e-ID explained, Teil 3: Jugendschutz und Anonymität

Rund um die e-ID prallen Welten aufeinander, insbesondere der Wunsch nach Jugendschutz und der Wunsch nach Anonymität. Heute gehen wir der Frage nach, ob eine e-ID unsere gesellschaftlichen Probleme im Internet lösen kann. Und wie wir zu einer besseren Lösung kommen.

Hier ein Überblick über die heutigen Themen:

Hintergrund: Die Anfänge des Internet

Die Konzepte des Internet entstanden in den 60er- und 70-er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Tauchen wir dazu kurz in diese Welt ein:

Computer in der Internet-Gründungszeit

1960 belegte der typische programmierbare Computer ganze Räume, trotzdem wären etliche Millionen von diesen Kolossen nötig gewesen, um auch nur einen Bruchteil der Rechenleistung zu erreichen, die wir heute in unseren Hosentaschen herumtragen. Aber es gab damals erst etwa 10’000 Computer weltweit, meist traf man sie nur in grossen Firmen/Behörden oder prestigeträchtigen Universitäten.

Entsprechend hatten die wenigsten Personen Zugang zu diesen wertvollen Ungetümen. Und auch diese konnten sich nicht an den Bildschirm setzen und ein Programm laufen lassen. Üblicher war es, dass Computer-Nutzer:innen zwei Stapel Lochkarten mit dem Programm und den zu verarbeitenden Daten in einem Vorraum dieser heiligen Hallen ablieferten. Am nächsten Tag konnte man dann einen Stapel Lochkarten mit der Programmausgabe abholen. Oder aber – wenn in Programm oder Daten ein Fehler vorlag – nur eine Fehlermeldung; und das Spiel begann von Neuem.

Erst in den 1970ern wurde es üblich, dass man auch mittels verkabelten Text-Terminals (ein Röhrenmonitor mit Tastatur) «live» («in Echtzeit») auf die Computer zugreifen konnte.

Das Internet im 20. Jahrhundert

Ende der 1960er begann man auch Daten und Programme zwischen den verschiedenen Rechnern austauschen zu wollen. Neben vor allem proprietären Netzwerken, mit denen nur Geräte eines Herstellers verbunden werden konnten, entstand mit dem Internet ein Netz, über das jegliche andere Netze miteinander kommunizieren können sollten.

1981, im Kindesalter des Internet, waren 213 Rechner angeschlossen. 1985 wurde die 2000er-Grenze, 1987 die 20’000er-Grenze überschritten. 1992 waren über eine Million Geräte verbunden, heute sind es mehrere Milliarden.

Keine Kinder!

Ist Ihnen etwas aufgefallen? In der ganzen Geschichte kommen keine Kinder vor. Die Netzwerke, die mehrere Organisationen miteinander verbanden, waren von Akademikern geprägt. Nicht einmal die dort übermittelten Passwörter oder Emails waren gegen Abhören oder Fälschung geschützt.

Es gab nur eine geschlossene Benutzergruppe von Erwachsenen, die sich oft gegenseitig kannten und vertrauten.

Erst mit dem Bekanntwerden des Internet ausserhalb dieser zusammengeschweissten Community in den 1990ern begann man, sich Gedanken um Vertrauen, Geheimnissen und Verschlüsselung zu machen. Aber auch dann waren Kinder noch lange kein Thema.

Wieso Altersverifikation?

Damit sind wir schon beim Thema. Natürlich stammt die Idee der Altersverifikation aus dem Jugendschutz, wie beispielsweise dem Schweizer Gesetz über den Jugendschutz bei Film und Videospielen (JSFVG; DNIP berichtete mehrfach).

Neben hehren Zielen wie dem Jugendschutz gibt es aber noch andere Pläne: So gibt es vor allem in konservativen und religiösen Kreisen immer noch den Wunsch, Informationen, die nicht in ihr Weltbild passen, einfach unter den Teppich zu kehren. Prominent sind vor allem die in den USA in den letzten Monaten auftauchenden Gesetze, mit denen der Zugang zu Büchern, medizinischen Informationen oder Darstellungen von sexuellen Handlungen aber auch nur schon Informationen über die menschliche Sexualität unterbunden werden soll.

