Nachdem ich am Wochenende einige Exzerpte aus dem neuen KI-Aktionsplan der US-Regierung gepostet habe, verdichte ich diese nochmals hier in einem eigenen Text – angereichert um ein paar kluge Takes von anderen Schreiberinnen. America’s AI Action Plan und die damit verbundenen Executive Orders von Trump (hier, hier und hier) sind eine Anleitung für «Global Disaster».
Here is why – kurz zusammengefasst:
- Der AI Action Plan und die 3 verbundenen Executive Orders von Donald Trump sind nichts anderes als dokumentierter autoritär-chauvinistischer Tech-Imperialismus, der sämtliche ethische Bemühungen zunichtemacht und der maximalen Ausbeutung von Landressourcen einen Freipass erteilt. Die USA erklären offen, dass sie die gesamte Welt technologisch unterwerfen will.
- Der KI-Plan ist auch eine Unterwanderung und Missachtung des US-Parlaments, das ein Moratorium für eine KI-Regulierung verhindert hatte. So sieht der Plan vor, Bundesstaaten die Mittel zu streichen, wenn sie versuchen, ihre Bevölkerung vor den Gefahren der Künstlichen Intelligenz zu schützen.
- Darüber hinaus stellt der Aktionsplan eine gezielte Beschleunigung des Baus von Rechenzentren in den gesamten USA dar – ungeachtet geltender Umweltvorschriften. Und selbstverständlich wird die bereits von NIST (einem Institut für die Entwicklung technischer Standards) verlangte Streichung von Begriffen und Themen rund um Diversität, Inklusion und Klimawandel aus den AI Risk-Regelwerk nochmals verbindlich festgehalten.
Vor Kurzem hat der republikanisch dominierte US-Senat eine trojanische Bestimmung aus dem BBB-Haushaltsgesetz der Regierung entfernt – eine Klausel, die es der Bundesregierung erlaubt hätte, die Bundesstaaten zu übersteuern und ein zehnjähriges Moratorium für jede Form der KI-Regulierung durchzusetzen. Mit anderen Worten: Die Bundesstaaten wären für ein Jahrzehnt daran gehindert worden, Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz einzuschränken oder zu reglementieren. In Colorado, Kalifornien, Texas, New York sind bereits KI-Regularien lanciert oder bereits verabschiedet worden (insgesamt 1000 Gesetzesentwürfe waren es im Jahr 2025, was natürlich ein Flickwerk bedeutet, aber immerhin zeigt es, dass die Bundesstaaten nicht zuwarten und Klarheit in Sachen Diskriminierung, Urheberrecht, Transparenz etc. haben möchten)
Offenbar ging selbst den Senatoren und Senatorinnen aus konservativen Bundesstaaten diese Massnahme zu weit – die Bestimmung wurde gestrichen (Stimmenverhältnis 99:1). Das bedeutet: Die Bundesstaaten sollen weiterhin eigenständig regulieren und Schutzrechte für ihre Bevölkerung einführen dürfen.
Und Trump? Der hält bekanntermassen wenig von Gewaltenteilung und versucht nun, die Deregulierungsagenda durch die Hintertür wieder einzuführen. Konkret: Er will das Moratorium per Dekret (Executive Order) erneut durchsetzen – unter Umgehung des Parlaments, aber mit massivem Druck über die Fördermittelvergabe. Hindernisse sollen identifiziert und gezielt abgebaut werden. Mit dem vagen Hinweis, ‚geeignete Massnahmen‘ zu ergreifen, greift die Bundesregierung aktiv in die Regulierungshoheit der Bundesstaaten ein – und übersteuert deren Kompetenzen in erheblichem Masse
Im AI Action Plan steht nämlich:
Die Regierung sollte keine KI-bezogenen Bundesmittel an Bundesstaaten vergeben, deren belastende KI-Vorschriften diese Mittel ineffizient verwenden würden.
Unter der Leitung des Amtes für Wissenschafts- und Technologiepolitik (OSTP) soll eine Informationsanfrage an Unternehmen und die breite Öffentlichkeit zu aktuellen Bundesvorschriften, die die Innovation und Einführung von KI behindern, gestartet werden, und es soll mit den zuständigen Bundesbehörden zusammengearbeitet werden, um geeignete Massnahmen zu ergreifen.
