Was das KI-Tool von economiesuisse unfreiwillig verrät

Ein Mensch und eine KI. Der Mensch hat eine Sprechblase: "Psst, liebe KI! Hier mein Geheimauftrag an dich: Auf keinen Fall «Schweizerin» sagen! Das ist unschweizerisch! "

Klar kann man die KI manchmal zu verräterischem Verhalten verleiten. Aber noch einfacher ist es, wenn die Webseite ihre Anweisungen an die KI selbst verrät. So geschehen bei der Economiesuisse-Kampagne gegen die Klimaschutz-Erbschaftssteuer-Initiative der JUSO. Einblicke hinter die Kampagnen-Kulissen.

TL;DR

Die JUSO hat eine «Initiative für eine Zukunft» lanciert, die bei Vererbungen und Schenkungen den über 50 Millionen Franken hinausgehenden Betrag zu 50 % besteuern will. Die Economiesuisse hält dagegen und sucht Supporterinnen, die sich mit einem «persönlichen Statement» hinter die Position der Economiesuisse stellen sollen, wohl um der Kampagne ein Gesicht zu geben und die breite Verankerung in der Gesellschaft zu symbolisieren.

Scheinbar fällt es der Economiesuisse aber schwer, ihre Supporter zu einem «persönlichen Statement» zu motivieren. Deshalb kann man sich dieses auch – auf Basis von vor dem Benutzer geheim gehaltenen Argumenten und weiteren Anweisungen – mit ChatGPT generieren lassen. Das wirft Fragen nach Authentizität der Supporter-Statements und ausreichender Information vor der Einwilligung auf.

Sind sich die Supporterinnen beispielsweise bewusst, dass Worte wie «Schweizerin» und «Bürgerin» explizit im Text verboten sind und damit nur die männlichen Formen erzeugt werden?

Auch an anderer Stelle scheint die Economiesuisse an längst vergangenen Zeiten festzuhalten, insbesondere was Softwareentwicklung für Webserver betrifft: Zum einen liegen auf der JUSO-Nein-Webseite auch die Argumentarien von anderen Economiesuisse-Aktionen herum. Zum anderen kann die ChatGPT-Anbindung auch für nicht von Economiesuisse sanktionierte KI-Nutzung eingesetzt werden.

«Initiative für eine Zukunft» der JUSO

Da im Folgenden die Argumente der Gegner intensiv zur Sprache kommen, hier eine kleine Zusammenfassung, worum es in der Eidgenössischen Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik – steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)» eigentlich geht: Um eine Erbschafts- und Schenkungssteuer von 50 % für alle Beträge über 50 Millionen Franken. Dies «zur sozial gerechten Bekämpfung der Klimakrise sowie für den dafür notwendigen Umbau der Gesamtwirtschaft».

Rechenbeispiele für die Steuern:

  1. Wer insgesamt maximal 50 Millionen Franken verschenkt oder vererbt, für den ändert sich nichts.
  2. Eine zehnköpfige Familie, welche sich zu gleichen Teilen ein Familienunternehmen im Wert von 500 Millionen teilen, für die fallen auch keine zusätzlichen Steuern an. Also auch hier keine Änderung.
  3. Wer insgesamt z.B. 60 Millionen Franken verschenkt oder vererbt, der zahlt auf den letzten 10 Millionen 50 % Steuern, also insgesamt 5 Millionen oder rund 8 % Steuern.
  4. Multimilliardäre wie beispielsweise Gérard Wertheimer – der dank Chanel wohl etwa 30 Milliarden Vermögen auf sich vereint und damit der mutmasslich Reichste in der Schweiz ist – würden dafür fast 50 % oder ­– im Falle von Wertheimer – rund 15 Milliarden Steuern zahlen. Aber das Firmengeflecht Chanel ist weder ein klassisches Familienunternehmen noch für seinen Mangel an guten Steueranwälten bekannt.

Die KI-Gegenkampagne der Economiesuisse

Die Kampagne «JUSO-nein.ch» der Economiesuisse sucht Leute, die der Kampagne ein Gesicht geben. Am liebsten hätten sie dazu auch noch ein persönlich erscheinendes Statement zu jedem Gesicht.

Es ist aber schwierig, authentische Statements von Normalbürgern zu bekommen. Denn ganz vielen Leuten fällt nichts ein, wenn man sie nach einem einzigartigen Statement befragt. Fühlen sich vielleicht sogar unter Druck gesetzt, kurz: eine Schreibblockade.

Da ist es doch viel einfacher, wenn die nachher authentischen und „persönlich“ erscheinend sollenden Statements mit einer KI generiert werden sollen.