Und natürlich wollen auch etliche Politiker Erfolge auf ihrem Konto verbuchen können und so als Macher gelten. Egal, ob diese «Erfolge» schädliche Nebeneffekte haben. Und wie wir spätestens seit Umberto Eco wissen:
Für jedes komplexe Problem gibt es eine einfache Lösung; und die ist falsch.
In der Digitalisierung passt diese Aussage besonders oft, aber auch bei anderen Problemen des 21. Jahrhundert sehen wir diese Entwicklung.

Wieso ist das Internet schuld?

Das Problem der Altersverifikation gibt es nicht erst seitdem sich auch Kinder im Internet tummeln. Auch davor gab es das Problem, es ist den Erwachsenen einfach weniger aufgefallen. Schon im letzten Jahrhundert gab es Flaschen oder Heftchen, die man am Kiosk nicht ohne Altersverifikation bekam.

Doch diese war oft unaufdringlich: Ein geschulter Blick der Kioskfrau genügte, um zu entscheiden, dass sie einen 50-jährigen Herrn nicht nach dem Ausweis zu fragen brauchte.

Und die Alterskontrollen am Kiosk waren auch privatsphärefreundlich: Wer der Kioskfrau nicht sowieso schon persönlich bekannt war, dessen Kauf war wenige Minuten später wieder vergessen.

Im Internet fallen sowohl menschliche Abschätzung als auch menschliche Vergess­lichkeit weg. Deshalb taucht auch die Angst vor unmenschlicher Überwachung auf.

Technik muss her!

Entsprechend wird also der Ruf nach einer technischen Lösung laut. Obwohl sich inzwischen herumgesprochen haben sollte, dass Technik gesellschaftliche Probleme nicht lösen kann. Sie kann höchstens als unterstützendes Element eingesetzt werden, wenn der gesellschaftliche Konsens da ist und sie keine Kollateralschäden verursacht.

Egal wie gerne Politiker heute gerne «technologieoffene» Lösungen haben: Zumindest eine mögliche Technologie muss ausgearbeite sein. Inklusive der dazu notwendigen Prozesse sowie Abwägungen zu Vor- und Nachteilen.

Ohne Plan: Chaos pur, Einladung zum Identitätsdiebstahl en gros

In England und dem gesamten Vereinigten Königreich wurde gerade ohne Plan vorgegangen: Da hat man Alterskontrollen verordnet, ohne dass klar war,

  1. für welche Inhalte diese verpflichtend seien und
  2. wie sie umgesetzt werden können (DNIP berichtete).

Unter der sehr schwammigen und weitreichenden Formulierung von «problematischen» Inhalten, die nach einem Gerichtsentscheid selbst Wikipedia umfassen soll, wurden entsprechend eilig auch grösstenteils harmlose Diskussionsforen geschlossen. Gleichzeitig haben Webseiten und Foren begonnen, Verifikationsportale vorzuschalten. Portale, die ihre Dienste natürlich verrechnen und damit für Webseiten von Einzelpersonen oder Diskussionsforen von Non-Profit-Organisationen im wahrsten Sinne des Wortes untragbar sind.

Dies führt nicht nur zur Konzentration auf die Medienportale und Internetpräsenzen grosser Firmen, die ihre Dominanz weiter ausbauen können auf Kosten von unabhängigen Informationsquellen. Die Britinnen und Briten müssen sich auch gegenüber mehreren Verifikationsportalen ausweisen; und oft ist unklar, was die mit den sehr persönlichen Daten auf den ID-Fotos und Verifikationsvideos machen. Auch ist unklar, wie einfach Cyberkriminelle sich Zugang zu diesen Daten verschaffen können und damit im grossen Stil Identitätsdiebstahl betreiben können.

Ganz besonders, wenn eine solche Infrastruktur zum Umgang mit Personendaten schnell und günstig aufgebaut werden soll, ist die Chance sehr hoch, dass unkorrigierbare Fehler passieren. Bekannterweise passiert das ja auch Grossfirmen, die eigentlich das Geld dazu hätten. (So berichteten wir erst kürzlich über derartige Vorfälle bei McDonald’s und Swiss.)

