Vogt am Freitag: Zwischentöne

Gegen E-Voting und Überwachung sein, aber gleichzeitig für die E-ID? Das geht problemlos, findet Kolumnist Reto Vogt. Deshalb hat er auch das nun zustandegekommene Referendum nicht unterschrieben.

Nun ist das Referendum zum E-ID-Gesetz also doch noch zustande gekommen. Es war denkbar knapp und aufgrund interner Machtkämpfe bei der Piratenpartei, die in der Sache federführend war, sind während der Unterschriftensammlung für dieses Referendum gleich zwei neue Parteien entstanden. Von aussen einigermassen amüsant zu beobachten, für die Betroffenen sicher weniger lustig.

Insgesamt hat die Aussendarstellung des Kernanliegens – die Verhinderung der E-ID – darunter gelitten, weshalb das ganze Referendum und die nun folgende Abstimmung unter keinem guten Stern steht. Das liegt aber nicht nur an den internen Zerwürfnissen innerhalb der Piratenpartei, sondern auch an der Beteiligung von rechtsnationalen und teilweise radikalisierten Gruppen wie «Massvoll» oder den «Freunden der Verfassung», die sich manchmal weit ausserhalb des demokratischen Spektrums bewegen.

Keine Unterschrift von mir

Doch das sind gar nicht die Gründe, weshalb ich erstens das Referendum nicht unterschrieben habe und zweitens der Volksabstimmung, die voraussichtlich am 28. September 2025 stattfindet, gelassen entgegensehe. Im Gegenteil ist das sogar die wertvolle Chance, dass die neue E-ID direktdemokratisch legitimiert wird.

Warum habe ich nicht unterschrieben? Es ist einfach: Die Argumente der E-ID-Gegner greifen zu kurz und sind auch nicht stringent. Sie sind gegen Überwachung und gegen Ausweiszwang oder die Aufhebung der Anonymität im Internet – und lehnen aus diesen Gründen auch die E-ID ab. Damit stellen sie einen Zusammenhang her, den es gar nicht gibt.

Katalysator für Digitalisierung

Ich bin auch gegen Massenüberwachung, gegen Ausweiszwänge für Youtube, gegen anlasslose Gesichtserkennung im öffentlichen Raum und gegen E-Voting. Das digitale Abstimmen ist technisch äusserst komplex, anfällig für Manipulationen und schwer kontrollierbar. Die Risiken für die Demokratie sind real, weshalb ich klar dagegen bin. Auch bei der Überwachung gibt es gravierende Probleme, etwa wenn Behörden ohne Verdacht auf Vorrat Daten speichern oder biometrische Überwachung ausweiten. Die geplante Verordnung zum Bundesgesetz zur Überwachung des Post- und Fernmelde­verkehrs (VÜPF) darf so nie in Kraft treten.

Aber all das hat mit der E-ID nur wenig zu tun. Die digitale Identität ist kein Mittel zur Überwachung, keine Eintrittskarte für soziale Medien und auch kein Tool für Abstimmungen. Sie ist ganz einfach ein digitales Pendant zum Pass oder zur ID. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und sie funktioniert nur dort, wo man sie freiwillig einsetzen will: beim Einloggen in Kundenportale, beim Bezug von Behördenleistungen, beim digitalen Unterschreiben.

Grosse Unterschiede zur ersten E-ID

Hinzu kommt: Die E-ID, über die wir nun abstimmen, hat mit der ersten, 2021 abgelehnten Vorlage, nur noch wenig gemeinsam. Damals sollte die digitale Identität von privaten Firmen wie Swisssign herausgegeben werden – also ausgerechnet von jenen Unternehmen, die am meisten Interesse an den Nutzerdaten gehabt hätten. Und der Staat hätte nur noch die Rolle des Zertifizierers gespielt.

Heute ist alles anders. Die E-ID wird vom Staat selbst herausgegeben. Kostenlos, datensparsam und freiwillig nutzbar. Sie basiert auf einem dezentralen System, bei dem nur die Daten übermittelt werden, die für eine Transaktion notwendig sind; und auch das nur auf ausdrückliche Zustimmung der Nutzerinnen und Nutzer. Es ist ein staatlicher Ausweis für das digitale Zeitalter, nicht ein wirtschaftliches Geschäftsmodell mit eingebautem Risiko, sondern eines mit kalkulierbarem Risiko. Ich denke da zum Beispiel an die angedachte Speicherdauer von biometrischen Daten von bis zu 15 Jahren oder die fehlenden Open-Source-Komponenten bei der Online-Verifikation, wenn man eine E-ID bestellt. Beides nicht optimal.

Trotz offener Fragen beziehungsweise notwendiger Kritik bei der Umsetzung: Die Richtung der neuen E-ID ist die richtige. Sie ist kein Überwachungsinstrument, sondern das digitale Pendant zum roten Pass, verantwortet vom Staat, nicht von Konzernen. Und damit ein Schritt nach vorn, nicht zurück.

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