Vogt am Freitag: Parlamentslop

KI-generierte Dokumente generieren in vielen Unternehmen Leerläufe und kosten Millionen. Der Begriff dafür heisst «Workslop». Kolumnist Reto Vogt findet: Slop gibt’s auch in der Politik.

Workslop – klingt zunächst wie ein Schreibtisch aus einem schwedischen Möbelhaus, steht aber für KI-generierte Dokumente oder Präsentationen, die zwar gut aussehen, aber für Kolleginnen und Kollegen im Unternehmen Mehrarbeit bedeuten. Teure Mehrarbeit: Bis zu 186 Dollar pro Person und Monat könne Workslop, frei übersetzt «Arbeitsabfall», kosten, haben Forschende in einer noch laufenden Studie herausgefunden.

Ist «Slop» nur ein KI-Phänomen? Mitnichten. Zu den fleissigsten Sloppern gehören auch Politikerinnen und Politiker, die mit sinnlosen Vorstössen die Verwaltung auf Trab halten und deutlich mehr Steuergeld (!) verbrennen als die erhobenen 186 Dollar für KI-Müll. Vor knapp 20 Jahren schätzte der Bundesrat, dass Vorstösse im Schnitt 6120 Franken kosten. 2021 liess der damalige Bundeskanzler Walter Thurnherr verlauten, dass sich die Kosten «je nach Komplexität des Vorstosses stark unterscheiden können». Aktuellere Zahlen gibt es nicht.

Slop ist kein KI-Phänomen

Tatsächlich unterscheiden sich nicht nur die Kosten, sondern auch die Sinnhaftigkeit politischer Vorstösse. Ich will gewählten Parlamentarier:innen keineswegs absprechen, von ihrem Recht Gebrauch zu machen. Manchmal bleibt aber auch mir nur noch das Kopfschütteln. Und zwar bei Parlamentslop!

Ein aktuelles Beispiel gefällig? Ich hole kurz aus:

Am 14. März 2024 stimmt der Nationalrat über das E-ID-Gesetz ab und nimmt es mit überwiegender Mehrheit an. Nur 12 Nationalrät:innen sagen «Nein», 175 nehmen es an. Zu Letzteren gehört der FDPler Olivier Feller aus dem Waadtland. Ich gehe davon aus, dass Feller gelesen hat, worüber er abstimmt. Aber augenscheinlich hat er dies nicht getan, oder es in den vergangenen 18 Monaten wieder vergessen.

Motion, Postulat und Slop?

Denn ziemlich genau anderthalb Jahre später, am 15. September 2025, will Feller im Rahmen der Fragestunde im Nationalrat wissen: «Werden selbst intime Daten wie beispielsweise die Grösse der Unterwäsche auf der E-ID vermerkt?» Er referenziert die Abstimmungskampagne. Dort werde regelmässig behauptet, dass Privatunternehmen die E-ID verstärkt dazu verwenden könnten, um Zugriff auf persönliche oder sogar intime Kundendaten zu erhalten. Ob der Bundesrat der Ansicht sei, «dass ein Unternehmen wie Zalando durch die E-ID tatsächlich mehr Informationen über uns erhalten würde, als es heute bereits besitzt?»

Zu solchem Parlamentslop fällt mir nicht mehr viel ein. Ausser fünf Fragen:

  1. Warum liest Feller nicht (nochmal) das Gesetz, das er schon mal verabschiedet hatte? Das hätte seine Frage bereits beantwortet. Mit Nein.
  2. Zählt die «Grösse der Unterwäsche» wirklich zu intimen Daten? Da würden mir noch ganz andere Dinge einfallen. (Die aber auch nicht «auf der E-ID» gespeichert werden).
  3. Wie absurd ist es, dass sich die Verwaltung mit Unterhosengrössen beschäftigen muss? (Auf einer Skala von 1 bis 10 ist es mindestens 12.)
  4. Was macht ein Parlamentarier, der solche Fragen stellt, eigentlich mit den übrigen 99 Prozent seiner Zeit?
  5. Wie erklärt Feller Bürgerinnen und Bürgern, dass Steuergeld dafür draufgeht, absurde Kampagnenslogans in der Fragestunde zu wiederholen?

Nein, es sind sogar sechs Fragen, weil mir das Wort Slop zu gut gefällt:

Sechstens: Sollte man «Parlamentslop» – oder einfach nur «Slop» – offiziell als neue Kategorie neben Motion, Postulat, Interpellation und Anfrage im Bundeshaus einführen? Das würde definitiv die Spreu vom Weizen beziehungsweise die die Designer-Politik von der Billig-Kollektion trennen.

Slop in Übergrösse

Fellers Unterhosenfrage ist kein Einzelfall. Es ist einfach ein absurd-aktuelles Beispiel dafür, dass Parlamentarier:innen gerne die Verwaltung für nichts und wieder nichts beschäftigen.

Ah, und der Bundesrat hat – via Verwaltung – tatsächlich eine Antwort geliefert: «Es gibt keine gesetzliche Grundlage, die es den Bekleidungsanbietern erlaubt, die Vorlage der E-ID oder eines Teils davon zu verlangen.» Damit ist amtlich: Die E-ID weiss nichts über unsere Unterwäsche. Aber das Parlament produziert regelmässig Slop in Übergrösse.

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