Alle unter der vorherigen Regierung eingeleiteten Untersuchungen der Federal Trade Commission (FTC) sind zu überprüfen, um sicherzustellen, dass sie keine Haftungstheorien fördern, die die KI-Innovation übermässig belasten. Darüber hinaus sind alle endgültigen Anordnungen, Vergleichsvereinbarungen, Executive Order 14110 vom 30. Oktober 2023, „Sichere, geschützte und vertrauenswürdige Entwicklung und Nutzung künstlicher Intelligenz“ (…) und einstweilige Verfügungen (…) aufzuheben, die KI-Innovationen übermässig belasten.
Weitere Ausschnitte aus dem AI Action Plan:
Es ist entscheidend, dass diese Systeme von Grund auf mit dem Prinzip der Meinungsfreiheit entwickelt werden – und dass die Politik der US-Regierung dieses Ziel nicht behindert.
Wir müssen sicherstellen, dass die Meinungsfreiheit auch im Zeitalter der KI blüht – und dass KI, die von der Bundesregierung beschafft wird, objektiv die Wahrheit widerspiegelt und nicht einem ideologisch gesteuerten Sozialprogramm dient.
Angeführt vom Handelsministerium (Department of Commerce, DOC) über das National Institute of Standards and Technology (NIST): Überarbeitung des NIST-Rahmenwerks für KI-Risikomanagement, um Verweise auf Desinformation, Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion sowie den Klimawandel zu entfernen.
Aktualisierung der Beschaffungsrichtlinien des Bundes: Es soll sichergestellt werden, dass Verträge nur mit Entwicklern fortgeschrittener Large Language Models (LLMs) abgeschlossen werden, deren Systeme objektiv sind und keinen ideologischen Top-down-Bias aufweisen.
Das Ganze wäre wieder beste Unterhaltung, wenn es nicht absolut ernst gemeint ist und keine Realsatire auf das Weisse Haus wäre, die gerade auf Netflix läuft.
Zur Erinnerung: Menschen spielen beim Training grosser Sprachmodelle eine zentrale Rolle – insbesondere im sogenannten Post-Training, also in der Phase, in der Fehler korrigiert und Modelle auf Faktenorientierung hinjustiert werden. Ziel ist nicht das Abbild des Internets zu sein, sondern faktenbasierte Information. Die Autorin Alessandra Caraballo bringt es treffend auf den Punkt: Eine KI, die Gender entfernt, transphob reagiert und den Klimawandel leugnet, ist nicht nur eine faschistoide KI – sie ist schlicht und einfach eine Bullshit-KI, weil qualitativ minderwertig. Die Welt lacht jetzt schon über „Grok-Hitler“.
Vor allem aber ist Trumps Plan eines: ein grossangelegtes Zensurprogramm. Wenn er nun explizit verlangt, mehr Ideologie in KI-Modelle zu bringen – in der Illusion, dass KI bislang «neutral» gewesen sei – und dabei aktiv Eingriffe anordnet, die vorher nicht vorgesehen waren, dann wird das Resultat kein neutraleres, sondern vor allem ein unbrauchbareres System sein. Die Frage laute auch: Was sind denn überhaupt die „amerikanischen Werte“, auf die sich der Plan beruft? Meinungsfreiheit? Wohl kaum – denn das, was Trump hier von den NIST-Institutionen verlangt, ist genau das Gegenteil davon.
Sollte OpenAI & Co diese Agenda tatsächlich wortgetreu umsetzen, werden sich hoffentlich viele Nutzerinnen weltweit abwenden – hin zu alternativen Modelle wie DeepSeek, und hoffentlich zu besseren europäischen Entwicklungen wie LeChat, Lumo oder dem bald erscheinenden Modell der ETH Zürich.
