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Digitalpolitischer Blick ins Parlament (3/n)

KI-generiertes Symbolbild für ein Parlament im Cyberspace
KI-generiertes Symbolbild für ein Parlament im Cyberspace

Dass der erste digitalpolitische Blick ins Schweizer Parlament schon geraume Zeit zurücklag, haben wir schon in der zweiten Ausgabe erwähnt, und die Themen des ersten Halbjahrs 2024 daher aufgeteilt. Die Themen “KI”, “Medien(politik)” und “unerwünschte Werbung”  finden sich in der Ausgabe 2, hier geht es nun um “Datenschutz & Privatsphäre”, “Online-Handel”, “IT-Sicherheit in der Bundesverwaltung”, “Swiss Government Cloud” etc. Einige der Vorstösse wurden in der laufenden Session bereits behandelt.

Wie bereits erwähnt, erlaubt die Geschäftsfallsuche im Web-Auftritt von National- und Ständerat leider keine Suche nach “digitalpolitisch relevant“. Falls wir den einen oder anderen Vorstoss übersehen haben, nehmen wir Hinweise darauf gerne in den Kommentaren entgegen.

Wer mit parlamentarischen Begriffen nicht so vertraut ist, findet Näheres zu Anfrage, Interpellation, Motion und Postulat im Parlamentswörterbuch.

„Datenschutz & Privatsphäre“

Diese Anfrage wurde von Gerhard Andrey im Nachgang zu Adriennes Republik-Artikeln zur Massenüberwachung durch den NDB eingereicht und versuchte, etwas mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Die Antwort des Bundesrat ist insofern gelungen, als das sie es schafft, fast alle heiklen Punkte zu umschiffen (und enthält noch eine Falschaussage wonach die Republik suggeriert hätte der NDB würde Massenüberwachung betreiben). Immerhin muss auch der Bundesrat eingestehen, dass es die spezifische Glasfaser nach Syrien nicht gibt, bei einer Überwachung der Auslandskommunikation also immer auch eine inländische Überwachung erfolgt. Er sieht die gesetzlichen Bestimmungen (keine Inlandüberwachung) aber durch die Filterfunktion des CEA (Dienst für Cyber- und elektromagnetische Aktionen, welcher alle ausgeleiteten Daten sichtet und nur an den NDB weiterleitet was dieser abhören darf) sichergestellt.

Die Argumentation mit der Filterfunktion des CEA ähnelt stark den Argumenten, mit welchen die EU eine Chatkontrolle zur Überwachung von Messenger-Apps in Bezug auf CSAM beliebt machen wollte. Sie ist auch etwa ähnlich falsch: Überwachung beginnt im Moment, in welchem unberechtigte Dritte eine nicht für sie bestimmte Kommunikation mitlesen, egal ob diese Dritte nun Menschen oder Programme sind. Aber das ist eine Diskussion welche uns wohl noch ein Weilchen begleiten wird.

Diese Interpellation von Jean Tschopp vermischt in der Einleitung einige Themen, da geht es um die rechtliche Situation von Online-Plattformen und deren Regulierung durch die Schweiz, um den DSA der EU, um Themen wie Meinungsbildung, Datenschutz, Identitätsbetrug und irgendwie auch noch um Dark Patterns im Bezug auf das, was Benutzerinnen auf Online-Plattformen sehen und warum sie es tun. Und irgendwo findet sich auch noch der Hinweis darauf, dass dank dem DSA nun der Grundsatz gilt, dass online illegal ist, was auch offline illegal ist (war das nicht schon immer so? Anmerkung der Redaktion). Wer jetzt etwas verwirrt ist: Ja, das waren wir beim Lesen auch. Insgesamt sieht der Interpellant aber wohl durch den Einsat von KI in Plattformen/sozialen Medien zusätzliche Risiken auf die Benutzer zukommen, und will vom Bundesrat wissen ob dieser das a) ähnlich sieht und was er b) dagegen zu tun gedenkt.

