DNIP Briefing #51: Baue, baue Rechenzentrum

Dreieckiges Verkehrsschild mit rotem Rand und weissem Hintergrund, das eine schwarze Silhouette einer Person zeigt, die mit einer Schaufel arbeitet – ein typisches Symbol für eine Baustelle oder Strassenarbeiten.
Foto: Mark König auf Unsplash

Die Redaktion präsentiert jeden Dienstag die Geschichten, die sie bewegt, aufgerüttelt oder zum Nachdenken angeregt hat.

Dass die Nachfrage nach KI-Infrastruktur allen Bubble-Bedenken zum Trotz weiter steigt, dürfte nicht überraschen. Überraschen dürfte hingegen, mit welcher Geschwindigkeit dies offenbar geschieht. Massgebend dabei sind für einmal nicht die Zahlen mit den vielen Nullen, welche sich OpenAI, Oracle, NVIDIA, Microsoft etc. gegenseitig überweisen, sondern die von Google effektiv verbaute Rechenleistung. Und die wächst, zumindest gemäss einem Bericht von CNBC, momentan exponentiell. 

CNBC beruft sich dabei auf eine Google-interne Veranstaltung zur Google Cloud, bei welcher die Aussage fiel, dass Google die Rechenleistung alle 6 Monate verdoppeln müsse, um der Nachfrage aus dem KI-Bereich gerecht zu werden. Das wäre dann innert 2 Jahren eine Versechzehnfachung, und selbst wenn die im Artikel erwähnten Leistungssteigerungen bei den CPUs etc. realisiert werden können, braucht das trotzdem noch eine ganze Reihe zusätzlicher Rechenzentren. Rechenzentren, welche bereits in Bau sein müssten, um dann rechtzeitig bereitzustehen.

Den KI-Rechenzentren dürfte es da dann ähnlich ergehen wie der Legende nach dem König, dem die Erfindung des Schachspiels zugeschrieben wird. (Erstes Feld des Schachbretts ein Weizenkorn, auf das zweite die doppelte Anzahl usw.).

Big Tech nimmt soziale Probleme bewusst in Kauf

«Dass es Menschen gibt, die eine enge Beziehung mit dem Chatbot glauben einzugehen, sei OpenAI bewusst,» schreibt Heise in einem kürzlich veröffentlichten Artikel. Und trotzdem schafft OpenAI weiter an Modellen, die sich möglichst persönlich anfühlen.

Meta startete 2020 ein Projekt, das herausfand, dass schon eine Woche Abstinenz von Facebook und Instagram Depression, Angst, Einsamkeit und den Druck zum sozialen Vergleich reduziere, wie die TAZ berichtet. Die Studie wurde dann begraben, angeblich wegen methodischer Mängel. Wenn Meta aber wirklich an entsprechenden Resultaten interessiert gewesen wäre, hätten sie die Studie ohne diese Mängel nochmals neu aufgesetzt. Es ist also gut möglich, dass einfach das Resultat Mark Zuckerberg nicht genehm war.

Während anderswo Technikfolgenabschätzungen notwendig sind, scheint hier die Steigerung des Suchtverhaltens also erwünscht zu sein, weil lukrativ.

Um so fragwürdiger ist es, wieso unser Bundesrat die Vergesellschaftung dieser Kosten weiterhin in Kauf nehmen will. Mindestens mehrere Jahre lang, möglicherweise für immer, je nachdem, wie die Zollverhandlungen umgesetzt werden.

Big Tech noch behördentauglich?

«Die Auslagerung von sensitiven Personendaten durch öffentliche Organe in Cloud-Lösungen internationaler Anbieter ist in den meisten Fällen unzulässig,» liess Privatim, die Konferenz der schweizerischen Datenschutzbeauftragten, verlautbaren. Die Nutzung von SaaS-Lösungen internationaler Anbieter für öffentliche Organe sei nur dann zulässig, wenn besonders schützenswerte oder einer gesetzlichen Geheimhaltungspflicht unterstehende Personendaten vom entsprechenden Organ selbst verschlüsselt werden. Der Cloud-Anbieter dürfe dabei keinen Zugang zum Schlüssel haben.

Übersetzt heisst das: Cloud-Lösungen von ausländischen Providern sind nur dann rechtmässig einsetzbar wenn entweder keine schüztenswerten Daten in der Cloud gespeichert werden, oder die Verschlüsselungssoftware von einem anderen Provider stammt.