Falls sich das Geschäftsmodell der Verifikationsplattform dann nicht als tragfähig herausstellt, ist es gut möglich, dass am Ende von der Firmenleitung oder dem Konkursverwalter diese Daten dann zur Entschuldung verkauft werden. So geschehen erst kürzlich wieder, diesmal mit 15 Millionen DNA-Analysen von Personen.

Und natürlich ist die Abgrenzung der Personen schwierig: Auf der einen Seite finden sich im Internet unzählige Anleitungen, wie man dies umgehen kann (und ich bin sicher, dass unseren Leser:innen auch ohne Suche mindestens eine Umgehungslösung einfällt). Auf der anderen Seite hat ein Bekannter, der in der Republik Irland lebt (definitiv nicht Teil des Vereinigten Königreichs!) sich darüber beschwert, dass auch er zur Altersverifikation aufgefordert wurde.

Gut, wenn man einen Plan hat

Beim Jugendschutzgesetz für Film und Videospiele (JSFVG) hat der Gesetzgeber die Schweiz auch in eine ähnliche Lage versetzt, wie jetzt in UK. Glücklicherweise hat der Bundesrat die Umsetzung des Gesetzes auf die lange Bank geschoben, in der Hoffnung, dass eine e-ID komme und damit Datenschutz und Chaos Genüge getan werden könne.

Denn eine relativ anonyme Lösung wie mit der e-ID, bei der ich nur «bin volljährig» bezeugen kann, ohne Namen oder Geburtsdatum übermitteln zu müssen, ist da definitiv eine deutlich bessere Lösung.

Ich verstehe aber auch die Gegner, die befürchten, dass die Internetkonzerne mehr Daten als nur dieses «ich bin volljährig!» sammeln wollen. Denn diese Sammelwut haben sie über Jahre bewiesen. Deshalb wäre eine restriktivere Formulierung gegen diese sogenannte «Überidentifikation» im Gesetzestext ein wichtiger Schritt gewesen, beispielsweise auch ergänzt mit technischen Massnahmen.

Ein gesundes Staatswesen zeichnet sich dadurch aus, dass eine einzige Gesetzesänderung die Demokratie nicht sofort kippen kann. Und mit der direkten Demokratie haben wir die Hebel, um das zu verhindern. Die Befürchtungen der e-ID-Gegner sind ernst zu nehmen und die von ihnen geschilderten Entwicklungen sind zu vermeiden. Aber sie sollen an der richtigen Stelle eingesetzt werden. Kein Gesetz, kein Werkzeug überhaupt, auch kein Mensch, ist perfekt, ist einfach nur gut und für alle uneingeschränkt vorteilhaft.

Sperren mit Nebenwirkungen

Wenn in der Gesellschaft ein breites Bedürfnis herrscht, ist das nicht einfach durch Gesetze oder Sperren aus der Welt zu schaffen. Das Schulbeispiel dafür ist die Zeit der Prohibition in den USA, vor rund 100 Jahren. Alkohol war zwar offiziell verboten, der Bedarf an Alkohol war dadurch aber nicht aus der Bevölkerung eliminiert. Entsprechend rutschte Alkoholproduktion und -konsum in die Illegalität ab und die Mafia erstarkte.

Ähnliches wird auch geschehen, wenn plötzlich Internetinhalte für Erwachsene nur noch schwerer zugänglich sein werden: Ausländische bzw. illegale Angebote werden zunehmen und mit ihnen wahrscheinlich auch die organisierte Kriminalität rund um diese Dienste.

Das Ende der Online-Anonymität?

Wir erleben eine schleichende Erosion von Privatsphäre, nicht nur online. Firmen verdienen daran, uns genau zu kennen und uns unnötige oder teurere Produkte zu verkaufen, als wir eigentlich bräuchten. Oder die Daten einfach an den Meistbietenden zu verscherbeln, ohne zu wissen, was die genau damit machen; auch wenn es für die Betroffenen dann möglicherweise um Leib und Leben geht.

