Vogt am Freitag: Zusammenschluss

Nötli um Nötli werfen grosse KI-Anbieter wie OpenAI ins Feuer. Sie sind weit davon entfernt, Gewinne zu schreiben. Eine Oligopolisierung ist eine Frage der Zeit, schreibt Kolumnist Reto Vogt.

11,5 Milliarden Dollar Verlust schrieb OpenAI, der Konzern hinter ChatGPT, im vergangenen Quartal. Pi mal Daumen gerechnet macht der Konzern aktuell alle drei Monate (!) so viel Verlust, wie er pro Jahr einnimmt. Der Jahresumsatz beträgt rund 13 Milliarden Dollar. Zur Veranschaulichung: Sora 2, der Videogenerator von OpenAI, generiert täglich über 11 Millionen Videos. Allein damit fährt OpenAI einen Verlust von über 15 Millionen Dollar am Tag (!) oder 5 Milliarden Dollar im Jahr ein.

Man muss kein Rechengenie sein, um festzustellen: Auf lange Sicht geht das nicht gut.

Und als ob die Verluste aus dem Betrieb und Training der Modelle nicht schon reichen würden, kommt jetzt auch noch die Justiz ins Spiel. Im November verurteilte das Münchner Landgericht OpenAI wegen Urheberrechtsverletzung. Zwar ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, aber für mich ist klar, dass bereits dieser Schuldspruch weitere Inhaberinnen und Inhaber von Urheberrechten motivieren dürfte, selbst Klage einzureichen. Sollte das Urteil letztinstanzlich bestätigt werden, wäre der Effekt noch brutaler.

Miese machen

Zwei Wege bleiben dem Konzern nun: Investorengelder sammeln und massiv den Umsatz steigern. Das, was andere Konzerne in derselben Situation normalerweise tun – Kosten senken – ist keine Option. Denn das würde bedeuten, dass die Modelle immer schlechter werden. Und schlechtere Modelle bedeuten weniger Kunden und weniger Investorengelder.

Den Umsatz steigern können KI-Anbieter wie OpenAI in zwei Märkten: mit Abos und mit Werbung. Ersteres ist kein Wachstumsmarkt, weil die allermeisten Nutzerinnen und Nutzer von ChatGPT mit der kostenlosen Variante zufrieden sind. Ungelöst ist das Problem mit der Werbung. Erstens kommen die Bemühungen in diesem Bereich nicht wirklich voran und zweitens ist unklar, wie Nutzerinnen und Nutzer darauf reagieren würden.

Geld suchen

Bleiben noch die Investorengelder: Schätzungen der Financial Times zufolge muss OpenAI zur Deckung dieser Verluste in den nächsten 5 Jahren über 200 Milliarden Dollar auftreiben und wird dann immer noch nicht profitabel sein. Und der ChatGPT-Konzern steht mit dieser Herausforderung nicht alleine da: Anthropic, der Konzern hinter Claude, verlor 2024 rund 5,6 Milliarden Dollar bei einem Umsatz von knapp einer Milliarde. Und auch Anthropic sieht sich mit Klagen konfrontiert und hat sich in einem Vergleich bereit erklärt, 1,5 Milliarden Dollar zu zahlen – nur um ein Urteil zu verhindern.

Das Muster wiederholt sich quer durch die Branche, weshalb sich die Gretchenfrage stellt: Finden die KI-Anbieter auf Jahre hinaus Geldgeber, die in ein Fass ohne Boden investieren? Es würde mich wundern.

Lösen kann das Problem nur Big Tech. Nur diese Konzerne können sich diese Kombination leisten, weil sie mit ihrem Kerngeschäft genug verdienen, um die KI-Verluste zu quersubventionieren. Und Big Tech hat sich längst positioniert: Microsoft investiert in OpenAI, Amazon in Anthropic, Google setzt auf eigene Modelle. Die unabhängigen KI-Anbieter schaffen das nicht alleine, weshalb eine Konsolidierungswelle unvermeidlich ist.

Ich behaupte: In fünf Jahren gibt es nur noch drei, vier grosse KI-Anbieter – alle im Besitz von Big Tech.

Willkommen im Oligopol.

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