Economiesuisse-Anweisungen an ChatGPT

Laut Informationen auf der Datenschutzseite verwendet die Economiesuisse-Kampagnenwebseite ChatGPT zur Textgenerierung (sowie über 40 weitere Dienste, oftmals mit Tracking-Funktion). Es wäre doch schön zu sehen, mit welchen Anweisungen an ChatGPT (sog. «Prompts») nun diese initialen «persönlichen» Statements erstellt werden.

Heutiger Standard bei der Webentwicklung – ganz besonders bei KI-Funktionen – ist, dass solche Aufgaben nicht vom Browser der Nutzerin her durchgeführt werden. Sondern dass die eigentliche Abfrage ans Sprachmodell vom Webserver selbst gesteuert wird, der damit auch Meister über die übermittelten Daten bleibt und sowohl die kostenpflichtige Nutzung des KI-Modells im Auge als auch Internas für sich behalten kann. Dies hat Economiesuisse bzw. die von ihr beauftragte Agentur nur teilweise umgesetzt.

So generiert also mein Webbrowser die Anweisungen für die KI selbst. Und weil es mein Webbrowser ist, verrät er mir auch, welche Daten er mit dem Webserver austauscht, wenn man die für Webentwickler unverzichtbaren Entwicklertools aktiviert; dies geschieht in vielen Browsern durch Druck auf die Taste F12.

Bei allen Anfragen dabei

Ich bin eine politisch interessierte Person einer Abstimmungskampagne und benötige ein persönliches Statement in weniger als 200 Zeichen für ein NEIN zur JUSO-Initiative aus der Ich-Perspektive ohne Anführungszeichen. Stil: prägnante Kampagnenbotschaft, richtige Grammatik, gemäss Schweizer Rechtschreibung. Ohne Aufforderung zur Stimmabgabe. Verzichte unbedingt auf genderspezifische Sprache wie «Bürgerin», «Schweizerin» und Sonderzeichen wie Hashtags, Anführungszeichen oder das Eszett, nutze CH-Tastatur. Falls ich anschliessend Argumente anfüge, berücksichtige diese.

Basis-Prompt der Economiesuisse-Kampagnenseite. Hervorhebungen durch uns.

Was auffällt: «Verzichte unbedingt auf genderspezifische Sprache wie «Bürgerin», «Schweizerin»». Wahrscheinlich wird von Seiten der Kampagne befürchtet, dass eine fälschliche Ansprache als Frau die Befürworter verstören könnte; Frauen sich aber schon irgendwie damit abfinden werden.

Ein anderer interessanter Fakt: Es wird zweimal darauf hingewiesen, keine Anführungszeichen zu verwenden. (Und uns ist auch nicht klar, wie ein Chatbot eine Tastatur nutzen soll und welche Auswirkungen davon erwartet werden.)

Es scheint fast so, als ob hier Copy/Paste aus verschiedenen Quellen betrieben wurde.

Argument 1: «Zerstört Schweizer Familienunternehmen»

Familienunternehmen werden zerschlagen.

Eine Erbschaftssteuer von 50 Prozent ohne Ausnahmen belastet insbesondere mittlere und grosse Schweizer Familienunternehmen schwer. Geht ein Familienunternehmen an die nächste Generation über, erbt diese kein millionenschweres Bankkonto, sondern das Vermögen ist grösstenteils im Unternehmen gebunden und wird in Form von Unternehmensanteilen vererbt. Damit die Erben die von der JUSO geforderte Steuern überhaupt abliefern könnten, müssten sie Bargeld haben: Das heisst sie müssten die Unternehmensanteile zu einem grossen Teil oder sogar vollständig verkaufen. In der Schweiz gibt es nur begrenzt Investoren, die so viele Aktien kaufen können. Die Familienunternehmen dürften deshalb weitgehend in die Hände ausländischer Investoren übergehen, die in der Regel eine kurzfristigere Perspektive haben und hauptsächlich schnelle Gewinne machen wollen. Familienunternehmerinnen und -unternehmer, die den Fokus viel stärker auf eine langfristige Perspektive legen, würden verdrängt. Damit zerstört die JUSO-Initiative mutwillig einen traditionell wichtigen Erfolgsfaktor der schweizerischen Volkswirtschaft: Mit Annahme der Initiative hätte das Modell des grossen, inhabergeführten Unternehmens in der Schweiz keine Zukunft mehr.

Economiesuisse-ChatGPT-Anweisungen für das Argument der Firmenzerstörung

Argument 2: «Mittelstand bezahlt für hohe Steuerausfälle»

Gute Steuerzahler gehen, der Mittelstand bezahlt die Ausfälle.