Der Bundesrat hat Mitte August dazu Stellung genommen. Primär verweist er erneut auf die Vorlage zur Regulierung der grossen Kommunikationsplattformen, welche im UVEK zur Zeit ausgearbeitet wird. Diese wird sich am DSA orientieren, Künstliche Intelligenz an sich aber nicht explizit abdecken. Für dieses Thema verweist der Bundesrat auf die ebenfalls bereits erwähnte Übersicht zur Regulierung von künstlicher Intelligenz, welche ebenfalls beim UVEK in Arbeit ist. Immerhin stellt der Bundesrat in Aussicht, dass die Vorlage bezüglich der grossen Kommunikationsplattformen plattform-interne Beschwerdesysteme und eine unabhängige Schlichtungsstelle vorsehen wird. Auf dem Papier tönt das sicher gut, über die Wirksamkeit kann dann nur die Praxis entscheiden.

Eigentlich schade. Es ist ja nicht so, dass die Interpellation nicht wichtige Themen aufgegriffen hätte. Aber angesichts der etwas unfokussierten Ausgestaltung konnte der Bundesrat ohne grossen Aufwand auf bestehende Aktivitäten verweisen, ohne inhaltlich Stellung nehmen zu müssen.

Trotz des etwas polemischen Titels ist die Frage von Roland Büchel nach dem Einsatz von Videokameras in Teslas (und allenfalls anderen Fahrzeugen) datenschutz-mässig durchaus relevant. Schliesslich erfolgt mit diesen Kameras einen Überwachung des öffentlichen Raums, und es ist davon auszugehen, dass die so gewonnenen (Video-)Daten nach USA übermittelt werden (einem Land, welchem zum Einreichungszeitpunkt kein adäquater Datenschutz zugestanden wurde).

Bundesrat Rösti setzt hier, nicht ganz unerwartet, auf die Eigenverantwortung der Tesla-Besitzer, die Kameras auszuschalten, um nicht gegen das Datenschutzgesetz zu verstossen. Akuten Handlungsbedarf von Seiten des Gesetzgebers sieht er aber nicht. Die Nachfrage, ob es für ein Verbot einen parlamentarischen Vorstoss brauchen würde, beantwortet er mit: „Wenn Sie den Fahrern nicht vertrauen, dass sie die Kameras ausschalten, ja, dann müssen Sie einen Vorstoss einreichen.“

Auch wenn davon auszugehen ist, dass die Videokameras in einem Tesla nicht auf Erkennung und Verfolgung von Individuen ausgelegt sind: Videomaterial wird gesammelt und ausgewertet, es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass es auch für weitere Zwecke missbraucht werden kann. Insofern ist die Frage nach gesetzlichen Massnahmen durchaus berechtigt, und die Antwort des Bundesrats etwas unbefriedigend.

Bei manchen Interpellationen kann man, auch wenn man ihnen inhaltlich zustimmen mag, den Eindruck gewinnen, dass sie primär für die Galerie (sprich die Wählerschaft) gedacht sind. So geht es mir jedenfalls mit dieser Interpellation, mit der Jacqueline de Quattro vom Bundesrat wissen möchte, wie er die Bedrohung der Bevölkerung durch Cyberrisiken einschätzt. Sie fragt, welche Unterstützung Behörden am Thema geben und ob der Bedarf für nationale Beratungsplattformen gegeben ist, um der Bevölkerung zu helfen, besser mit Cyberrisiken umzugehen.Neben der recht breiten Formulierung erstaunt es irgendwie, einen solchen Vorstoss aus den Reihen einer Partei zu welchen welche sonst gerne auf Eigenverantwortung pocht.

Der Bundesrat hält in seiner Antwort fest, dass Cyberbedrohungen insgesamt alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen betreffen, es inhaltlich jedoch unterschiedliche Schwerpunkte gibt (so sind Jugendliche stärker von Sexualdelikten im Cyberraum betroffen, während ältere Personen häufiger Opfer von Wirtschaftsdelikten werden). Er verweist auf die Polizei als Anlaufstelle bei Straftaten, auf die verschiedenen Beratungsstellen inklusive dem BACS, und auf diverse Sensibilisierungskampangen von Bund, Kantonen, Hochschulen und der Wirtschaft.

