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Vogt am Freitag: Hausbau ohne Grundbesitz

Die Post hofft nach wie vor auf den Erfolg des elektronischen Patientendossiers. Jetzt schiebt sie die Plattform in die Cloud und versucht damit, politischen Prozessen vorzugreifen. Kolumnist Reto Vogt gefällt das nicht.

Das elektronische Patientendossier ist seit vier Jahren ein Projekt voller Versprechen – und voller Enttäuschungen. Jetzt versucht die Post, Fakten zu schaffen, bevor die Politik entschieden hat. Kurz zum Hintergrund: Die Post ist eine der wichtigsten Infrastrukturbetreiberinnen des Landes – analog bei Briefen und Paketen, digital bei Projekten wie E-Voting, SwissID und dem elektronischen Patientendossier (EPD). Dafür stellt der Staatsbetrieb die entsprechenden Infrastrukturen bereit und betreibt sie.

In dieser Kolumne soll es ausschliesslich um Letzteres gehen. Das elektronische Patientendossier (EPD) ist auch vier Jahre nach dem Start nicht viel mehr als eine Luftnummer. Kaum jemand hat eins (weniger als 1 Prozent der Bevölkerung). Und diejenigen, die eins haben, können es nicht nutzen. Das Problem: Kaum ein Spital, kaum eine Arztpraxis ist angeschlossen. Und wenn doch, schrecken viele vor dem Mehraufwand zurück, der nicht verrechnet werden kann.

Die Doppelrolle der Post

Die Post ist die grösste EPD-Plattformbetreiberin. Laut eigenen Angaben werden aktuell rund 90 Prozent der 77’000 ausgegebenen Dossiers darüber verwaltet. Gleichzeitig ist der Gelbe Riese mit seiner Tochtergesellschaft Sanela aber auch eine von acht Stammgemeinschaften, die aktuell EPDs herausgeben und verwalten dürfen.

Natürlich gefällt es weder der Post selbst noch der Politik, dass das EPD ein Schattendasein fristet. Schliesslich wurde der Aufbau, der Betrieb und die Promotion des Dossiers zu grossen Teilen mit öffentlichen Geldern subventioniert. 

Bund will Infrastrukturprovider werden

Entsprechend schlägt der Bundesrat vor, die technische Infrastruktur zentral beim Bund anzusiedeln (und allen Bürgerinnen und Bürgern ein Dossier aufzuzwingen). Welches System künftig zum Zug kommt, soll nächstes Jahr eine öffentliche Ausschreibung klären. Dieser Vorschlag wird in die grosse EPD-Reform aufgenommen und die zugehörige Botschaft wird im Frühjahr 2025 dem Parlament vorgelegt werden.

Es ist also absehbar, dass die politische Debatte nächstes Jahr geführt und vielleicht sogar entschieden wird. Widerstand ist nicht zu erwarten, da die meisten Vorhaben im Bereich E-Health das Parlament bis dato jedes Mal mehr oder weniger durchgewinkt hat.

Pflöcke auf fremdem Land einschlagen

Nun hat die Post entschieden, in die eigene EPD-Plattform zu investieren und diese in die Cloud zu hieven. Damit versucht die Post, den politischen Entscheid vorwegzunehmen, ja ihn zu beeinflussen. Auch wenn diese Massnahme aus betriebswirtschaftlicher Sicht Sinn ergibt, halte ich ihn für verwerflich. Gerade als Staatsbetrieb sollte die Post den parlamentarischen Prozess abwarten, bevor der Konzern Geld in eine Infrastruktur steckt, deren Zukunft zumindest theoretisch völlig offen ist.

Natürlich dauert es noch Jahre, bis die allenfalls neue technische Infrastruktur beim Bund fertig gebaut ist. Trotzdem: Vor der politischen Debatte in die Infrastruktur zu investieren, ist wie mit dem Bau eines Hauses zu beginnen, ohne das entsprechende Land zu besitzen. Die politischen Akteurinnen und Akteure im Bundeshaus sollten sich nicht vor vollendete Tatsachen stellen lassen. Es liegt an ihnen, der Post klarzumachen, dass politische Entscheidungen nicht durch wirtschaftliche Interessen ausgehebelt werden dürfen.

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