Von der Initiative betroffen sind jene Personen, die schon heute sehr hohe Steuern an Bund, Kantone und Gemeinden bezahlen. Bei einer Steuerbelastung von 50 Prozent (zusätzlich zu allen bereits bestehenden Steuern) dürften viele dieser Personen die Schweiz verlassen. Der Fall Norwegen ist ein Anschauungsbeispiel, wie überhöhte Steuern einer linken Regierung zur Abwanderung von Unternehmerinnen und Unternehmern führen. Werden die besten Steuerzahler vertrieben, so resultieren nicht etwa à la JUSO Milliardeneinnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels, sondern im Gegenteil massive Steuerausfälle. Man braucht kein Wahrsager zu sein, um zu erkennen, dass diese dann klar zulasten von Staat und Gesellschaft gehen. Denn Fakt ist: Das eine Prozent der Steuerpflichtigen mit den höchsten Einkommen bezahlt heute mehr als 40 Prozent der direkten Bundessteuer. Das führt jährlich zu Steuereinnahmen von über 5 Milliarden Franken. Bei den kantonalen Vermögenssteuern stammen schweizweit über 53 Prozent der Erträge von einem Prozent der vermögendsten Personen. Das sind fast 5 Milliarden Franken jährlich. Gibt es in diesem Bereich nur wenige Wegzüge, werden Bund sowie Kantone und Gemeinden empfindliche finanzielle Einbussen verzeichnen. Will man alle Staatsleistungen erhalten, muss der Mittelstand in die Bresche springen und deutlich mehr Steuern bezahlen.

Economiesuisse-Prompt für Begründungen zu Steuerausfällen

Argument 3: «Sozialistische Staatswirtschaft statt echtem Klimaschutz»

Die Jungsozialisten (JUSO) wollen eine neue Erbschaftssteuer auf Bundesebene. Mit ihrer «Initiative für eine Zukunft» fordern die Jungsozialisten eine Steuer von 50 Prozent auf Nachlässen und Schenkungen, die einen Freibetrag von 50 Millionen Franken übersteigen. Die Initianten rechnen mit Milliardeneinnahmen, die für den ökologischen Umbau der Gesamtwirtschaft eingesetzt werden sollen. Eine konkrete Mittelverwendung enthält die Initiative nicht, dafür wird die Nachlasssteuer umso klarer geregelt. Verlangt wird eine «lückenlose Besteuerung» ohne Ausnahmen für Familienunternehmen.

Geforderte Massnahmen gegen Wegzüge entlarven die JUSO.

Die Initianten wissen genau, dass ihre Forderungen übertrieben sind und für die Betroffenen katastrophale Auswirkungen haben. Damit es nicht zu Fluchtbewegungen kommt, verlangt die Initiative neue Hürden und Schranken gegen den Wegzug vermögender Personen, und zwar «rückwirkend» auf den Abstimmungssonntag. Die JUSO selbst anerkennt damit das Risiko von Wegzügen guter Steuerzahler. Die Forderung nach Wegzugssteuern oder ähnlicher Massnahmen sind der beste Beweis dafür, dass die Initiative höchst schädlich ist. Doch wie der Bundesrat bereits früh klargestellt hat, lassen sich Wohnsitzverlegungen auch nach der Abstimmung rechtsstaatlich nicht verhindern. Eine Wegzugssteuer kommt für den Bundesrat nicht in Frage.

Sozialistische Staatswirtschaft statt effizienter Klimaschutz

Die Initianten wollen einen radikalen Systemwechsel und streben einen «Umbau der Gesamtwirtschaft» zugunsten einer «ökologischen Gesellschaft» an. Die grossen Schweizer Familienunternehmen müssen deshalb nach JUSO-Vorstellungen zur Finanzierung dieses Umbaus zerstört werden. Diese Initiative ist extrem und steht damit exemplarisch für die JUSO. Über den Weg der Enteignung verfolgt sie einen radikalen Systemwechsel in Wirtschaft und Gesellschaft. Ziel ist das Ende der freiheitlichen Ordnung auf der Basis von Privateigentum. Die Initiative grenzt eine kleine Minderheit erfolgreicher Menschen aus, macht sie für den Klimawandel verantwortlich und will sie dafür zur Rechenschaft ziehen. Damit wird der Spaltung der Gesellschaft vorsätzlich Vorschub geleistet.

Schweizer Klimapolitik greift auch ohne JUSO.