All das hätte die Interpellatin mit relativ wenig Recherche auch selber herausfinden können, insodern bleibt die Idee hinter der Interpellation etwas unklar. Aber Ironie beiseite, natürlich ist das Thema wichtig, und natürlich schadet eine weitere Sensibilisierung nicht. Aber um die Situation effektiv zu verbessern, braucht es wohl konkrete Massnahmen als ein Beratungsangebot und bei Online-Straftaten oft mässig aktive Ermittlungsbehörden. Insbesondere auch die Gerätehersteller, die Internetplattformen, die Telekomdienstleister etc. gefordert. Ob die Partei der Interpellantin wohl bereit wäre, auf dieser Seite regulierend einzugreifen?

„Online-Handel“

Beim Thema „Online-Handel“ bewegen wir uns stark im Grenzbereich zwischen Konsumentenschutz und Digitalpolitik. Thematisch nahe ist die Regulierung von Online-Diensten, und da werfern wir zwischendurch gerne ein Auge drauf.

Grundsätzlich gelten Bestimmungen für Produktesicherheit für alle in der Schweiz angebotenen Produkte, egal ob aus dem stationären Handel oder aus einem Online-Shop. Diverse ausländische Online-Marktplätze bieten aber diverse Produkte an, welche diese Vorgaben bei weitem nicht einhalten und preislich entsprechend günstig sein können?. Dies führt nicht nur zu einer Benachteiligung der sich korrekt verhaltenden Anbieter, sondern gefährdet unter Umständen auch die Käufer solcher Produkte. Tiana Moser wollte vom Bundesrat wissen, mit welchen Möglichkeiten er für gleich lange Spiesse und Bedingungen für alle Anbieter sorgen kann bzw. will.

Die Antwort fällt zwar umfangreich aus, lässt sich aber etwas überspitzt mit „gar nicht“ zusammenfassen. Zwar hält der Bundesrat fest, dass das Produktesicherheitsgesetz auch für ausländische Anbieter gilt. Er räumt aber auch, dass die behördlichen Einflussmöglichkeiten sehr gering sind und privater Erwerb (d.h. bei direktem Bestellen im Ausland) durch das Gesetz nicht abgedeckt ist. Es bleibt also weiterhin Sache der Konsumenten, sich der Risiken bewusst zu sein und entsprechend zu handeln.

Einen ähnlichen Themenbereich spricht die Interpellation 24.3537 Rechte der Bevölkerung gegenüber den grossen Plattformen. Was ist mit dem Online-Handel? an, welche neben der Produktsicherheit auch noch den Daten- und Konsumentenschutz ins Feld führt. Insbesondere möchte Sophie Michaud vom Bundesrat wissen, wie Preisbekanntgabeverordnung und Datenschutzgesetz bei Online-Handelsplattformen durchgesetzt werden können, und wie generell die Einhaltung des Konsumentenschutzes (z.B. auch bezüglich in CH verbotenen Produkten und Inhaltsstoffen) durchgesetzt werden kann.

Die Antwort des Bundesrats ist insofern spannend, als dass er konkrete Handlungsmöglichkeiten nur bei Unternehmen mit Sitz in der Schweiz sieht, und bei solchen welche eine .ch/.swiss-Domäne verwenden (auch wenn dort konkret nur der Entzug der Domäne möglich ist). Bei rein ausländischen Unternehmen wäre man auf deren Kooperation angewiesen, da die internationale Strafrechtshilfe oft an der mangelnden doppelten Strafbarkeit scheitert. Auch bei der Kontrolle von privat eingeführten Produkten (also allem, was wir bei nicht-schweizerischen Online-Plattformen bestellen) sind die Möglichkeiten beschränkt. Beim Import sind allenfalls Stichproben möglich, eine systematische Kontrolle beispielsweise in Bezug auf das Lebensmittelgesetz ist rein mengemmässig nicht möglich. Verbesserungen sind auch hier nur für Anbieter mit Sitz in der Schweiz möglich.

