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Vogt am Freitag: Anfeuern

Wer ein Feuer machen kann, erkennt digitale Zusammenhänge. Das findet Zürichs Bildungsdirektorin Silvia Steiner. Das von ihr geforderte Handyverbot ist mindestens absurd, schreibt Kolumnist Reto Vogt.

«Persönlich wäre ich für ein Handyverbot», sagte Zürichs Bildungsdirektorin Silvia Steiner jüngst in einem Interview zum Tages-Anzeiger. Damit unterstützt die Politikerin der Mitte-Partei zumindest indirekt einen Vorstoss von SVP- und EDU-Kantonsräten, der genau das fordert: ein striktes Handyverbot an der Volksschule. Eine Antwort der gesamten Regierung steht indes noch aus, aber Silvia Steiner hat schon mal vorgespurt. Ein Verbot als Lösung eines «Problems»? Neue Töne aus dem bürgerlichen Lager, die sonst immer betonen, wie wichtig die Freiheit jeder und jedes Einzelnen ist.

Steiner meint jedenfalls, sie sehe nicht ein, weshalb es im Unterricht oder auf dem Pausenplatz ein Handy brauche. Damit hätten «wir unsere zwischenmenschliche Kommunikation ein Stück weit verlernt». Das ist eine bemerkenswerte Aussage über ein Kommunikationsgerät. Das ist wie wenn jemand über das Elektroauto sagen würde, dass «wir» damit unsere Fähigkeiten zur Mobilität ein Stück weit verlernt hätten. Ich würde sogar soweit gehen und sagen, dass Jugendliche ihre Fähigkeiten zur Kommunikation dank dem Smartphone verbessert haben – nur kommunizieren sie halt auf eine andere Art und Weise als Silvia Steiner zu ihrer Schulzeit.

Englisch-Verbot wegen Rap?

Natürlich birgt die Smartphone-Nutzung auch Gefahren, keine Frage. Ich muss sie gar nicht alle aufzählen, aber zu den wichtigsten zählen sicher Cybermobbing, sozialer Druck und ungesunde Abhängigkeiten (siehe auch James-Studie von 2022, PDF). Das müssen Kinder und Jugendliche wissen und sie müssen ebenso Verhaltensweisen aufgezeigt bekommen, wie sie das Handy sicher und altersgerecht nutzen. Das, liebe Frau Steiner und liebe Bürgerliche mit «Verbotitis», ist auch Aufgabe der Schule. Das «Fach» nennt sich Medienkompetenz und das ist heutzutage genauso wichtig wie Naturwissenschaften, Mathematik und Deutsch. Sie kämen ja auch nicht auf die Idee, Englisch im Schulzimmer und auf dem Pausenplatz zu verbieten, weil die Kinder dann frauenverachtende Rap-Texte verstehen, oder? Eben.

Ein Verbot ist darüber hinaus nicht nur unrealistisch – Lehrpersonen haben nicht die Kapazität, dies durchzusetzen – es ist ausserdem auch unfair den Jugendlichen gegenüber. Acht Stunden keine Kommunikation mit Freundinnen und Freunden ausserhalb der Klasse? Mit welchem Recht soll dies die kantonale Bildungsdirektion durchsetzen? Verwaltungsangestellte müssen ihr Handy vor dem Einstempeln auch nicht abgeben und manche sollen es sogar ausserhalb ihrer Pausen nutzen (aber niemandem sagen, gell). Und genauso wie es Erwachsene gibt, die ihre Handynutzung nicht im Griff haben, so gibt es auch Jugendliche. Bei Letzteren besteht aber immerhin noch die Chance, dass sie den Umgang damit lernen. Dies aber wohl nicht in den Zürcher Schulen.

Wer ein Feuer machen kann, kann auch…

Silvia Steiner schlägt im erwähnten Interview vor, «mit der Klasse im Wald ein Feuer zu machen und zu bräteln», das fördere auch Kompetenzen, die es in unserer Gesellschaft braucht. Schliesslich «kann man digitale Zusammenhänge auch über analoge Fertigkeiten lernen». Ich will nicht abstreiten, dass es wichtig ist, ein Feuer machen zu können. Ich habe das nie wirklich gelernt und hoffe immer auf Unterstützung, wenn ich bräteln gehe. Aber Medienkompetenz über handwerkliche Fertigkeiten vermitteln zu wollen, schlägt auf einer Skala von «Absurd» bis «Dumm» schon stark nach rechts aus. 

