DNIP Briefing #10: Gefährliche Allianzen

Stilisierter Erdball, der die Verstrickungen von Big Tech und Politik zeigt.
Erstellt durch DNIP mit Dall-E

Die Redaktion präsentiert jeden Dienstag die Geschichten, die sie bewegt, aufgerüttelt oder zum Nachdenken angeregt hat.

Das Recht, eine Begnadigung auszusprechen, kennen nur wenige Demokratien. In den USA ist es gang und gäbe, dass Präsidenten kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit nochmal eine gewisse Anzahl Menschen begnadigt. So hat auch Joe Biden nur wenige Stunden vor der Amtsübergabe entschieden, dass mehr als 2500 Personen aus dem Gefängnis entlassen werden sollen, um «historisches Unrecht zu korrigieren».

Gleich zu Beginn nach seiner Amtseinführung machte auch der neue Präsident Donald Trump von seinem Recht Gebrauch und begnadigte kurz nach seinem Amtsantritt Tausende seiner Anhänger, die am 6. Januar 2021 seinem Aufruf gefolgt waren, das US-Kapitol zu stürmen.

Whistleblowerin wurde nicht begnadigt

Reality Winner blieb eine Begnadigung verwehrt. Die NSA-Mitarbeiterin hatte 2017 ein streng geheimes Dokument an die Presse weitergegeben. Das legt nahe, dass Russland versucht hat, die US-Präsidentschaftswahl 2016 zu beeinflussen (die Wahl, in der Trump zum ersten Mal Präsident wurde). Dafür verbüsste die Whistleblowerin drei Jahre Haft. Ihr Schicksal erinnert, wie viel Mut es kostet, die Wahrheit ans Licht zu bringen – und welchen Preis Whistleblowerinnen dafür zahlen. Das ZDF zeigt den Spielfilm zum Fall.

Nicht aus der Haft, sondern aus dem Job entlassen, hat Trump etliche Mitglieder des Cyber Safety Review Boards, das damit nicht mehr funktionsfähig ist, obwohl seine Aufgabe u.a. das Aufdecken der Hintergründe hinter diversen ausländischen Cyberspionageangriffen auf die USA war. Gleichzeitig wurden die Informationsseiten zu (speicher-)sicherer Softwareentwicklung gelöscht und sind nur noch auf privaten Archivseiten verfügbar. Cybersicherheit wird scheinbar in der Trump-Administration aktiv untergraben. (Eine Liste aller Änderungen durch Präsidialverfügungen („executive orders“) ist z.B. hier zu finden.)

Anbiederung zum Selbstzweck

Tech-Milliardäre geben sich ja gerne so, als hätten sie Regierungen nicht nötig. Um so erschreckender war mitanzusehen, wie sich alle in der letzten Woche beim neuen US-Präsidenten angebiedert haben. Vermutlich, weil sie hoffen, so ihre Regierungsaufträge behalten bzw. ausbauen zu können. Oder gar an ganz neue Subventionen zu kommen. Die angebliche «finanzielle Unabhängigkeit», die ein Milliardenvermögen mit sich bringt, reicht scheinbar nicht weit.

Fast schon in vorauseilendem Gehorsam änderte Mark Zuckerberg die Spielregeln für seine Plattformen Facebook und Instagram. Änderungen und Anbiederungen bei grossen (sozialen) Medien scheinen an ihren User:innen nicht spurlos vorbeigegangen zu sein. So hat die Anzahl der «Monthly Active User» im Fediverse (Mastodon, Pixelfed, Peertube uvam.) im vergangenen Monat um knapp 40 % zugenommen.

Europol will Big Tech in die Verantwortung nehmen

Catherine De Bolle, die Chefin von Europol, hat gegenüber der Financial Times (archive.is-Link) erklärt, dass sie das WEF in Davos nutzen werde, um Big Tech an seine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zu erinnern. Offenbar beinhaltet diese Verantwortung auch, E2EE zu verhindern oder mit einer Backdoor auszustatten. Aus Sicht von Catherine De Bolle ist Anonymität jedenfalls kein Grundrecht. Sie nutzt als Vergleich dann allerdings eine verschlossene Tür, welche die Polizei ja nicht vom Eindringen in ein Haus abhalte. Dabei blendet sie allerdings aus, dass ihre Forderungen darauf hinauslaufen, Nachschlüssel aller Türschlösser bei der Polizei zu deponieren oder separate Türen mit nur der Polizei ausgehändigten Schlüsseln zu installieren.

Da sie für einmal nicht die bereits bekannten Themen wie Kinderschutz oder Terrorismus bemüht, sondern durch E2EE gleich die Demokratie als ganzes in Gefahr sieht, dürfte auch 2025 genügend Diskussionsstoff am Thema vorhanden sein. Gleichzeitig hat die Electronic Frontier Foundation (EFF) in den USA in einem Gerichtsverfahren erstritten, dass geheime Durchsuchungen elektronischer Kommunikation ohne spezifische gerichtliche Anordnung nicht erlaubt sei.

Weniger KI-Chips für die Schweiz?

Das «Transatlantic Data Privacy Framework», der Nachfolger für die geplatzten «Safe-Harbor»- und «Privacy Shield»-Absprachen und Grundlage auch für die Schweizer Datentransfers in die USA, steht ebenfalls auf der Kippe. Denn Trump hat mehrere Mitglieder des dafür notwendigen Kommittees aufgefordert, «freiwillig» zurückzutreten. Dies würde die Handlungsfähigkeit als auch die Unabhängigkeit des Gremiums untergraben.

Dazu passt de Entscheid der USA, den Zugang der Schweiz zu KI-chips einzuschränken. Entsprechend schwierig wird es, die leistungsfähigsten KI-Chips zu bekommen. Gegen solche und andere Diskriminierungen liesse sich einfacher ankämpfen, wenn man nicht immer glauben würde, man könne Probleme ohne starke Allianzen lösen.

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