Vogt am Freitag: Zuckerbergs Zündhölzli

Mark Zuckerberg kopiert Elon Musk und will bei Facebook und Instagram Moderation und Faktchecking abschaffen. Er «het ein Zündhözli azündt und das het ä Flamme gä», summt Kolumnist Reto Vogt.

Schon am Montag hatte ich mir vorgenommen, über Meta zu schreiben. Zu diesem Zeitpunkt wusste die Welt noch gar nichts von Mark Zuckerbergs Plänen, in den USA das Fakten-Check-Programm zu beenden und die Hausregeln aufzuweichen.

Nein, Anfang Woche gings noch darum, dass Meta ankündigte, vermehrt «KI-Charaktere» auf die eigenen Plattformen zu holen, wobei KI-Charakter natürlich ein Euphemismus für Bot ist. Meta begründet den Schritt einerseits damit, die wegziehende Userschaft zu ersetzen und Interaktionen zu fördern, und andererseits, um das Snapchat- und TikTok-Publikum – also die junge Zielgruppe – wieder zurückzugewinnen. Connor Hayes, bei Meta verantwortlich für KI, sagte zur Financial Times (Paywall): KI-Bots würden auf den Plattformen künftig mit Biografien und Profilbildern existieren und dort auch Beiträge posten.

Bots kaufen kein Parfüm

Ich wollte mich also lustig machen über diese Idee von Meta. Tatsächlich frage ich mich immer noch, wo der Mehrwert für die menschlichen User sein soll, unbewusst mit einem Bot zu interagieren und welchen Stellenwert ein computergenerierter Kommentar wie «Wow. Was für ein Foto!» hat. Hinzu kommt die kommerzielle Ebene: Wenn ich als Unternehmen Werbung schalte bei Facebook oder Instagram und die Hälfte der Reichweite ebenfalls KI-generiert ist: Wie attraktiv ist das noch? Bots kaufen in der Regel kein Parfüm. Und auch andere Sachen nicht.

Aber item. Im Verlaufe der Woche sind dann zwei Dinge passiert. Einerseits hat sich Meta schon wieder von den KI-Charakteren distanziert (nicht aber von der im FT-Interview skizzierten Vision), und Meta-Boss Mark Zuckerberg hat eben mal im Vorbeigehen ein Zündhölzli angezündet. Das hat nicht nur eine Flamme gegeben, wie Mani Matter einst sang, sondern einen riesigen Brand. Er will das Facktchecking abschaffen, eng mit dem künftigen Präsidenten Donald Trump zusammenarbeiten und die «Zensur» zurückdrängen. Auf dem Menü stehen weiter: Mehr «Meinungsfreiheit» zulassen, bislang gültige inhaltliche Beschränkungen zu Themen wie Migration oder Geschlechterfragen aufheben, geringfügige Verstösse erst nach Nutzerbeschwerden prüfen und mit Trump gegen Regierungen weltweit vorgehen, die amerikanische Unternehmen angreifen und darauf drängen, sie mehr zu zensieren. Das alles sagte er in einem auf Instagram veröffentlichten Video.

Zuckerberg fördert Desinformation und Diskriminierung

Matters Lied ist natürlich überspitzt, passt aber inhaltlich im übertragenen Sinne gut zu dem, was Zuckerbergs Vorhaben bewirken könnte: Es beginnt mit einem «dervo gspickten» Streichholz und endet mit der Auslöschung der Menschheit. Wenn Meta die Pläne wie angekündigt umsetzt, ist das eine ganz grosse Katastrophe für die weltweite Demokratie. Gleichzeitig die Verbreitung von Desinformation zu fördern und Hassrede nicht mehr zu stoppen, bedeuten nichts anderes als den Untergang eines gesunden Diskurses. Welche Auswirkungen dies auf die globale Politik hat, lässt sich am Beispiel von Elon Musks Netzwerk X problemlos nachvollziehen: Das alte Twitter ist kaputt und es ist absehbar, dass Facebook und Instagram (und vermutlich damit einhergehend auch Threads) dieselbe Entwicklung nehmen werden.

Warum tut Zuckerberg das? Er ist ein Fähnchen im Wind, das sich der politischen Mehrheit im Land andient, um das persönliche Vermögen zu vermehren. Das Handeln ist meiner Meinung nach eindeutig politisch motiviert und extrem opportunistisch, also ausschliesslich dem eigenen Vorteil bedacht. Genauso wie Musk sieht er Trump als Gehilfen, sich gegen den europäischen Ansatz zu wehren beziehungsweise durchzusetzen, wonach Unternehmen mitverantwortlich für das sind, was auf ihren Plattformen passiert. Denn mit das teuerste und mühsamste für Plattformen wie Facebook, Instagram oder X ist es, Fakten zu prüfen, Inhalte zu moderieren und Regeln durchzusetzen. 

Plattformen verlassen und Betreiber zerschlagen

Zuckerbergs Pläne sind nicht nur politisch opportunistisch, sondern gefährlich. Denn ohne Moderation und Faktenchecks werden Plattformen zu Brandbeschleunigern für Hass, Desinformation und Spaltung – und letztlich auch für den Niedergang einer gesunden Demokratie. Entsprechend hoch ist der Preis, den die Gesellschaft dafür zahlt: Wenn Facebook und Instagram zu Plattformen ohne Regeln werden, riskieren wir den Verlust von Fakten, Vertrauen und Zusammenhalt. Es ist eine gefährliche Entwicklung, die wir nicht einfach hinnehmen dürfen. Es liegt an den demokratischen Kräften der europäischen Politik, den Diskurs nicht den Flammen von Desinformation und Hass zu opfern. Demokratie ist kein Geschäft.

Zuckerberg hat ein Streichholz entzündet. Es liegt an uns, den Brand zu löschen, bevor er ausser Kontrolle gerät: durch das Verlassen dieser Plattformen, durch politischen Druck – oder, wenn nötig, durch die Zerschlagung der Plattformbetreiber.

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