FDP-Nationalrat Philippe Nantermod fordert in einem aktuellen Vorstoss, die «Tyrannei des Datenschutzes» zu stoppen. Kolumnist Reto Vogt hat Fragen. Und ein paar Antworten.
Welche zehn Websites haben Sie in den letzten sechs Monaten am häufigsten besucht, Herr Nationalrat Nantermod? Mit wem chatteten Sie zuletzt auf Facebook und an welchen Orten hielten Sie sich am meisten auf? Mit welchen Konzernchefinnen und -chefs haben Sie zuletzt gesprochen – und worüber? Antworten gerne an reto.vogt@dnip.ch oder noch besser: Gleich unterhalb dieser Kolumne als öffentlicher Kommentar.
Transparenz in diesen und vielen weiteren Fragen zu schaffen, dürfte Ihnen nicht schwerfallen. Schliesslich fordern Sie den Bundesrat in einem aktuellen Postulat auf, das den populistischen Titel «Die Tyrannei des Datenschutzes stoppen» trägt, Erleichterungen in der Datenschutzgesetzgebung vorzulegen. Ihnen zufolge sollen Bestimmungen gelockert, extensive Auslegungen der Gesetzgebung verhindert und die Interventionen des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (Edöb) bei Privaten begrenzt werden».
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ToggleVeröffentlichen Sie Ihre Daten, Herr Nantermod
Philippe Nantermod, seien Sie konsequent und zeigen Sie, wie viel (beziehungsweise wenig) Ihnen Ihre Daten Wert sind. Schliesslich geht es Ihnen zufolge beim Datenschutz nicht mehr darum, «die Privatsphäre von Bürgerinnen und Bürgern zu schützen», wie Sie in Ihrem Postulat begründen. Vielmehr würden die hohen Anforderungen an den Datenschutz «die zwischenmenschlichen Beziehungen unnötig verkomplizieren und den Zugang zu sehr praktischen Hilfsmitteln verhindern». Es gehe um die «Beschaffung von Daten, die gar nicht vertraulich sind». Also, kommentieren Sie jetzt, Herr Nantermod.
Ich weiss ja jetzt – noch (!) – nicht, mit wem Sie sich zuletzt zwischenmenschlich ausgetauscht haben und mit welchem «Hilfsmittel», aber ich habe trotz angeblich hohen Anforderungen an den Datenschutz keine Mühe, digital zu kommunizieren. Es ist im Fall gar nicht so schwierig: Das Hilfsmittel dazu ist eine sogenannte «App», die aus einer Art digitalem Einkaufsladen auf ein sogenanntes «Smartphone» heruntergeladen werden kann.
«Aber die Wirtschaft!!!!!!»
Aber primär gehts Ihnen gar nicht darum, wie Sie immerhin zugeben. Sie sind in der FDP und deshalb stören Sie sich vor allem an den «erhöhten Kosten für Unternehmen» und der «höllischen Bürokratie», die das Datenschutzgesetz verursacht, wie Sie begründen. Es sei ein «Innovationshemmnis» und die Schweiz müsse aufpassen, dass sie deshalb «wirtschaftlich nicht völlig den Anschluss verliere».
Das altbekannte Freisinnsargument «Aber die Wirtschaft!!!!!!» soll also die Privatsphären von allen Bürgerinnen und Bürgern beschneiden. Schliesslich könnten damit gleich zwei Fliegen mit einer Klatsche erschlagen werden: Man könne sich fragen, schreiben Sie, ob «im Bereich Datenschutz nicht erhebliche Einsparungen gemacht werden könnten». Weniger Bürokratie und weniger Einschränkungen für Unternehmen sowie tiefere Kosten für den Bund. Zwar mit Nachteilen für Bürgerinnen und Bürger, aber was solls, nicht wahr?
Die Mär von den anstrengenden Cookies
Schliesslich würden das diese sowieso nicht so sehen. Private Nutzerinnen und Nutzer hätten das Gefühl, «bevormundet zu werden und die Vorteile der neuen Technologien nicht mehr ungehindert nutzen zu können». Ich vermute, dass Sie hier von sich selbst reden und als Sekundärquelle höchstens noch einen Parteikollegen beigezogen haben. Aber lassen Sie sich eines sagen: Dass Sie die Vorteile der neuen Technologie nicht nutzen könnten, liegt nicht am Datenschutz, sondern daran, dass Sie keine Ahnung davon haben.
Exemplarisch steht dafür Ihr Beispiel von den «ewigen Cookies», die das «Surfen im Internet so anstrengend machen». Vermutlich meinen Sie die Cookie-Banner. Und die sind gemäss dem neuen Datenschutzgesetz in der Schweiz gar nicht vorgeschrieben. Und ewig sind sie auch nicht, sondern feiern heuer gerade mal den 30. Geburtstag.
Datenschutz schützt vor Überwachung, Missbrauch und Manipulation
Ich hoffe schwer, dass der grosse Rest des Nationalrats vernünftig ist und das Postulat bachab schickt. Letztlich geht es beim Datenschutz nicht nur um Bürokratie und Mehrkosten, sondern um den Schutz unserer Privatsphäre und damit um ein Grundrecht, das allen Bürgerinnen und Bürgern zusteht. Herr Nantermod, statt die «Tyrannei des Datenschutzes» zu beklagen, könnte Sie sich fragen, warum die Kontrolle über die eigenen Daten für alle von so grosser Bedeutung sind – auch für Sie selbst. Datenschutz schützt alle vor Überwachung, Missbrauch und Manipulation.
Wenn das der Preis für ein bisschen Bürokratie ist, dann zahle ich ihn gern. Sie nicht?
3 Antworten
Wie hat den der Herr Natermod bei der Offenlegung der wirtschaftlichen Verflechtungen unserer Parlamentarier gestimmt?
Ahh – ja, das dient auch der Wirtschaft – habe ich fast vergessen
Philippe Nantermod (beziehungsweise ChatGPT) hat mir per Mail auf die Kolumne geantwortet. Bemerkenswert finde ich insbesondere den Schluss der E-Mail, die 500 Wörtli vorher sind eher weniger aufschlussreich:
“Diese Zusammenfassung strukturiert Ihre Argumente und bringt die verschiedenen angesprochenen Punkte kohärent zusammen.
Mit freundlichen Grüssen
Philippe Nantermod”
Da fordere ich den umgehenden Rücktritt dieses ‘Vasallen’ von ‘Great Reset’ und der allgemeinen Tendenz, dem Bürger – also seinem parlamentarisch gesehenen Herrn und Meister (Souverän) – frei nach EU und auch UNO Bestreben seine Privatsphäre zu nehmen.
Passt doch wunderbar zum allgemeinen Rechtsrutsch in europäischen Ländern, doch Privatsphäre oder Postgeheimnis usw sind durch die Verfassung geschützt. Es wird konsequent daran zum Nachteil der Bürger gedrückt und gewürgt.
Natermod ist also bei den Ersten, welche die Chatkontrolle 2.0 der EU auch für die Schweiz durchwinken wollen, weil Privatsphäre nichts zu bedeuten hat? Sicher liebt er den Digitalen Service Act (DSA) damit alle die Hosen runterlassen müssen. Leider auch die Wirtschaft.
Das ist dann die Zeit, sich der Digitalisierung zu Verweigern, Kommunikation sicher vollverschlüsselt trotz Verbot zu tätigen, Pro- Parlamentarier wegen Verfassungsverletzung anzuzeigen und das System zu bekämpfen – dann ist es gegen den Bürger und Souverän.
Wir brauchen eine neue Verfassung.