Die Redaktion präsentiert jeden Dienstag die Geschichten, die sie bewegt, aufgerüttelt oder zum Nachdenken angeregt hat.
Elon Musk spricht mit der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel, Mark Zuckerberg schwatzt mit dem US-amerikanischen Podcaster Joe Rogan – und die Welt hört zu. Zitate, Satzfetzen, und, klar, Weidels Hitler-Vergleich werden in den sozialen Netzwerken verbreitet. Manche Medienhäuser begleiten die Interviews mit Live-Blogs, als handele es sich um Fussballspiele, die es in Echtzeit zu kommentieren gilt. Dabei geht es um die Verachtung von queeren und trans* Personen. Frauen werden angefeindet. Es geht um Antisemitismus; da wird der Holocaust erst relativiert, dann geleugnet. Lügen, Hetze, Hass.
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Toggle«Hilflos und jubilierend unterwürfig»
Die österreichische Autorin Natascha Strobl schreibt dazu in der taz: «Der Umgang mit Elon Musk in der politmedialen Öffentlichkeit strotzt vor Hilflosigkeit und jubilierender Unterwürfigkeit. Dabei müsste er längst als das behandelt werden, was er ist: Der ganz irdische Botschafter einer transnationalen, faschistischen Bewegung im Kampf gegen die Demokratie.»
Im Guardian schlägt Emily Bell ähnliche Töne an und fordert: «The pushback must start now.» Denn: «Trump, Musk and Zuckerberg have declared war on facts and truth.» Das ist das Wichtigste, was man aus der vergangenen Woche mitnehmen sollte. Moment, ein Detail dann doch noch: die «PayPal-Mafia»:
Die «PayPal-Mafia» übernimmt
Um die Jahrtausendwende scharte sich um die Gründung von PayPal eine Gruppe von Männern, die später als «PayPal-Mafia» bekannt wurde – darunter auch Elon Musk und Peter Thiel. Ein Artikel von Fortune aus dem Jahr 2007 prägte den Begriff und zeigte ein inszeniertes Foto jener Männer, die später Unternehmen, eben wie PayPal, im Silicon Valley gründeten. Mehr zur «Paypal-Mafia» liest du übrigens auch im eingangs erwähnten Taz-Artikel von Natascha Strobl.
Zu reden gaben die Policy-Änderungen von Mark Zuckerberg bei den Meta-Plattformen Facebook und Instagram, die Reto vergangenen Freitag in seiner Kolumne thematisierte. Die New York Times schrieb zum Thema, dass der Meta-Chef nach einem Besuch bei Donald Trump beschlossen habe, die Redepolitik zu lockern. «Er bat ein kleines Team, seine Ziele innerhalb weniger Wochen umzusetzen. Die Auswirkungen beginnen gerade erst.»
Zum Thema passt eine Blick-Recherche, die mehr über die Hintergründe des X-Accounts von Karin Keller-Sutter während ihrem Präsidialjahr ans Tageslicht bringt. Offenbar war ursprünglich ein generisches BundespräsidentInnen-Account geplant, welches Jahr von Jahr weitergegeben worden wäre. Die Departemente konnten sich aber nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen und befürchteten Doppelspurigkeiten. Wieso der Bund überhaupt noch neue Accounts auf X eröffnet, während sich der Diskurs auf der Plattform nach rechts verschiebt und sich NutzerInnen auch in der Schweiz vermehrt von der Plattform verabschieden, bleibt allerdings weiterhin offen. Als Alternative liebäugelt man in Bern übrigens nicht mit der Wiedereröffnung des Mastodon-Accounts, sondern einer eigenen Informationsapp für den Bundesrat. Abgesehen von der Sinnhaftigkeit einer solchen (es gibt schliesslich schon admin.ch): ob dort dann wohl die immer wieder betonte Interaktion mit der Bevölkerung über Likes und Sharing hinausgeht?
5G und Peering
And Now for Something Completely Different: Nach über 10 Jahren hat die Eidgenössische Kommunikationskommission (ComCom) das Verfahren rund um das sogenannte Internet-Peering zwischen dem Glasfaser-Internetprovider Init7 und Swisscom in einer 90-seitigen Verfügung zugunsten von Init7 abgeschlossen. Damit wird jetzt Swisscom aufgrund ihrer marktbeherrschenden Position verpflichtet, mit anderen Marktteilnehmern Peering einzugehen, wobei jede Partei ihre eigenen Kosten für diese Peering-Verbindung trägt. Bisher wollte Swisscom den Internetverkehr, den ihre Kunden verursachen und bereits bezahlen, auch noch zusätzlich den entsprechenden Datenlieferanten wie Init7 in Rechnung stellen («Two-sided market»). Init7 hat Hintergründe und Verlauf schon länger dokumentiert und in einer Pressemitteilung das Urteil zusammengefasst.
Ein weiteres Bundesgerichtsurteil zur 5G-Mobilfunkantennentechnologie ist ergangen. Während bisherige Urteile die Notwendigkeit und dem Umfang von Baubewilligungen ausgeweitet hatten, schränkt dieses Urteil die Möglichkeiten zur Einsprache dagegen wieder etwas ein. Die kurzfristige selektive Erhöhung der Sendeleistung zur gezielten Erreichung von Mobiltelefonen sei nicht gesundheitsschädlich, da (1) die Grenzwerte mittelfristig eingehalten würden und (2) auch mit Nutzung dieser gezielten Richtwirkung noch eine beträchtliche Marge zu den als gesundheitsgefährdend eingestuften Leistungen bestehe. Alle modernen Funksysteme nutzen zur gezielten Nutzung der Sendeleistung und zur Verbesserung der Empfangsqualität sogenanntes «Beamforming», bei dem gerichtet gesendet oder zugehört wird und damit die Sendeleistung auf beiden Seiten effizienter genutzt wird.
Und schliesslich:
- Die Waldbrände in Los Angeles machen klar, wie die Klimakrise von einer entfernten Nachricht zu einer persönlichen Katastrophe wird. Anfangs nur Bilder in den sozialen Netzwerken, steht plötzlich das eigene Haus in Flammen, und Menschen filmen mit ihren Smartphones, wie sie das Nötigste packen und fliehen. Eben: «Der Klimawandel wird sich als eine Reihe von Katastrophen zeigen, die man durch Telefone betrachtet – mit Aufnahmen, die immer näher an den eigenen Wohnort rücken, bis man selbst derjenige ist, der sie filmt», ein Fund auf Instagram.
- Dass KI nicht immer grosse LLMs und leistungsstarke Grafikkarten braucht, zeigt das Spiel «Guess the Animal», welches seit den frühen 70er-Jahren auf diversen Computer-Plattformen implementiert wurde. Das ist auf den ersten Blick ein simples Ratespiel, bei welchem der Computer aufgrund von Eigenschaften («kann es fliegen», «hat es Beine» etc.) versucht, ein Tier zu erraten. Der Clou dabei ist: Falls der Computer falsch rät, kann der Spieler eine neue Frage hinzufügen, welche geholfen hätte, das Tier zu identifizieren. Beim nächsten Durchlauf (mit einer anderen Spielerin) wird diese neue Frage dann bei Bedarf durch den Computer entsprechend gestellt. Wer es selber probieren wird, kann das online machen. Und wer seine eigene Version programmieren möchte, kann den Source Code von 1973 oder eine moderne Version als Ausgangspunkt verwenden.