Die Schweiz schreitet beim Klimaschutz längst voran. Mit dem Klima- und Innovationsgesetz hat die Stimmbevölkerung dem Netto-Null-Ziel bis 2050 zugestimmt. Das neue Stromversorgungsgesetz wird den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen. In der Wirtschaft wird die Dekarbonisierung längst aktiv vorangetrieben. 70 Prozent der SMI-Unternehmen haben sich konkrete Klimaziele gesetzt oder entsprechende Commitments abgegeben, um ihren Ausstoss von Treibhausgasen in der ganzen Wertschöpfungskette bis spätestens 2050 auf Netto-Null zu senken. Auch viele KMU und Familienunternehmen leisten mit innovativen Lösungen und Investitionen ihren Beitrag. Es braucht die Juso-Initiative definitiv nicht.

Economiesuisse-Begründungen für ChatGPT rund um Klimaschutz

Unterschiedliche Argumentarien

Die Economiesuisse-Webseite wirft mit Worten wie «extrem», «drastisch», «radikal», «enteignet» und «zerstörerisch» nur so um sich. Im Vergleich dazu wirken die Argumente für ChatGPT richtig zahm.

Gegenargumente? Stets zu Diensten! [Neu 2024-02-28]

Der Economiesuisse-Webserver liefert nicht nur die Prompts frei Haus an jede Besucherin der Webseite aus; sie erlaubt auch, einen anderen, eigenen, Prompt zurückzuschicken und von ChatGPT beantworten zu lassen. Wir haben die Probe aufs Exempel gemacht und ein paar der Economiesuisse-Anweisungen aus dem Hauptprompt ins Gegenteil verkehrt. Damit konnte ChatGPT – nur auf Basis der Kenntnisse der Gegenargumente – auch etliche Pro-Argumente erzeugen. Sehen Sie selbst:

Ein Beispiel eines 2000 Zeichen langen Statements *für* die JUSO-Initiative. Generiert über die Webseite JUSO-nein.ch
Mit ein paar Zeilen Programmcode kann man den Browser anweisen, über den Webserver des JUSO-nein-Kommittees auch Argumente für die JUSO-Initiative zu generieren. Die Economiesuisse sieht darin keine Probleme.

Wer sich mit der Anbindung von KI-Bots auf Webseiten auskennt, weiss, dass dies nicht Best Practice ist. Auf unsere Meldung dieser Probleme reagierte Economiesuisse gelassen. Sie sähen darin keine Sicherheitsprobleme und das Missbrauchspotenzial halte sich in Grenzen.

Problematik von KI-Tools in politischen Kampagnen

Wie KI-Schreibassistenten effektiv die politischen Meinungen beeinflussen, ist ein relativ neues Forschungsfeld. Der AI-Watchdog Algorithmwatch Schweiz untersuchte bisher wie Chatbots sachlich falsche Informationen zu einzelnen Wahlen generierten. So berichtete der Bing-Chatbot (jetzt Microsoft Copilot) im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen 2023 fälschlicherweise, SP-Nationalrätin Tamara Funiciello habe sich von Pharma-Lobbyinggruppen bestechen lassen, um sich für die Zulassung von Cannabis-Medikamenten starkzumachen.

Die Forschung zeigt noch viele weitere Probleme bei der Nutzung von KI für politische Kampagnen. Das Computational Social Science Lab an der Bauhaus-Universität Weimar führte jüngst ein Experiment mit solchen Schreibassistenten durch. Die Probanden wurden gebeten, einen Social Media-Post zu einem umstrittenen Thema zu formulieren, wie zum Beispiel: ob Social Media der Gesellschaft mehr nützen oder schaden. Die Teilnehmerschaft wurde dabei in zwei Gruppen aufgeteilt.

Die Experimentalgruppe erhielt den KI-Assistenten, die Kontrollgruppe musste sich selber was aus den Fingern saugen. Der KI-Assistent in der Experimentalgruppe wurde dabei von den Forscher:innen auf einen bestimmten Standpunkt hin getrimmt und formulierte klar Pro-Bezüge oder Contra-Positionen. Der Schreibassistent machte dabei Vorschläge direkt während des Schreibens, erklärt der Leiter der Forschungsgruppe Maurice Jakesch. Das Ergebnis der Forscher:innen: «Wir stellen fest, dass sowohl das Schreiben der Teilnehmer:innen als auch ihre Einstellung zu sozialen Medien in der Umfrage erheblich von der bevorzugten Meinung des Modells beeinflusst worden ist». Die von den Proband:innen verfassten Statements näherten sich jeweils dem Positionsbezug des Chatbots an. Auch wenn die Proband:innen der Experimentalgruppe über das Manipulationspotenzial des KI-Assistenten aufgeklärt worden sind, änderte das nichts am Ergebnis.