Die Behandlung beider Interpellationen in Stände- bzw. Nationalrat steht noch aus.

Was vermutlich nicht allen bewusst ist, da sich Online-Anbieter bei verloren gegangenen Lieferungen oft kulant zeigen: Mit Abschluss des Kaufvertrags geht nicht nur das Produkt, sondern auch die damit verbundenen Risiken auf den Käufer über. Bei Online-Käufen heisst das insbesondere, dass der Verkäufer nicht mehr haftbar ist, sobald das Produkt der Post oder der Spedition übergeben wurde.

Sophie Michaud will vom Bundesrat wissen, ob diese Regelung angesichts der zunehmenden Bedeutung des Online-Handels noch für angemessen hält, oder ob sich eine Änderung des Obligationenrechts aufdrängt. Der Bundesrat verweist in seiner Antwort auf zwei Motionen aus 2023, auf deren Basis zur Zeit eine Modernisierung des Gewährleistungsrechts in Arbeit ist. Dabei werden auch verwandte Themen wie der in der Interpellation angesprochene Übergang der Gefahr geprüft und wo nötig modernisiert.

Der etwas reisserische Titel (der wider Erwarten nicht von einem SVP-Politiker stammt, auch wenn gleich zwei das Postulat mit-unterzeichnet haben) lenkt etwas davon ab, dass das Postulat von Fabio Regazzi ein nicht ganz unwichtiges Thema aufgreift: Wie kann sichergestellt werden, dass Bewertungen in Onlineshops nicht missbräuchlich sind und dem jeweiligen Unternehmen durch Falschinformationen etc. schaden. Inhaltlich ist das verwandt mit der generellen Problematik von Online-Kommentaren, insofern ist es nicht überraschend, dass der Postulant die Anonymität vieler Onlinebewertungen betont und die Möglichkeit der Identitätsprüfung zumindest erwähnt. Er weist aber auch auf Bestrebungen der EU im Rahmen des DMA hin, Onlinebewertungen zu regulieren. Erwartet wird vom Bundesrat, dass er einen Bericht dazu vorlegt, wie der Bund missbräuchlichen Onlinebewertungen von Unternehmen begegnen kann.

In seiner Antwort sieht der Bundesrat keinen direkten Handlungsbedarf, er erachtet das bestehende Recht (vor allem das Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb) als ausreichend um gegen herabsetzende oder unrichtige bzw. irreführende sowie persönlichkeitsverletzende Onlinebewertungen vorzugehen. Er sieht daher im geforderten Bericht keinen Mehrwert.

Sachlich mag die Antwort korrekt sein. Sie blendet allerdings aus, dass es gerade bei ausländischen Plattformen schwierig bis unmöglich ist, gerichtlich gegen sie vorzugehen. Interessanterweise war dieser Umstand dem Bundesrat bei der Beantwortung der oben erwähnten Interpellation zu Online-Marktplätzen sehr wohl bewusst…

Online-Händler sind weltweit tätig, vor allem die grossen Player haben ihren Firmensitz nicht in der Schweiz. Dies macht es für Konsumenten schwierig, im Bedarfsfall ihre Rechte durchzusetzen, es erschwert (wie oben beim Thema „gleich lange Spiesse“ ausgeführt) auch die Zusammenarbeit mit Behörden bzw. das Ahnden von Gesetzesverstössen. Mit der Motion soll der Bundesrat beauftragt werden, eine Gesetzesvorlage auszuarbeiten welche grosse Online-Händler dazu verpflichten soll, eine Kontaktstelle/Rechtsvertretung in der Schweiz zu bestimmen.