Verlorene Passwörter zum ersten

Eine der weltweit führenden Forschungsvereinigungen im Security-Bereich hat die Ergebnisse ihrer jährlichen Führungswahl annulliert, nachdem jemand vom Wahlbüro einen Verschlüsselungsschlüssel verloren hatte, der zum Entsperren der Ergebnisse eines überprüfbaren und datenschutzfreundlichen Wahlsystems benötigt wurde.

Die International Association of Cryptologic Research (IACR) teilte am Freitag mit, dass die Stimmen mit Helios abgegeben und gezählt wurden, einem Open-Source-Wahlsystem, das erlaubt Stimmen überprüfbar, vertraulich und datenschutzfreundlich abzugeben und zu zählen. Helios verschlüsselt jede Stimme so, dass die Geheimhaltung jedes Stimmzettels gewährleistet ist. Andere von Helios verwendete Kryptographie ermöglicht es jedem Wähler, zu bestätigen, dass sein Stimmzettel fair gezählt wurde. Dabei agieren drei Vertreter des Wahlbüros als Vertrauenspersonen, welche jeweils einen Drittel des Schlüssels verwalten, mit welchem die Wahlresultate gesichert sind. Einer der drei Vertreter hatte den Zugriff auf seinen Schlüssel verloren. Daher konnten nach erfolgter Wahl die Wahlresultate nicht mehr gelesen und veröffentlicht werden.

Die Wahl wird nun im Dezember wiederholt. Zusätzlich wird das System so angepasst, dass zwei von drei Schlüsseln ausreichen, um die Wahlresultate auszulesen.

Verlorene Passwörter zum zweiten

Ob es schlau ist, Computer-Hardware in den eigenen Körper einzubauen, wollen wir mal offen lassen. Ein reales Risiko dabei hat der US-amerikanische Zauberkünstler Zi Teng Wang erlebt. Er liess sich einen RFID-Chip in die Hand implantieren, um ihn in Zaubertricks mit Teilnehmenden aus dem Publikum zu verwenden. Unter anderem programmierte er den Chip so, dass er eine URL auf ein Meme zurückgab, wenn man ihn mit einem geeigneten Smartphone scannte. Das ging so lange gut wie die URL gültig war. 

Als er diese ändern wollte, stellte er fest, dass er das Passwort für den RFID-Chip vergessen hatte. Das mag im konkreten Fall relativ harmlos sein (da ja keine lebensrelevante Cyborg-Funktion damit verbunden ist). Falls Menschen je auf die Idee kommen, körperliche Funktionen durch «intelligente» Implantate zu erweitern, tun sie gut daran, deren hoffentlich vorhandenen Passwörter gut zu sichern. Sonst bleibt ihnen, wie im Beispiel Zi Teng Wang, nur die Wahl zwischen einem Brute Force-Angriffen (d.h. dem Durchspielen aller möglichen Passwörter über Wochen oder Jahre) und einem erneuten operativen Eingriff.

Und schliesslich

  • Ein neues Feature auf Twitter/X zeigt die Herkunft von Accounts an. Das gefällt nicht allen Userinnen und Usern. So gab es diverse patriotische «US»-Accounts, die aus Europa oder Asien betrieben werden.
  • Unter dem Titel «Das Ende der digitalen Naivität» hat Reto für eine NZZ-Beilage einen Text geschrieben, warum die Schweiz ihre Souveränität im digitalen Raum verteidigen muss. Nachzulesen in diesem Linkedin-Posting.
  • Nur, weil auf einem Clouddienst «Europa» draufsteht, muss er noch lange nicht weniger ausbeuterisch oder gar ethisch betrieben sein. So ist die italienische Beteiligungsgesellschaft Bending Spoons auch dabei, bei ihren Akquisitionen die Preise zu erhöhen und die Belegschaft (und damit den Service) zu reduzieren, schreibt Follow the Money. Zu den betroffenen Firmen zählen bekannte Namen wie WeTransfer, Evernote, Komoot und Meetup.

Zitat der Woche

SZ: Also sind Sie für eine harte Regulierung der sozialen Medien und Plattformen?

Jan Böhmermann: Absolut. Bitte. Ja. Man muss diese Plattformen zwingend regulieren und als das behandeln, was sie sind: Medienkonzerne, Verlage, die gewerbsmäßig Inhalte verbreiten. Und bis es so weit ist, oder wenn man das nicht so schnell schafft, dann sollten wenigstens Politiker, Abgeordnete und Minister, Behörden, alle staatlich finanzierten Institutionen dort umgehend raus! Warum hängen Staatssekretäre und Bürgermeisterinnen auf Twitter herum? Warum sind Abgeordnete auf Tiktok?

Jan Böhmermann im SZ-Interview mit Alexander Gorkow und Nils Minkmar.

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