Heise.de schreibt dazu: «Wenn viele Personen die Technik regelmässig nutzen, kann dies auch die öffentliche Meinung verschieben.» Ähnlich sieht das auch Algorithmwatch Schweiz-Geschäftsführerin Angela Müller. Sie denke zwar nicht, dass die Verwendung des KI-Systems dramatische Folgen haben werde, also zum Beispiel über eine Abstimmung entscheiden werde. Aber:

«Viel relevanter finde ich – und das zeigt das Beispiel gut: Durch die Verwendung von KI kann sich unser Informationsökosystem schleichend verändern, etwa indem es mit grossen Mengen an qualitativ minderwertigen KI-generierten Inhalten geflutet wird, statt uns Zugang zu qualitativ hochstehenden und zuverlässigen Informationen bereitzustellen.»

Angela Müller, Geschäftsführerin Algorithmwatch Schweiz

In der Schweiz werden solche KI-Aktionen wie der «JUSO Nein»-Kampagne keine Konsequenzen haben und noch lange ungestraft bleiben. Während der europäische AI Act verlangt, dass Erzeugnisse von KI-Tools deklariert werden (wenn sie 1:1 übernommen werden), gibt es hierzulande keine Transparenzvorschriften. Und das wird auch bis mindestens 2027/8 so bleiben. Denn der Bundesrat plant ein allfälliges KI-Gesetz erst bis Ende 2026 auszuarbeiten. Hierbei will er die Problembereiche Transparenz, Diskriminierung und Aufsicht zwar adressieren, in welcher Form ist aber noch unklar; einiges hängt auch von dem EU-Rahmenabkommen und der gegenseitigen Anerkennung von KI-Systemen ab. Bleibt zu hoffen, dass die Abstimmungskomitees sich einen Kodex geben und sich selber deklarieren, wenn sie KI-einsetzen.

Economiesuisse findet, sie handle absolut im legalen Rahmen und sieht auch keine Irreführung der Rezipienten der Statements.

«Wir nehmen unsere Verantwortung gegenüber unseren Nutzerinnen und Nutzern sehr ernst. Unsere Datenverarbeitung entspricht den geltenden gesetzlichen Vorgaben und dient ausschliesslich den festgelegten Zwecken. Aus den Daten generieren wir keine Einkünfte. Wir achten stets darauf, alle erforderlichen Schutzmassnahmen einzuhalten und passen bei technischen Fehlern oder gültigen Hinweisen auf Schwachstellen unsere Prozesse oder Systeme umgehend an. In diesem Fall prüfen wir bereits auch schon die von Ihnen eingebrachten Punkte in unseren nächsten Optimierungsschritten.»

Da könnte sich doch der Verband Economiesuisse doch an der ideologienahen FDP ein Beispiel nehmen.

Deren Grundsatz lautete beim Wahlkampf 2023:

«Wir deklarieren die Urheberschaft von KI bei der Erstellung von auditiven und / oder visuellen Kampagnenelementen.»

Selbstverpflichtung der FDP über den Einsatz von KI in der politischen Kommunikation

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2 Antworten

  1. Vielen Dank für diese Recherche und den Artikel! Ich finde es wenig überraschend, dass ausgerechnet Economiesuisse Mühe hat, echte Statements zu kriegen: Der Verband vertritt nur einen sehr kleinen Teil der Wirtschaft und auch davon hauptsächlich jene, die veraltete Annahmen der ökonomischen Theorie mit Tatsachen verwechseln. Es gibt Mitarbeiter der Geschäftsstelle, die zwischen ihrer politischen Meinung und Fakten nicht unterscheiden können und total verblüfft sind, wenn man sie darauf anspricht. Der (schwindende) politische Einfluss des Verbands ist wohl hauptsächlich in der Vergangenheit begründet. Wenn dann die Kampagne wie oben beschrieben aggressiv und unsachlich daherkommt (so wie die Economiesuisse-nahen Kampagnenbüros wie Farner und Co halt Kampagnen machen) haben auch Gegner der Initiative wohl kaum Lust, sich um ein Statement zu bemühen.
    Der nächste Schritt wären dann frei erfundene Personen mit frei erfundenen Zitaten und KI-generierten Bildern dazu. Farner und ein paar anderen würde ich durchaus zutrauen, Economiesuisse so etwas vorzuschlagen. Gebau deshalb ist dieser Artikel so wertvoll: Die Agenturen und Economiesuisse wissen nun, dass jemand hinschaut.

    1. Besten Dank, wir bleiben dran! Und inkludiere dieses Beispiel in meine Sammlung „Warum Transparenz über KI verbindlich sein muss“.

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