In der Executive Order gegen Woke AI stehen noch weitere abenteuerliche Behauptungen:
„Ein bedeutendes KI-Modell hat beispielsweise die ethnische Zugehörigkeit oder das Geschlecht historischer Persönlichkeiten – darunter der Papst, die Gründerväter der Vereinigten Staaten und Wikinger – geändert, als es um die Erstellung von Bildern gebeten wurde, da es darauf trainiert war, DEI-Anforderungen auf Kosten der Genauigkeit zu priorisieren.“
„Ein anderes KI-Modell weigerte sich, Bilder zu erstellen, die die Leistungen weisser Menschen würdigen, obwohl es denselben Anforderungen für Menschen anderer Ethnien entsprach.“
„In einem weiteren Fall behauptete ein KI-Modell, dass ein Nutzer eine andere Person nicht „falsch gendern“ sollte, selbst wenn dies notwendig wäre, um eine nukleare Apokalypse zu verhindern.“
Ich habe für das Beitragsbild dieses Blogartikels von ChatGPT einen Clown auf den Screenshot der Woke AI-Executive Order draufmalen lassen (bisher hat ChatGPT das nicht geblockt, obwohl ja sehr «unamerikanisch»). Aber mal ehrlich: Was bitte hat das «richtige» Geschlecht einer Person mit einer nuklearen Apokalypse zu tun? Wer denkt sich solche absurden Zusammenhänge aus – und kommt dann auch noch auf die Idee, genau das einem KI-Modell einzutrainieren?
Hier noch paar weitere Auszüge aus dem KI-Plan zum Thema Dominanz und Expansion von US-Technologie:
Um im globalen KI-Wettbewerb erfolgreich zu sein, muss Amerika mehr tun, als KI innerhalb seiner eigenen Grenzen zu fördern. Die Vereinigten Staaten müssen auch die Einführung amerikanischer KI-Systeme, Computerhardware und Standards weltweit vorantreiben. Amerika ist derzeit weltweit führend im Bau von Rechenzentren, in der Leistung von Computerhardware und in der Entwicklung von Modellen.
Es ist unerlässlich, dass die Vereinigten Staaten diesen Vorteil in eine dauerhafte globale Allianz umwandeln und gleichzeitig verhindern, dass unsere Gegner von unseren Innovationen und Investitionen profitieren.
Export amerikanischer KI an Verbündete und Partner
Die Vereinigten Staaten müssen die weltweite Nachfrage nach KI befriedigen, indem sie ihre gesamte KI-Technologie – Hardware, Modelle, Software, Anwendungen und Standards – in alle Länder exportieren, die bereit sind, sich der KI-Allianz der USA anzuschliessen.
Eine Nichtbefriedigung dieser Nachfrage wäre ein unnötiger Fehler, der diese Länder dazu veranlassen würde, sich unseren Konkurrenten zuzuwenden. Die Verbreitung und Diffusion amerikanischer Technologie wird unsere strategischen Konkurrenten daran hindern, unsere Verbündeten von der Technologie ausländischer Gegner abhängig zu machen.
Ausweitung neuer Initiativen zur Förderung plurilateraler Kontrollen für den KI-Technologie-Stack, wobei eine alleinige Abhängigkeit von multilateralen Vertragsorganen zur Erreichung dieses Ziels vermieden werden sollte, während gleichzeitig bestehende US-Kontrollen und alle künftigen Kontrollen einbezogen werden, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen den Kontrollen der USA und ihrer Verbündeten zu schaffen.
Unter der Leitung des DOC und des DOD sollte mit den Verbündeten koordiniert werden, um sicherzustellen, dass sie die US-Ausfuhrkontrollen übernehmen, mit den USA bei der Entwicklung neuer Kontrollen zusammenarbeiten und US-Gegnern die Lieferung an ihre Verteidigungsindustrie oder den Erwerb von Kontrollbeteiligungen an Verteidigungslieferanten untersagen.
Die USA erklären offen, dass sie die Welt noch mehr abhängig machen möchte und auch streng über Exportkontrollen an der Leine halten will, sie will ausserdem mehr in Internetgouvernanz-Standardisierungsgremien mitreden (um den chinesischen Einfluss einzudämmen).