Die Idee ist nicht neu, und wurde auch schon in Bezug auf Social Media-Plattformen wie Facebook oder X diskussiert. Entsprechend dürften auch die Schwierigkeiten in etwa dieselben sein, angefangen von der Problematik, wie man mit Händlern umgehen will, welche trotz Gesetz keine Rechtsvertretung in der Schweiz aufbauen wollen. Aber das wird sich in der weiteren Diskussion zeigen, zuerst einmal muss die Motion die Zustimmung des Nationalrats erhalten.

In seiner Antwort weist der Bundesrat einerseits auf Bestimmungen im Datenschutz- und im Mehrwertsteuer-Gesetz hin, welche unter Umständen eine CH-Vertretung zwingend machen (auch wenn diese dann nur Anlaufstellen für Datenschutz- bzw. Mehrwertsteuer-Fragen sind), und weisst andererseits erneut auf die Vernehmlassungsvorlage zur Regulierung grosser Kommunikationsplattformen hin, welche das UVEK erarbeitet (wobei man sich fragen kann, ob ein Online-Händler überhaupt als Kommunikationsplattform gilt). Er sieht aber weiterhin das Problem, dass auch bei einer CH-Vertretung die Durchsetzung von CH-Recht anspruchsvoll bleibt. Aufgrund der verschiedenen bereits laufenden Arbeiten am Thema lehnt der Bundesrat die Motion ab, wäre aber bereit, sie in Form eines Prüfauftrags entgegegenzunehmen. Die Diskussion im Nationalrat steht noch aus.

„IT-Sicherheit in der Bundesverwaltung“

Die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats hat eine Motion eingereicht, um die gesetzlichen Grundlagen für eine Prüfung der Cybersicherheit von vernetzten Infrastrukturen, Geräten und Anwendungen zu schaffen und deren Finanzierung sicherzustellen. Begründet wird dies mit dem hohen Risiko von fehlender Cybersicherheit, und mit dem Mangel an verbindlichen Standards wie auch gesetzlich festgelegten Mininimalanforderungen.

Der Bundesrat hat vor zwei Wochen dazu Stellung genommen und ist grundsätzlich bereit, die Motion entgegenzunehmen. Er sieht jedoch noch weiteren Definitionsbedarf bei der Festlegung der entsprechenden Bundeskompetenzen, auch geht er davon aus, dass die Finanzierung über Gebühren und ähnliches erfolgen wird. Die Motion wird als nächstes in den zuständigen Kommissionen von National- und Ständerat beraten.

Inhaltich macht es viel Sinn, für relevante Hard- und Software eine Prüfpflicht bezüglich Cybersicherheit vorzuschreiben, und entsprechende Prüfungen für obligatorisch zu erklären. Ähnliches kennen wir ja zum Beispiel von Motorfahrzeugen (welche ohne regelmässige Prüfungen nicht im Verkehr zugelassen sind) oder Elektroinstallationen, auch dort erfolgt die Finanzierung über Gebühren. Es wird aber sicher spannend zu sehen sein, wie die konkrete Ausgestaltung in 2-3 Jahren dann aussehen wird, und wie insbesondere Open Source-Software abgedeckt wird (welche ja unter Umständen keine Finanzmittel für eine Prüfung hat).

Die verschiedenen Cyberangriffe auf die Bundesverwaltung und die RUAG der letzten Jahre greift Jean-Luc Addor in seiner Interpellation auf. Insgesondere möchte er wissen, wie der Bundesrat diese Angriffe einordnet, ob es eine Analyse der Schwachstellen gibt, wie die Schutzkonzepte und Verantwortlichkeiten aussehen und welches die Rolle des BACS ist. Er regt zudem eine unabhängige und „ausserst gründliche Prüfung“ der Cybersicherheit der betroffenen Stellen an.

Der Bundesrat weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass Bundesverwaltung und Armee täglichen Cyberangriffen ausgesetzt sind und deren Abwehr eine Daueraufgabe ist. Die Schutzkonzepte und Verantwortlichkeiten sind in der Informatiksicherheitsverordnung geregelt, das BACS wirkt dabei beratend mit. Auf die Anregung einer externen Prüfung geht er nicht ein. Die Beratung im Nationalrat steht noch aus.