Es darf daher nicht verwundern, wenn Personen beginnen, sich auf allen Ebenen gegen diese Erosion einzusetzen:

  1. Boykott von Diensten, welche besonders invasiv sind.
  2. Installation von Software und Plugins, welche unsere Online-Verfolgung erschweren.
  3. Klagen anstreben gegen Dienste, welche sich nicht an die Datenschutzgesetze halten.
  4. Gesetzesänderungen durchzusetzen, welche den Schutz der Privatsphäre verbessern (so beispielsweise geschehen zwischen der ersten und zweiten, aktuellen, Version der e-ID).

Denn Privatsphäre und Anonymität sind wichtige Komponenten für eine Gesellschaft, ganz besonders eine Demokratie. Denn sie sind essenzielle Bausteine für Meinungsfreiheit, Schutz vor Diskriminierung, einseitige Ausnutzung von Machtpositionen, Reduktion von Cyberkriminalität, aber auch grundlegende Eigenschaften für Diskretion und psychische Gesundheit.

Besondere Bedeutung kommt Anonymität bei der Ausübung von Grundrechten in der Demokratie zu, beispielsweise bei der friedlichen Äusserung seiner Meinung an einer Demonstration oder an der Urne.

Die gesellschaftliche Komponente

Auch wenn das Volk der e-ID am 28. September zustimmt: Es wird Jahre dauern, bis Online-Dienste von der breiten Verfügbarkeit einer e-ID ausgehen können; vielleicht sogar Jahrzehnte. Auch die internationale Abdeckung wird lange auf sich warten lassen. Überlegen wir uns also einmal, wie nachhaltiger, passender Jugendschutz aussehen sollte.

Jede Grenze ist falsch

Schauen wir uns doch einmal den Jugendschutz beim Alkohol an:

  • Unter 16 Jahren ist jeglicher Alkoholkonsum extrem gefährlich für Kinder, ausser der Alkoholgehalt liege unter 1.2 Volumenprozent. Also 1.1 %-iger frischer Sauser ist harmlos, aber wenn er ein paar Tage herumsteht und die Gärung zu 1.3 % fortgeschritten ist, wird er zum absoluten No-Go.
  • Ab dem 16. Geburtstag ist aber urplötzlich Bier und Wein völlig harmlos, egal in welcher Menge. Schnaps bleibt aber noch immer schädlich. Ausser er ist im Kirschstängeli, davon darf man so viele essen wie man will.
  • Ab dem 18. Geburtstag ist dann auch – schwupp­diwupp! – Schnaps plötzlich völlig ungefährlich geworden.

Soweit die Gesetzeslage. Dass sich aber das Kind nicht von einem auf den anderen Tag völlig verändert oder eine minimale Änderung des Alkoholgehalts gravierende Auswirkungen hat, sollte uns als Menschen klar sein.

Eltern und Fachpersonen wissen es: Jedes Kind entwickelt sich unterschiedlich. Trotzdem hat sich der Gesetzgeber entschieden, alle Kinder gleich zu behandeln. Wohl wissend, dass Ausnahmen immer möglich sein sollen.

So wird man gebüsst, wenn man – nach Abzug der Toleranzen – in einer 50-km/h-Zone mit mehr als 52 km/h geblitzt wird. Falls man aber zeigen kann, dass man wegen eines medizinischen Notfalls auf der Rückbank auf dem Weg ins Spital war und niemanden gefährdet wurde, wird die Busse möglicherweise erlassen («Güterabwägung», umgangssprachlich oft auch «gesunder Menschenverstand»).

Lernen vom Säbelzahntiger

In der Einleitung war davon die Rede, dass das Internet nicht für Kinder gebaut worden sei.

Aber nicht nur das Internet wurde nicht für Kinder gebaut. Dasselbe gilt für die reale, physische Welt, die uns schon seit Jahrtausenden umgibt: Dort gab es schon vor der Existenz von Kindern Bäume, von denen man herunterfallen kann; Teiche, in denen man ertrinken kann; Dürren, Hungersnöte und Seuchen, unter denen oft die Kinder besonders litten; Abhänge, die man herunterstürzen kann; Blitze, die uns treffen wollen; oder eben wilde Säbelzahntiger, die uns gerne als Abendessen nach Hause bringen; und, und, und.

