Die Redaktion präsentiert jeden Dienstag die Geschichten, die sie bewegt, aufgerüttelt oder zum Nachdenken angeregt hat.
In den USA haben verschieden Bereiche der Regierung klassischen Medien wie New York Times, NBC News und anderen aus Pressekonferenzen und sonstigen Informationsplattformen ausgeschlossen. Reporter ohne Grenzen sieht darin einen Angriff auf freien, kritischen Journalismus: «Unter dem Deckmantel der Gleichbehandlung und Fairness sollen rechte Newsplattformen und Influencer die Plätze der etablierten Medien einnehmen. Die US-Regierung verfolgt damit eine klare Strategie: Kritischer Journalismus soll erschwert werden, erwünscht sind alle, die positiv über Präsident Trump und die Regierung berichten.» Übrigens: Wer nicht kritiklos «Golf-von-Amerika»-Newspeak hofiert, wie die Nachrichtenagentur AP, die auch internationales Publikum bedient, wird ebenfalls ausgeschlossen. Timothy Geigner bei Techdirt diskutiert über die Auswirkungen und wie die Medien in einem ähnlichen Fall bei Trump I zusammenstanden.
Massnahmen gegen Social-Media-Monopole
Die deutsche Tagesschau hat eine gute Zusammenfassung der Hintergründe über die monopolartigen Situationen bei den Big-Tech-Konzernen: «Amazon, Facebook und Co. stehen alle für gewisse Produktsparten, in denen sie der einzige oder wichtigste Marktteilnehmer sind: Amazon steht für Digitalshopping, Meta für soziale Medien, Microsoft für PC-Anwendungen und so weiter», sagt etwa Roland Fiege. Martin Andree benennt als Problem, dass die Kartellbehörden geschlafen hätten. Und nicht mit gleichen Ellen messen würden. So sei «es in Deutschland verboten sei, im TV-Bereich dauerhaft auf einen Marktanteil von über 30 Prozent der Zuschauer zu kommen. Das diene dazu, eine demokratiegefährdende Bündelung von Meinungsmacht zu verhindern. Bei digitalen Medien seien monopolistische Marktanteile jedoch erlaubt; so habe Meta 83 Prozent Nutzungsanteil bei Social Media oder Google 88 Prozent bei Suchmaschinen.» Weitere Themen sind überbordende politische Einflussnahme zur Verhinderung von Regelungen in diesen Quasi-Monopolen und die Lust nach dem Vereinnahmen möglichst vieler Daten. Prädikat: Lesenswert.
Die EPFL geht ins Fediverse und richtet für alle Mitarbeiter und Studierenden eine Mastodon-Instanz ein. Der EPFL sind die Ansprüche an Open Science und die Unabhängigkeit und die effektive Kommunikation über diese Plattform ein Anliegen. Betont wird die Möglichkeit zum «offenen, respektvollen, inklusiven und zukunftsorientierten Ansatz rund um Forschung». Die EPFL hat ihr gesamtes Setup ganz im Open-Source-Sinne auch allen Interessenten zur Verfügung gestellt. Noch verbleibt sie aber laut eigenen Angaben auf Twitter, füttert dieses aber jetzt nachgelagert aus den Mastodon-Posts.
Vor einem guten Monat hatte die EPFL aber noch einen grossen Schlag gegen offene Protokolle und Open Source gestartet: Bei der Umstellung des gesamten Mailsystems auf M365 haben sie alle Mailclients ausser Outlook, Apple Mail, Gmail und Thunderbird sperren lassen. Obwohl alle dasselbe IMAP-Protokoll sprechen und einige sich auch mit dem sicheren OAuth-Protokoll authentifizieren können. Also Evolution, K-9 Mail, Samsung Email etc. funktionieren nicht mehr. Besonders seltsam ist, dass Thunderbird für Android zugelassen ist, welches eigentlich nur ein umbenanntes K-9 Mail ist.