Übriges

Mit dieser Interpellation versucht Gerhard Andrey, die Thematik der Verlagerung von menschlicher Arbeit auf Algorithmen und Roboter und die damit verbundenen Veränderung der Steuereinnahmen und Finanzierung der Sozialversicherungen aufzugreifen. („Versucht“, weil man diese Frage in der Interpellation dann zuerst finden muss). In diesem Zusammenhang möchte er wissen, welche Möglichkeiten sich aufgrund der OECD-Unternehmensbesteuerung ergeben und ob der Bundesrat eine vertiefte Analyse und eine allfällige EInführung von Sozialabgaben auf Dividenden ins Auge fassen möchte.

Die Antwort des Bundesrats ist dann nicht überraschend nicht sehr konkret, und dort wo sie konkret ist, ablehnend. Bezüglich OECD-Besteuerung gilt es, die Details des multilateralen Abkommens abzuwarten. Und einer Erhebung von Sozialabgaben auf Dividenden steht der Bundesrat generell ablehnend gegenüber, auch wenn die vorgebrachten Gründe nicht unbedingt stichhaltig zu sein scheinen. Andererseits (und darauf geht der Bundesrat nicht konkret ein) sind SItz und grosse Teile des Aktionariats grosser, internationaler IT-Anbieter typischerweise im Ausland, eine Sozialabgabe auf Dividenden hätte daher von vornherein keine grosse Wirkung.

Mit einer Interpellation stellt SVP-Nationalrat Paolo Pamini verschiedene Fragen zum Verhältnis zwischen den (internationalen) Social Media-Plattformen, deren Community-Regeln und der Meinungsäusserungsfreiheit in der Schweiz. Insbesondere zeigt er sich besorgt darüber, ob die Regeln der Plattformen zu einer Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit in der Schweiz führen und inwieweit die Schweizer Behörden in diesem Bereich das letzte Wort haben.

In seiner Antwort weist der Bundesrat zuerst darauf hin, dass die erwähnten Plattformen grundsätzlich privatwirtschaftliche Unternehmen sind und deren Nutzung privatrechtlichen Regeln folgt. Zu diesen gehört unter auch, dass sich alle Nutzenden an die jeweiligen Community-Regeln halten müssen, und welche Sanktionen ein Missbrauch nach sich ziehen kann. Er weist auch darauf hin, dass Plattform-Betreiber auch selbst rechtlich für Inhalte verantwortlich gemacht werden können, sofern diese rechtswidrig sind. Durch diese privatrechtliche Beziehung zwischen Plattformen und Nutzenden sieht der Bundesrat die individuellen Grundrechte nicht gefährdet.

Im weiteren nutzt der Bundesrat seine Antwort ein weiteres Mal dazu, auf den per Ende Jahr zu erwartenden Vorentwurf für eine gesetzliche Regulierung von grossen Kommunikationsplattformen zu verweisen. Dieser soll weitere Fragen bezüglich der Rolle und Verantwortung dieser Plattformen klären.

Dass sich im seit Jahren schwelenden Glasfaser-Streit früher oder später ein Parlamentarier finden würde, welcher sich für die Swisscom einsetzt, war absehbar. Überraschend ist eher, dass es solange gedauert hat … Jedenfalls möchte FDP-Nationalrat Matthias Jauslin vom Bundesrat wissen, wieso er nicht eingreift um die blockierten Glasfaser-Anschlüsse der Swisscom nutzbar zu machen. Der Bundesrat weist in seiner Antwort darauf hin, dass er gegenüber der Weko nicht weisungsbefugt ist und von der gemäss Kartellgesetz grundsätzlich möglichen Ausnahme hier nicht Gebrauch machen möchte. Er führt ferner aus, dass die Verfügbarkeit der Anschlüsse von der „Bereitschaft und den Anstrengungen der Swisscom ab[hängt], die entsprechenden Glasfaseranschlüsse umzubauen“.

