir ist bis heute nicht klar woher die 40 % abgeleitet worden sind bei der Studie beim letzten Rechenschritt. (40% des angeblich von Medien generierten Werbeumsatz bei Informationssuchen)

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