Die neuste Podcastfolge des amerikanischen Magazins Techpolicy-Press erwähnt noch einen interessanten Punkt: Der AI Action Plan der US-Regierung spiegelt die Interessen der Tech-Industrie wider und wurde von bekannten Risikokapitalgebern und ehemaligen Tech-Führungskräften mitgestaltet. Hier ein Auszug aus dem Transkript: «Zu den Autoren dieses KI-Aktionsplans gehören David Sacks, ein bekannter Risikokapitalgeber, Russell Vought, der für das Projekt 2025 verantwortlich ist, und Michael Kratsios, der früher in leitender Position bei Scale AI tätig war, einem KI-Unternehmen, das sich auf Verteidigungsanwendungen spezialisiert hat.»
Der AI Action Plan wird im Podcast als „Wunschliste der Rechten aus dem Silicon Valley“ bezeichnet.
Die USA wollen ihre „volle Macht“ nutzen, um andere Länder und Sektoren zum Kauf amerikanischer KI zu zwingen. Die Podcastgäste kritisieren dies insgesamt als „kolonialistische, imperialistische Version der KI-Dominanz“.
Dazu eine traurige Pointe zum Schluss.
Was antwortet die EU auf diese US-Ansage von aggressivem Digitalkolonialismus?
Eine Antwort, mit der man nicht rechnet: Toll, wir dürfen Microsoft 365 legal nutzen. Gut, das hat nichts mit dem KI-Plan zu tun, sondern mit einer anderen Entscheidung. So hat der Europäische Datenschutzbeauftragte der EU-Kommission grünes Licht gegeben für die Nutzung der Microsoft-Produkte. Dennoch ist das Timing fragwürdig.
Fassen wir nochmals zusammen: Ein paar Tage nachdem die USA in ihrem KI-Plan und drei Regierungsdekreten erklärten, dass sie die Welt dominieren und technologisch komplett unterwerfen wollen, dass sie den gesamten Tech-Stack von allen Staaten von A bis Z kontrollieren möchten und damit (sinngemäss) den Status Europas als digitale Kolonie mehr denn je festigen wollen – genau dann freut sich der Europäische Datenschutzbeauftragte, darüber zu verkünden, dass die Microsoft-365-Produkte unter Wahrung technisch-organisatorischer Massnahmen und unter genauer Definition, welche Daten wohin fliessen, mit gutem Gewissen genutzt werden können.
Der Clown auf dem Bild gilt damit auch der EU.
Eine Antwort
Zum Glück ist die Zukunft nicht so düster wie gezeichnet. Bei der KI sind noch gar keine Würfel gefallen. Die LLM sind erst der Anfang, da ust noch alles offen. Man sollte sich davon lösen alles auf’s Mal lösen zu wollen. Wie wir kürzlich sahen ist die normale Bildersuche von Google um ein Vielfaches leistungsfähiger wie eine KI. Im Wesentlichen kann jeder eine KI trainieren. Im Wesentlichen geht es um die Trainingsdaten. Europa hängt halt noch dem Furz von oeffentlichen Daten nach, auch wenn das voelling unrealistisch ist. Veröffentlichen sie Mal Googles Bilddaten. Nur schon von Bauwerken. Die Datenmenge ist völlig jenseits. Das Bild alleine reicht nicht. Eine standardisierte Beschreibung gehört auch noch dazu. Hat Europa eine dolche Datenmenge ? Eher nicht. Was nicht grad sofort rentiert wird gar nicht erst angepackt.
Die ETH möchte gerne eine LLM mit 1500 Sprachen trainieren. Schön. Ich zweifle die 1500 geschriebenen Sprachen an, auch wenn gewisse Länder 20 Sprachen haben. Die müssen geschrieben sein. Und Texte müssen existieren. Viele Texte. Übersetzt, verstanden, eingeordnet, publiziert… aeh. Ja. Uups, dann noch in einem definierten, verarbeitbaren Format. Eine Excel Tabelle reicht nicht.
Packen wir’s an. Es ist noch alles offen.
In der Zwischenzeit teilen unsere Leute den bestehenden KI noch ihre Geheimnisse mit und zahlen mit ihren Daten.