Anfeuern indes ist wichtig. Aber nicht im Sinne von zeuseln, sondern im Sinne von unterstützen. Kinder und Jugendliche darin unterstützen, ihr Smartphone sicher zu nutzen und es im richtigen Moment auch wegzulegen.

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4 Antworten

  1. Wieso muss man während der Schule Kontakte ausserhalb der Schule haben? Ah genau das die lieben Eltern die pure Überwachung durchziehen können. Der Druck au die Kinder, bereits und der Primarachule ein solches Gerät zu besitzen würde viel erleichtern. Welche Medienkompetenz wird erlernt? Die ist an sehr wenigen Schulen wirklich vorhanden. Wie wäre es, wenn diese Verantwortung zu den Eltern übergehen würde und nicht alles in die Schule? Ach ja stimmt, dann heisst es: „weisch ich chime da nöd drus!“ Die Sucht nach Flammen und Kontakten zu nicht wirklichen Freunden kann auch nach den paar Lektionen in der Schule gestillt werden! Gute Idee Frau Steiner!

    1. Dass eine grosse Anzahl Lehrpersonen gar nicht über die Medienkompetenz verfügt, um sie vermitteln zu können, ist ein Problem. Dies aber als Pro-Argument herzunehmen, weshalb Handys zu verbieten sind, finde ich falsch. Auch geht es nicht um Überwachung durch Eltern, wenn Kinder Kontakte ausserhalb der Klasse pflegen, sondern um ein Grundbedürfnis – insbesondere bei älteren Jugendlichen. Ebenso ist es falsch, die Verantwortung an die Eltern zu delegieren. Das wird in keinem anderen Fach getan, wieso also gerade im Umgang mit neuen Medien? Eltern sollen das zu Hause begleiten und tragen selbstverständlich die Gesamtverantwortung, aber die Schule hat eine Ausbildungspflicht, finde ich.

      Richtig ist hingegen, dass ein Verbot Druck wegnehmen würde von insbesondere Primarschülerinnen und Primarschülern, die kein Gerät wollen. Die Realität ist aber, dass spätestens ab der 4. Klasse die meisten Kinder ein Handy haben. Entsprechend sollen sie ausgebildet werden, damit sie es gefahrlos und altersgerecht nutzen.

  2. Ich danke Reto Vogt für diesen Beitrag. Die Forderung nach einem Mobiltelefonverbot an Schulen kommt in Wellen immer wieder (wie die Forderung nach Ausgangssperren für Kinder). Ich habe bereits 2007 darauf hingewiesen, dass ein absolutes Mobiltelefonverbot an Schulen in die Grundrechte der Kinder eingreift und dabei das verfassungsrechtliche Verhältnismässigkeitsprinzip verletzt (Kettiger, Daniel: Hadyverbot greift in Kinder- und Elternrechte ein; Bildung Schweiz 10/2007, S. 21 f.). Als promovierte Juristin müsste Frau Dr., Steiner dies ja eigentlich wissen. Der Lehrplan 21 sieht zudem ausdrücklich die Förderung der Medienkompetenzen von schulkindern vor. Als Bildungsdirektorin müsste Frau Steiner auch das wissen.

  3. Super Artikel Reto. Mit dem Handy ist’s wie mit jedem Medium – seit der Erfindung des Buchdrucks wurden doch sämtliche neuen Medien anfänglich von skeptischen Pessimisten verschrien. Mittlerweile haben sich eine Vielzahl als Bereicherung erwiesen. Via Luft kann man durch Geräte aus Metall und Plastik Freunde weltweit umgehend kontaktieren.

    Wer am technologischen Fortschritt teilhaben möchte, der lehrt einen sinnvollen Umgang. Medienkompetenz ist meiner Ansicht nach vermutlich eines der nützlichsten Fächer, in welchem Kindern ein lebenslanger Mehrwert geboten werden kann.

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