Wir merken: Eigentlich wurde nichts für Kinder gebaut.

Aber unsere Spezies (und ihre Vorfahren mit und ohne Körperbehaarung) haben nur überlebt, weil sie Kinder oft vor den schlimmsten Widrigkeiten dieser lebensfeindlichen Welt bewahren konnten. Und sie in einer behüteten Umgebung behutsam an diese brutale Welt herangeführt haben.

An keinem Stichtag werden Kinder plötzlich für die Welt der Erwachsenen reif. Weder bei Alkohol, noch rund um die menschliche Sexualität, ebenso wenig beim Zeitungsartikel über ein Gewaltverbrechen oder bei der oft bedrohlichen Welt des internationalen Geschehens.

Das mag der Idealfall sein. Es gibt aber auch ganz andere Fälle. In einem repressiven oder toxischen persönlichen Umfeld beispielsweise kann Zugriff auf Online-Ressourcen für die Heranwachsenden die einzige Möglichkeit sein, an begleitende Informationen heranzukommen. In einem solchen Fall kann der «Jugendschutz» also kontraproduktiv sein.

Konkreter Jugendschutz

Sebastian Meineck hat für Netzpolitik.org zwei Artikel zum Thema Jugendschutz rund um Internet und soziale Medien geschrieben, die ich allen Eltern (und Entscheidungsträgern) ans Herz legen möchte.

Hier einige zentrale Punkte daraus; die in den ersten zwei Unterkapiteln («Allgemein» und «Soziales Umfeld») ist inspiriert «Die magische Anziehungskraft des Social-Media-Verbots», das dritte Unterkapitel («Technik») lehnt sich an an «Fünf Forderungen für gute Jugendschutz-Filter».

Allgemeines

Folgende drei Punkte sollten in die Überlegungen einfliessen:

Soziales Umfeld

Entsprechend gibt es Handlungsempfehlungen an das soziale Umfeld der Jugendlichen:

  • Es gilt, die Medienkompetenz zu fördern und einen geeigneten Umgang mit Online-Medien aller Art zu entwickeln.
  • Die Trennung zwischen Instant Messaging (WhatsApp, Signal, Threema, …) verschwimmt insbesondere bei den Angeboten der Digitalkonzerne immer meht mit Social-Media-Funktionen. Eine klare Trennung ist immer weniger möglich.

Übrigens: Eine Vertrauensbeziehung muss schon vor der Pubertät bestehen, damit sie auch während der Pubertät Bestand haben kann. Und an der gilt es, gemeinsam mit den Heranwachsenden, kontinuierlich zu arbeiten. Das lässt sich nicht an Technik auslagern.

Technik

Neben dem unabdingbaren fürsorglichen Begleiten kann aber Technik durchaus eine zusätzliche Komponente sein.

  • Die Jugendschutzfunktionen sollten direkt auf den Geräten der Kinder wirken. Dazu ist aber auch eine entsprechende Unterstützung derartiger Funktionen direkt vom Gerätehersteller nötig. (Restriktionen erst in den Applikationen werden von Jugendlichen regelmässig umgangen, wie mir ein Experte mitteilte.)
  • Alleine die Eltern sollten entscheiden, welche Filter und sonstigen Einschränkungen gelten.
  • Die Filter sollten ihre Tätigkeit transparent machen.

Diese Filter sollen aber nie als Ersatz für menschliche Fürsorge und die medienkompetente Begleitung stehen.

Soziales Fazit

Das Internet – wie auch der Grossteil der Welt – war nie als sicherer Hafen für Kinder gedacht. Entsprechend ist es illusorisch, ihn dazu machen zu wollen. Besonders schlimm und inakzeptabel ist es, wenn dafür das für die menschliche Gesellschaft und den demokratischen Rechtsstaat unbedingt notwendige Anonymität und Privatsphäre geopfert werden soll.

