Die KI-Auslegeordnung ist längst fertig – veröffentlicht wurde sie bislang trotzdem nicht. Kolumnist Reto Vogt stört sich nicht nur an der intransparenten Kommunikation und der Geheimniskrämerei des Bundesrats.
Seit über einem Jahr arbeitet der Bundesrat an einer Auslegeordnung zur KI-Regulierung – doch veröffentlicht wurde sie bis heute nicht. Die Ergebnisse waren ursprünglich für Ende 2024 versprochen, aber das zuständige Bundesamt für Kommunikation (Bakom) ist bis heute nicht fertig mit der Auslegeordnung, so die offizielle Lesart. Zur Verzögerung sei es gekommen, «da bei diesem komplexen Thema die Bereinigung der Ämterkonsultation mehr Zeit erforderte als ursprünglich geplant», wie das Bakom zu den Kollegen von inside-it.ch sagte. Der Bundesrat werde die Auslegeordnung zur Regulierung von KI voraussichtlich Mitte Februar besprechen und zu gegebener Zeit informieren.
Während der AI Act der Europäischen Union seit dem 2. Februar 2025 in Kraft ist, herrscht hierzulande also weiter Unklarheit. Wie viel Regulierung will der Bundesrat und wie will er gleichzeitig Menschen vor Diskriminierung schützen, ohne dabei aber wichtige Innovationen zu hemmen? Darüber lässt die Regierung die Öffentlichkeit weiter uninformiert. Ich halte das für problematisch. Die erneute Verzögerung zeigt, dass Künstliche Intelligenz innerhalb der Bundesverwaltung nicht die Priorität geniesst und mit dem Engagement bearbeitet wird, die das Thema verdient.
Öffentlichkeit bleibt aussen vor
Doch das ist nicht die einzige Problematik: Der Bundesrat lässt die Öffentlichkeit nicht nur über seine Regulierungsansätze im Trüben, sondern auch über den zeitlichen Fahrplan. Die Regierung, beziehungsweise das Bakom, informierten über die Verzögerung nicht per Medienmitteilung, sondern ausschliesslich über einen E-Mail-Verteiler der «Plateforme Tripartite». Diese Plattform umfasst rund 300 Mitglieder, wie es auf der Website heisst. Mitglied können zwar alle werden, die das wollen. Aber wer Mitglied ist, bleibt geheim. Folglich ist es intransparent, wer die Informationen zur Haltung des Bundes in Sachen KI-Regulierung erhält.
Ich halte diese geschlossene, eingrenzende Kommunikation bei einem so wichtigen Geschäft für ein No-Go. Warum ausschliesslich dieser Kanal gewählt wurde, beantwortet das Bakom auf meine Anfrage hin nicht wirklich, sondern weicht aus: «Die Plateforme dient seit 2003 als nationale Austauschplattform zu Themen der Internet- und digitalen Gouvernanz sowie der künstlichen Intelligenz». Wer sich dort registriert hat, erfuhr kürzlich, dass der Bundesrat voraussichtlich Mitte Februar 2025 seine «Grundsatzentscheidung zur Auslegeordnung fällen und den Bericht dazu veröffentlichen wird».
KI-Auslegeordnung ist längst fertig
Diese Formulierung erstaunt. Die KI-Auslegeordnung präsentiert verschiedene mögliche Regulierungsansätze und ist ergebnisoffen. Warum braucht es dazu einen Grundsatzentscheid? Das Bakom erklärt auf meine Nachfrage: «Der Grundsatzentscheid besteht darin, welchen Regulierungsansatz die Schweiz zukünftig verfolgen wird.» Die Auslegeordnung und die ihr zugrundeliegenden Basisanalysen würden die Grundlage für diesen Bundesratsentscheid dar, heisst es aus der Kommunikationsabteilung des Bakoms.
Das ist demokratiepolitisch fragwürdig: Mitte Februar kommt also nicht nur die Auslegeordnung, sondern auch gleich ein bundesrätlicher Entscheid, wie viel Regulierung es denn sein darf. Das ist gut und schlecht gleichzeitig. Einerseits gut, weil es endlich vorwärtsgeht. Andererseits fatal, weil niemand ausser der Verwaltung mitreden durfte – obwohl offensichtlich genügend Zeit dafür zur Verfügung gestanden hätte.
Schluss mit der Geheimniskrämerei
Dass die Auslegeordnung schon früher fertig war, bestätigt das Bakom indirekt. Das Amt schreibt auf Nachfrage: «Wie jedes bundesrätliche Geschäft wurde auch die Auslegeordnung im Rahmen einer Ämterkonsultation in der gesamten Bundesverwaltung konsultiert. Alle Bundesämter und -departemente konnten entsprechend Stellung nehmen.» Darüber hinaus seien Inputs über die erwähnte Plateforme Tripartite eingeholt worden. Direkte Anfragen von Unternehmen oder Interessenvertretern zur KI-Auslegeordnung seien mit dem Verweis auf die Plateform abgelehnt worden. Einzige Ausnahme: «Eine Konsultation mit der ausserparlamentarischen Kommission für Wirtschaftspolitik im Frühjahr 2024». Zu einer öffentlichen Vernehmlassung kommt es erst, wenn der «Bundesrat die Erarbeitungen von gesetzlichen Anpassungen beschliesst», so das Bakom.
Warum die Geheimniskrämerei und der Entscheid hinter verschlossenen Türen? Wirtschaft, Wissenschaft und weitere Organisationen brauchen dringend Rechtssicherheit. Mir ist auch klar, dass die Auslegeordnung an sich nicht dafür gesorgt hätte. Aber eine transparente Kommunikation auf Augenhöhe hätte in puncto Erwartungsmanagement viel geholfen. Nun wird nicht debattiert, sondern nur noch hingenommen.