Vogt am Freitag: Analog

Das Urheberrecht ist nicht auf das KI-Zeitalter vorbereitet. Kolumnist Reto Vogt gefällt das.

Stammt ein Porträtfoto aus einem einstündigen Fotoshooting mit einer Profifotografin oder wurde es mit KI generiert? Bei genauem Hinsehen lässt sich das tatsächlich noch einigermassen treffsicher zuordnen. Aber auf den ersten Blick? Schwierig. Dasselbe gilt für Image-Bilder für Social-Media-Kampagnen, Illustrationen bei Zeitungsartikeln, Buchcover für Verlage oder Designs für Produktverpackungen: Wie lange lässt sich noch feststellen, wer für den Kreativprozess dahinter verantwortlich war – Mensch oder Maschine? Ich behaupte: Bald wird es unmöglich sein.

Aber genau das ist die entscheidende Frage, wenn es um das geistige Eigentum und das Urheberrecht an diesen Werken geht. Denn die aktuelle Gesetzeslage in der Schweiz ist deutlich: In Artikel 6 des Urheberrechtsgesetzes heisst es: «Urheber oder Urheberin ist die natürliche Person, die das Werk geschaffen hat.» Wird also eine kreative Leistung durch ein Sprachmodell erbracht, dann lässt sich der Output der Maschine nicht schützen. Ein aktueller Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts stützt diese Interpretation: «Bei einer Patentanmeldung muss eine natürliche Person als Erfinderin genannt werden», KI-Modelle seien nicht zulässig.

KIs verwässern menschliche Leistung

Wie viel Kreativleistung eines Menschen steckt in einem Prompt? Was ist, wenn jemand mit einem Modell über mehrere Iterationen hinweg ein perfektes Stimmungsbild für die Unternehmensbroschüre erzeugt? Ein entsprechendes Gerichtsurteil fehlt bis dato in der Schweiz. Ich halte es für fraglich, ob das überhaupt ausreichen würde, um für den grossen Teil des kreativen Prozesses verantwortlich zu sein. Denn dies ist stand jetzt nötig, um auch einen KI-Output urheberrechtlich zu schützen.

Aber sollten wir das als Gesellschaft wirklich anstreben? Sollen KI-Outputs urheberrechtlich geschützt werden können? Befürworter argumentieren: Wer stundenlang an der perfekten Prompt-Formulierung arbeitet, investiert genügend Eigenleistung und soll mit entsprechendem Schutz belohnt werden. Ich sehe das anders: Würden KI-Outputs als schützenswert anerkannt, würde dies den Wert menschlicher Leistung verwässern. Warum? Weil die Maschinen ihnen auf Augenhöhe gestellt und vermenschlicht würden.

Urheberrecht muss kreative Berufe schützen

Die Maschinen sind nur deshalb so gut, weil sie von der jahrzehntelangen Kreativleistung von Menschen profitieren. Ohne dieses Trainingsmaterial, das meist ungefragt genutzt worden ist, wären KIs heute niemals zu solch qualitativ hochwertigen Outputs imstande. Die Situation geht über das Dilemma, über das ich letzte Woche schrieb, hinaus. Denn die Realität ist fast schon zynisch: Die grossen Sprachmodelle verdrängen exakt jene kreativschaffenden Menschen vom Arbeitsmarkt, von denen sie mit am meisten profitiert haben.

Kreative Berufe von Texter:innen, Fotograf:innen oder Illustrator:innen sind deshalb zu schützen. Das gelingt nur, wenn KI-Outputs nicht urheberrechtlich schützbar bleiben.  Der Gesetzestext mag altmodisch erscheinen in einer Zeit, in der KI-Systeme in Sekunden Bilder produzieren. Aber genau diese Formulierung ist heute wichtiger denn je. Sie schützt nicht nur die Rechte von Kreativen, sondern auch den Wert menschlicher Originalität.

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3 Antworten

  1. „Wie lange lässt sich noch feststellen, wer für den Kreativprozess dahinter verantwortlich war – Mensch oder Maschine?“ – Eine Maschine wird niemals für etwas verantwortlich sein – es wird immer der Mensch sein, der sie in Gang gesetzt hat. Genau so, wie eine Maschine kein Erfinder sein kann.

  2. Allenfalls sollte in Betracht gezogen werden, dass auch kreative Berufe KI als Werkzeug verwenden (koennen). Die Verwendung macht auch Sinn, und der Basis Ansatz hat gegenueber einem Unbedarften auch eine Basis. Sie werden dabei effizienter. Jedes Fotobearbeitungstool hat einen KI Mode, welcher zugeschaltet werden kann.
    Dabei ruecken diese sogenannt kreativen Beruf in die Naehe von technischen Berufen.
    So ganz nebenbei ist Programmieren auch eine kreative Taetigkeit, welche keinen Urheberschutz geniesst. Ist aber kein richtiger Beruf, nur eine Taetigkeit eines Berufes.
    Es bleibt : was ist schuetzenswert und wie erkennt man’s.

  3. Ich sehe das Problem überhaupt nicht. Es gab schon vorher Fotos von Gemälden und Skulpturen, Aufnahmen von einem Konzert und dergleichen, was soll hier anders sein? Ein LLM ist ein abgeleitetes Werk der Trainingsdaten. Die Menge der Trainingsdaten ist dabei unerheblich.

    Technisch betrachtet ist ein LLM ein verlustbehafteter Kompressionsalgorithmus für Sprache (im abstrakten Sinne, nicht nur Schriftsprache!), so wie JPEG für Bilder. JPEG macht aus Pixeldaten Annäherungen in Form von mathematische Kurven und speichert die Parameter. LLMs machen dasselbe mit sprachlichen Tokens.

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