DNIP Briefing #9: Gefährliche Machtspiele

Mandarine mit blonden Haaren
Foto: charlesdeluvio auf Unsplash

Die Redaktion präsentiert jeden Dienstag die Geschichten, die sie bewegt, aufgerüttelt oder zum Nachdenken angeregt hat.

Gestern, am 20. Januar, trat Donald J. Trump zum zweiten Mal das Amt des US-amerikanischen Präsidenten an.

Jane Mayer, Reporterin des New Yorker, veröffentlichte vergangene Woche eine umfassende Recherche über die Kampagne, mit der der Senat in Washington D.C. gedrängt werden soll, einen umstrittenen Verteidigungsminister zu bestätigen. Dem von Trump favorisierten Kandidaten werden unter anderem Alkohol- und Drogenmissbrauch, Frauenfeindlichkeit und Vergewaltigung vorgeworfen. Trumps Lager greift dabei zu allen erdenklichen Mitteln: Einschüchterung von Zeugen, das Unterdrücken von FBI-Hintergrundprüfungen und andere fragwürdige Methoden, die schockieren.

Und diese Kampagne kostet: «Im Dezember begann auch eine Dark-Money-Gruppe, die zuvor von Elon Musk unterstützt wurde – Building America’s Future –, Geld in die Kampagne zu investieren.» Mayers Recherche legt die Taktiken der Trump-Regierung offen, mit denen sie das Parlament, den eigenen Apparat und die Medien kontrollieren will.

(Und wer mehr über diese Mechanismen erfahren möchte, dem sei Anne Applebaums neues Buch Die Achse der Autokraten. Korruption, Kontrolle, Propaganda: Wie Diktatoren sich gegenseitig an der Macht halten empfohlen.)

Auch OpenAI macht den Kniefall vor Trump

Pünktlich zur Inauguration des neuen US-Präsidenten hat OpenAI noch seine KI-Policy geändert. Die Richtlinie «KI muss versuchen politisch nicht-biased, also nicht verzerrt sein» wurde entfernt, hat TechCrunch festgestellt. Sprich: KI darf jetzt politische Färbung haben oder Ansichten ausspucken. Ob das vorauseilender Gehorsam gegenüber dem neuen Effizienzminister Musk ist, der die KI-Firmen der Bay Area bezichtigt ihren Sprachmodellen zu viel Wokeness beigebracht zu haben?

Um Macht gehts auch beim Entscheid, Tiktok zu bannen (oder eben nicht). Einen ersten Nachruf auf die US-Version des chinesischen sozialen Netzwerks hat Taylor Lorenz geschrieben. Unabhängig davon, ob das Verbot langfristig Bestand hat oder nicht, werden die vielen einzigartigen Communities der Plattform unweigerlich auf unzählige kleinere Apps verstreut – und viele von ihnen werden gänzlich verschwinden.

Und gleich nochmals TikTok: Am Sonntag verschwand die App aus den App-Stores und war in den USA nicht mehr erreichbar. Zumindest solange, bis Trump forderte, sie wieder aufzuschalten, damit möglichst viele seine Amtseinsetzung verfolgen können. Gleichzeitig hat er eine 50%-Beteiligung des amerikanischen Staats ins Spiel gebracht. Ehrlich gesagt: Dass die USA eine eigene (staatliche) SoMe-Plattform hatten wir nicht auf dem Radar. 

Nächster Halt: Desinformation

Damit Mastodon und ATProto/Bluesky nicht dasselbe Schicksal ereilt wie X (und eigentlich auch Meta, gibt es Bestrebungen, das Risiko zu reduzieren, dass einzelne Personen zu viel Einfluss auf das jeweilige Netzwerk nehmen können. Das Mastodon-Team hat angekündigt, zentrale Elemente von Mastodon in eine Non-Profit-Organisation zu überführen, um diese Unabhängkeit sicherzustellen. Und bei ATProto gibt es unter dem Titel Free Our Feeds eine Initiative, um basierend auf dem Protokoll und unabhängig vom Unternehmen Bluesky Anwendungen auf ATProto zu entwickeln. Diese Initiative will insbesondere auch einen zweiten Relay entwickeln und betreiben (eine der aktuellen Schwachstellen, über welche wir vor einigen Wochen geschrieben haben). Die etwas simpel wirkende Ankündigung und die fehlenden Details darüber, was den nun genau mit den zu sammelnden 4-30 Mio USD geschehen soll, hat aber bereits zu Kritik geführt. Einen guten Überblick über beide Initiativen gibt es bei Netzpolitik.

Etwas Schatten gibts mittlerweile auch über diesen Social Networks: Nicht ganz überraschend sind Einfluss- und Desinformationskampagnen auch auf Bluesky angekommen. Wer letzten Donnerstag/Freitag auf dem Netzwerk unterwegs war, stolperte unter Umständen über eine ganze Reihe von frisch angelegten Accounts, welche mit praktisch identischen pro-russischen und anti-ukrainischen Kurznachrichten, Bilder und Karikaturen auf sich aufmerksam machten. Von der Machart erinnerten sie an ähnliche Kampagnen, welche in der Vergangenheit jeweils auf X/Twitter abliefen. Gross weiterverbreitet wurden die Posts allerdings dank der auf Bluesky nicht vorhandenen algorithmisch getriebenen Priorisierung von Inhalten nicht. Es braucht aber keine grosse Kristallkugel um zu prognostizieren, dass dies nicht der letzte Propaganda-Versuch gewesen ist.

Und schliesslich:

  • Die CES (Consumer Electronics Show) ist weltweit eine der grössten Messen für Consumer Electronics, sie findet jeweils in den ersten Januarwochen in Las Vegas statt. Nicht alle der an der Messe vorgestellten Produkte schaffen es dann später auch in die Verkaufsräume, bei manchen ist das vermutlich besser so. iFixit, EFF und andere Organisationen haben dieses Jahr die Worst in Show-Awards vergeben. Damit wollen sie auf Produkte aufmerksam machen, welche bezüglich Datenschutz, Sicherheit, Reparierbarkeit etc. negativ auffallen. Darunter ein «smarter» Fingerring für $2’200, dessen Batterie nur 500 mal geladen werden kann und die nicht austauschbar ist. Oder AI-gesteuerte Waschmaschinen und Kühlschränke, die unter anderem auch telefonieren können. Dinge, auf welche die Welt vermutlich nicht gewartet hat.
  • Es sind keine 13 Jahre mehr bis zu Y2K38, auch bekannt als «Epochalypse». Passend dazu hat der Verein BEOZ eine neue Webseite mit kompakten Y2K38-Informationen gestartet.
  • Dass bei Gesetzesvorlagen zur Altersverifikation gerne geflunkert wird, war schon mehrfach Thema bei DNIP. In den USA wurden nun konservative Politiker dabei ertappt, dass sie zugaben, dass dieser Jugendschutz nur ein erster Schritt sei, um nackte Haut und andere Inhalte, die nicht ihren Werten entsprechen, im Internet ganz zu verbieten, wie The Intercept berichtet.
  • 404 Media hat berichtet, dass nackte Haut, die «normale» User auf Instagram und Facebook hochgeladen wird, von Meta rasch gelöscht wird. Wenn dasselbe Bild aber als Werbung hochgeladen wird, bleibt es unbeanstandet. (Dass Meta mit unterschiedlichen – und oft unverständlichen – Ellen misst, ist ja nicht das erste Mal Thema bei DNIP.)

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