Wie auch in der realen Welt ist Kinder- und Jugendschutz auch in der digitalen Welt vor allem Aufgabe des direkten sozialen Umfelds der Heranwachsenden, im Idealfall ein intaktes, fürsorgliches und verständiges Elternhaus. In diesem sozialen Umfeld sollen die Kinder Vertrauen entwickeln können, Begleitung erfahren und Fehler machen dürfen, denn die sind integraler Bestandteil der menschlichen Entwicklung. Die Kinder sollen nach ihren Fehlern den für diesen Fall notwendigen Trost und/oder Tadel erhalten, um aus diesem Fehler gestärkt hervorzugehen.

Dazu ist Medienkompetenz notwendig, sowohl für die Eltern als auch den Nachwuchs. Nur mit Begleitung, Rückhalt und Medienkompetenz sollten die Kinder langsam und schrittweise in die weite Welt entlassen werden. Dazu können begleitend auch technische Massnahmen eingesetzt werden.

Diese Massnahmen dürfen nur als zusätzlicher Aspekt dieser Begleitung durch Elternhaus & Co. gesehen werden. Denn irgendjemand im Kollegenkreis wird einen Weg finden, an Material zu kommen, was nicht für alle Kolleg:innen zu ihrem Entwicklungsstand passt. Denn alle Menschen sind erfinderisch; und keine:r soll behaupten, in der eigenen Kindheit nicht auch Dinge gemacht zu haben, die man den Eltern nicht erzählen wollte.

Was bedeutet das für die e-ID?

Eine e-ID löst die gesellschaftlichen Probleme rund um Altersverifikation nicht, sie hat jedoch noch andere Anwendungsbereiche, für die sie als freiwilliges Online-Äquivalent zur Plastik-Identitätskarte durchaus relevant sein kann, beispielsweise Vereinfachung von Behördengängen oder sichere Identifikation besonders im Zeitalter von Deepfakes.

Es ist aber davon auszugehen, dass Politiker überall auf dieser Welt die Probleme rund um Jugendschutz zentral lösen möchten, egal wie aussichtslos dieses Unterfangen scheint. Da wir dies wohl nicht global verhindern können, können wir mit der e-ID wenigstens ein Vehikel schaffen, das datenschutzfreundlich und bequem ist. Und das erst noch helfen kann, die bestehenden Online-Identifikationen für Banken uvam. durch etwas zu ersetzen, was nicht für massenhaften Identitätsdiebstahl missbraucht werden kann.

Weiterführende Literatur

Kinder- und Jugendschutz

Zensur für Weltanschauung oder Profit

Schlechte Lösungen

Anonymität

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Eine Antwort

  1. Ist es nicht etwas naiv, wenn man den Wunsch, Informationen unter den Teppich kehren zu wollen, die nicht ins jeweilige Weltbild passen, vor allem in konservativen und religiösen Kreisen verortet? Der grösste Zensurkomplex, dessen Aufdeckung wohl etwa mit den Twitter-Files begann, dessen Ausmasse seither in immer weiteren Spotlights aufschien und möglicherweise doch ewig nur erahnbar bleiben werden, scheint mir doch aus ganz anderen politischen Ecken errichtet worden zu sein.
    Ist es nicht genau dieses treuherzige vor sich hin Leben von uns Schweizern, völlig unberührt von Erkenntnissen über die Welt um uns herum, das uns zu dieser ständigen blinden Kompatibilitätssucht treibt, die man für ein Befürworten der E-ID wohl benötigt? Wäre es nicht mal an der Zeit, sich etwas strategischer Gedanken dazu zu machen, wer welche Interessen verfolgt und wie wir in dieser Interessen-Gemengelage unsere Interessen am schlausten vertreten können? Anstatt konstant nur aufgrund von „schnell, schnell, alle anderen tun das, wir müssen auch“, „wir können es sowieso nicht aufhalten“ und „seid doch nicht so rückwärtsgewandt, wir müssen ‚modern‘ sein“ dem Zeitgeist hinterher zu ‚höselen‘. Und das Ungemach mit einem Swiss finish sogar noch etwas perfekter zu machen. Womöglich käme man dann auch, aber nicht nur, bezüglich E-ID zu Ansichten, die der Zeitgeist zwar für wenig modern halten mag, die aber tatsächlich moderner sind als der Zeitgeist.

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