Offen bleibt die Frage, wieso der Bundesrat als Mit-Eigner nicht seinen Einfluss auf die Swisscom geltend macht, um ihr offenbar rechtswidriges Verhalten zu beenden. Aber das war leider nicht Inhalt der Interpellation.

Wie man eine eigentlich wichtige Frage so polemisch stellen kann, dass der eigentliche Inhalt verloren geht, zeigt die Anfrage von Lukas Reimann. Inhaltlich geht es darum, dass die Einsicht in die Ausschreibungsunterlagen des Online-Verifikationsverfahren der eID nur gegen Unterzeichnung einer Geheimhaltungsvereinbarung möglich ist. Der Bundesrat begründet dies damit, dass ein Teil der Unterlagen als „intern“ klassifiziert seien (insbesondere technische Architekturdokumente). Er stellt aber in Aussicht, interessierten Parlamentariern auf Wunsch ebenfalls Einblick zu gewähren. Die eigentlich wichtige Frage, wieso sich das EJPD hinter „security by obscurity“ versteckt, bleibt (da nicht gestellt) leider unbeantwortet.

Zum Schluss

Ein sich durch viele Vorstösse ziehendes Thema ist die Frage nach dem Umgang mit grossen Kommunikationsplattformen und international tätigen Online-Händlern. Der Bundesrat verweist in seinen Antworten konsequent auf die sich in Arbeit befindende Vernehmlassungsvorlage zur Regulierung grosser Kommunikationsplattformen. Ob diese dann wirklich ausreicht, um all diese Themen abzudecken, bleibt daher vorderhand offen. Schon rein der Fokus aufs Thema Kommunikation gibt aber einen Hinweis darauf, das Handel, Steuern, Haftungsthemen allenfalls Gegenstand von weiteren Vorlagen sein werden, und sich die Bürgerinnen und Bürger noch etwas gedulden müssen.

Das Parlament war auch in Q3 nicht untätig und hat verschiedene weitere Diskussionen zu digital relevanten Themen geführt. Dazu dann mehr in der nächsten Folge.

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2 Antworten

  1. Leider fehlt auch im dritten Beitrag in der Serie ein Hinweis auf die Vorlage zur Digitalisierung des schweizerischen Justizsystems. Mit dem Projelt Justitia 4.0 und dem zugehörigen Gesetzgebungsprojekt des Bundesgesetzes über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ; Geschäftsnummer 23.022). Von dem Projekt sind alle Gerichte in der Schweiz in den Bereichen Zivil- und Strafprozess sowie die Staatsasnwaltschaften und damit runf 13’000 Mitarbeitende von Justizbehörden und rund 14’000 Anwält*innen betroffen. Es geht um den elektronischen Rechtsverkehr und um die elektronische Gerichtsakte.
    Dieses Gesetzgebungsprojekt zeigt auf, dass das Bundesparlament mit der Regulierung von IT und Digitalisierung völlig überfordert und dazu in diesem Bereich auch noch beratungsresistent ist. Zudem wird den Föderalismus einen zu grossen Stellenwert eingeräumt, was wohl dazu führen wird, dass es neben der zentralen Plattform Justitia.swiss noch einige kantonale Austauschplattformen bestehen bleiben.
    Zu bestimmten Mängeln des BEKJ wurde auch schon publiziert (vgl. Kettiger, Jusletter vom 24.06.2024, https://www.kettiger.ch/fileadmin/user_upload/Dokumente/Downloads/Kettiger_Jusletter_240624_Wenn-beim-elektronischen_R.pdf) und es fand ein virtuelles Open Hearing von Parldigi statt: https://www.parldigi.ch/de/virtuelles-open-hearing-bekj-justitia-4-0/

    1. Ja und nein. Wir versuchen mit dem digitalpolitischen Blick, die Vorstösse der ParlamentarierInnen zu erklären bzw. zugänglich zu machen. Justitia 4.0 wäre (wie viele andere digitale Grossprojekte in Bern) einen eigenen Artikel wert (oder sogar mehrere).

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