Wieder einmal verschwinden im Zuge eines Relaunchs Daten im digitalen Nirwana. Doch im Fall von simap.ch gibt es zum Glück eine Hintertür.
Die Beschaffungsplattform simap.ch enthält wertvolle Informationen für recherchierende Journalistinnen und Journalisten. Hier finden sich Ausschreibungen der öffentlichen Hand mit umfassenden Angaben zu Umfang und Kosten der Projekte. Allerdings werden einige dieser Informationen jetzt verschwinden.
Im Zuge eines Relaunches hat der Verein simap.ch, der die Plattform betreibt, zwar die Informationen zu den Tausenden von Beschaffungsgeschäften von Bund, Spitälern, Kantonen und Gemeinden auf die Archivversion archiv.simap.ch (vorher old.simap.ch) migriert, aber nicht vollständig. Statistiken, Inhalte von Frage-Antwort-Foren, Anbieterlisten, Ausschreibungsunterlagen, Logfiles werden nicht gezügelt und archiviert, wie Inside IT berichtet und der Verein simap.ch auf Anfrage bestätigte. Das stellt eine erhebliche Erschwernis für Medienschaffende dar, die zu Beschaffungen des öffentlichen Sektors gerade der letzten Jahre recherchieren.
Zwar war es schon vorher üblich, dass simap.ch die Unterlagen je nach Verfahren einige Zeit nach einem Zuschlag entfernte – obwohl nach den AGB alle Unterlagen eigentlich archiviert bleiben sollen. Ein längerer Archivierungszeitraum ist wichtig. Denn bei Zuschlägen wie etwa der Vergabe des Public-Cloud-Auftrags der Bundesverwaltung im Jahr 2022 an amerikanische und chinesische Big Tech-Firmen konnten Medienschaffende bisher rückwirkend die Unterlagen des Jahres 2021 herunterladen. Und diese Informationen als Ausgangspunkt für eine weitere Recherche nutzen.
Der Verein simap.ch tut mit der unvollständigen Migration nichts Widerrechtliches. Das Öffentlichkeitsgesetz regelt nicht die aktive Publikation, sondern nur den passiven Zugang zu Informationen. Das bedeutet: Dokumente zu alten Beschaffungsgeschäften von 2009-2024 müssen nun mit mühsamen BGÖ-Gesuchen herausgefordert werden. Dass sich dies über Monate hinziehen kann und in eine Sackgasse führt, habe ich bei meiner Recherche rund um den IT-Lieferanten Xplain erlebt. Sämtliche Beschaffungsunterlagen waren plötzlich ganz tabu oder von Schwärzungen betroffen, weil sie Teil einer behördlichen Untersuchung waren. Bei längeren Verfahren, die über die Frist von 21 Tagen hinausgingen und sich wochenlang wegen Verweigerungstaktiken der Behörden hinzogen, geht dann schnell mal das Momentum für eine potenzielle Enthüllung verloren. Und die spät herausgelösten Unterlagen sind dann Schnee von gestern.
Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Das Institut Public Sector Transformation der Berner Fachhochschule (BFH) hat die Unterlagen von simap.ch systematisch abgegrast und bietet nun auf ihrem eigenen Portal intelliprocure.ch alle Beschaffungsgeschäfte bis und mit ins Jahr 2009 zurück an. Medienschaffende erhalten einen Gratisaccount.
Eine Initiative einer Fachhochschule greift also den Medienschaffenden unter die Arme. Eigentlich sollte das simap.ch selbst leisten, schliesslich handelt es sich hier um die gemeinsame Plattform von Bund und Kantonen zum Beschaffungswesen. Und die dort publizierte Informationen sollten eigentlich für immer verfügbar bleiben.
Dieser Text von mir ist gestern zuerst bei persoenlich.com erschienen, dem Schweizer Fachportal für Medien und Werbung.
3 Antworten
Nicht nur Archivierung ist wichtig. Es ist auch wichtig, dass die ganzen Links noch gehen und sich nicht ständig ändern. Es gibt keinen technischen Grund, das zu ändern, ausser wenn man Nachvollziehbarkeit erschweren will.
Doch. Sie lassen einen Server mit einer Datenbank und einem CMS und einer Weboberfläche laufen. Irgendwann geht der Server gegen alt, die neuen Linuxe passen nicht mehr, resp ein Update einer genannten Komponente passt nicht mehr zur Betriebssystem Version. Sie haben ein Plugin welches mit der Php version nicht mehr laeuft. Irgendwann beschliessen sie alles neu aufzusetzen. Die neue Version ihrer Visualisierung hat andere Datenbank Felder. ..
Dann haben sie die Software nicht selbst geschrieben, der Entwickler ist nicht mehr da, oder beschäftigt. Und sie machen weiter mit dem was sie haben.
Anders gesagt: Eine staatliche Stelle verkauft Daten, die eine andere staatliche Stelle nicht mehr zur Verfügung stellt. Das ist keine gute Nachricht, auch wenn es natürlich schlau ist, Medienschaffende zu privilegieren, damit sie nicht kritisieren, was eigentlich skandalös ist.