Sicherheit, Verletzlichkeit und Urheberrecht
Stalked ist ein neuer Podcast von BBC Sounds, der sich mit einem Fall von Cyber-Stalking befasst. Die Investigativ-Journalistin Carole Cadwalladr (erinnern Sie sich an Facebook und Cambrige Analytica?) begleitet Hannah Mossman Moore, die Opfer einer digitalen Belästigungskampagne wurde. Die beiden verbindet eine persönliche Geschichte: Cadwalladr war früher Hannahs Stiefmutter. Als Hannahs Leben durch einen anonymen Stalker aus den Fugen gerät – ihr Telefon wird zur Waffe gegen sie, ihre persönlichen Daten werden kompromittiert, ihre Familie wird mit hineingezogen –, sucht sie Hilfe bei Cadwalladr. Gemeinsam rekonstruieren sie, wie moderne Technologie genutzt wird, um jemanden zu überwachen, zu bedrohen und die Identität zu übernehmen. Doch während die Polizei versagt, beginnen die beiden, selbst zu ermitteln – und decken eine globale Spur aus Täuschung und Manipulation auf. Stalked ist ein True-Crime-Podcast, der klarmacht, wie verletzlich wir in der digitalen Welt geworden sind.
Die grossen KI-Sprachmodelle und Urheberrecht stehen auf Kriegsfuss. Auf der einen Seite hat die Musikindustrie in der Filesharing-Ära pro geteiltes Stück 150’000 $ Strafe sehen wollen und ist vor Klagen gegen verstorbene, computerlose Omas nicht zurückgeschreckt. Und Aaron Swartz wurde wegen der Veröffentlichung von – grösstenteils mit öffentlichem Geld finanzierten – Forschungsarbeiten in den Selbstmord getrieben. Auf der anderen Seite lädt Meta für das KI-Training wissentlich über 80 (115?) Terabytes an urheberrechtsgeschütztem Material über Filesharingtechnologie herunter. Auch bei anderen KI-Milliardären gehört das scheinbar um «guten Ton» und soll der US-amerikanischen «Fair Use»-Doktrin entsprechen. In den USA gibt es ein erstes Urteil, welches das anders sieht; u.a. weil es um den Aufbau einer Konkurrenztätigkeit ging.
Kurze PIN-Codes, wie sie zum Beispiel für den Bankomaten, die Kreditkarte oder je nach Einstellung auch fürs Smartphone verwendet werden, sind nicht totzukriegen. Dies, obwohl die Sicherheit der meist nur vier-stelligen Codes selbst dann nicht die beste ist, wenn man eine effektiv zufällige Ziffernfolge nimmt und bei der Eingabe konsequent darauf achtet, dass einem niemand auf die Finger schaut. Wie schlecht es um die Zufälligkeit bestellt ist, hat eine Analyse von Have I Been Pwned-Daten ergeben. Gemäss diesen Auswertungen ist «1234» mit 9% Häufigkeit der «beliebteste» PIN (was wohl kaum überrascht, wenn man sich bewusst macht, dass «12345678» eines der beliebtesten Passwörter ist). Der eigentliche Spitzenreiter sind allerdings Jahreszahlen, d.h. Pins welche mit «19» oder (seltener) «20» beginnen. Als potenzieller PIN-Knacker erhöht man jedenfalls die Erfolgschancen beträchtlich, wenn man seine Versuche mit «19» beginnt.
Es war eine Frage der Zeit. Enshittification (der Effekt, der eintritt, wenn Plattformbetreiber den eigenen Nutzen höher gewichten als den ihrer Kunden) hat nun definitiv auch die Automobil-Industrie erreicht. In den USA hat Stellantis (die Unternehmensgruppe zu welcher Marken wie Jeep oder Chrysler gehören) damit begonnen, auf dem Info-Bildschirm Werbung einzublenden, sobald das Fahrzeug anhält. Wer also kurz mal auf einen Parkplatz fährt, um sein Fahrtziel ins GPS einzugeben, darf zuerst eine Werbeanzeige wegtippen. Was das für die Fahrsicherheit bedeutet (wenn Fahrer zum Beispiel dann halt ihr GPS lieber während der Fahrt bedienen), kann sich jeder selber ausmalen. Die Idee von BWM, für die Freischaltung der bereits eingebauten Sitzheizung eine Abo-Gebühr zu verlangen, wirkt da im Vergleich fast schon banal.