Bundeskanzler Viktor Rossi spricht an einer Konferenz über die digitale Transformation der Bundesverwaltung – in der Heimat von Google. Kolumnist Reto Vogt findet das problematisch.
«Digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung: Innovativ, aber bitte ohne Risiken?» lautete der Titel des Referats von Bundeskanzler Viktor Rossi am Swiss Smart Government Days, der diese Woche über die Bühne ging. Rossi hat trotz seines Titels bei weitem nicht so viel Macht in der Schweiz, wie seine Kolleginnen und Kollegen mit der gleichen Bezeichnung im Ausland. Dennoch ist seine Behörde mächtig, zum Beispiel wenn es um Verträge mit Big-Tech-Konzernen wie Microsoft, AWS, Oracle oder IBM geht.
Aufmerksamen Leser:innen ist nicht entgangen, dass ein wichtiger Hyperscaler in der Aufzählung fehlt: Google. Das ist kein Zufall. Der Konzern ging nicht nur bei der Vergabe der Public-Cloud-Verträge im Jahr 2021 leer aus, sondern nun auch noch bei deren Verlängerung bis 2031, die Rossis Bundeskanzlei kürzlich verkündete. Klammerbemerkung: Google beschwerte sich kurz nach der Vergabe gegen die Beschaffung durch die Bundeskanzlei, zog diese aber später zurück. Die Erfolgsaussichten waren zu gering, wohl wegen eines Formfehlers: Hätte sich Google gegen die Ausschreibung gewehrt, nicht gegen die Vergabe – die Erfolgsaussichten wären weitaus besser gewesen. Das zwitscherten mir damals zumindest einige Vögelchen zu, die es wissen müssen.
Google lobbyiert, Bund schweigt
Zurück in die Gegenwart. Es steht eine weitere wichtige Ausschreibung des Bundes bevor. «Mit der Swiss Government Cloud (SGC) soll im BIT zwischen 2025 und 2032 eine neue, auf die Anforderungen und Bedürfnisse des Bundes zugeschnittene Hybrid-Multi-Cloud-Infrastruktur aufgebaut werden», heisst es vom Bundesamts für Informatik. Eine weitere Chance für Google, ein lukrativer Vertrag mit der Eidgenossenschaft zu unterschreiben.
Und ausgerechnet in diesem Moment lädt Google Schweiz zum Swiss Smart Government Day. Offiziell organisierte zwar die Universität St. Gallen den Anlass, aber Google hat den Veranstaltungsort zur Verfügung gestellt, wie die «Republik» gestern publik gemacht hat. Rossi hat seine Eröffnungsrede, die im Wortlaut hier nachzulesen ist, also im Schweizer Hauptquartier von Google gehalten.
Das halte ich – aus denselben zwei Gründen, wie die «Republik» gestern schon anmerkte – für problematisch:
- Der Bund verschweigt den Veranstaltungsort, sondern spricht nur von «Zürich». Er spielt gewissermassen «Versteckis» mit der Öffentlichkeit.
- Zu den weiteren Referierenden zählten Personen mit klingenden Funktionen wie «Head of Sales Engineering Alps Google Cloud», «Public Sector Lead Google Cloud» und «Account Director Public Sector Google Schweiz».
Google stellt seine Räumlichkeiten nicht aus purem Eigennutz zur Verfügung. Dies ist an Bedingungen geknüpft. Eine davon: Dass eigene Rednerinnen und Redner an der Konferenz auftreten dürfen, die dann direkt oder indirekt die Marketingbotschaften des Konzerns runterbeten. So stellt Google sicher, den Swiss Smart Government Day als Lobbying-Plattform zu nutzen, während der Bund und Rossi so tun, als wäre das eine neutrale Fachkonferenz.
Wohin des Wegs?
Die Frage aus seinem Referatstitel – «aber bitte ohne Risiken?» – beantwortete der Bundeskanzler so: «Einen innovativen Staat gibt es nicht risikofrei. Wer einen innovativen Staat will, muss ihm zugestehen, Risiken einzugehen. Und Fehler müssen möglich sein.» Grundsätzlich würde ich Rossi Recht geben. Aber unter dem Dach eines amerikanischen Cloud-Konzerns von mehr Risikobereitschaft zu sprechen, ist dennoch zynisch.
«Wir befinden uns auf gutem Weg» schloss Viktor Rossi sein Referat. Diese Woche führte der Weg direkt ins Zürcher Büro von Google. Ob er auch zu einem Bundesvertrag mit dem Konzern führt, wird sich zeigen. Die anderen Hyperscaler werden ein Auge darauf haben. Unter den knapp 40 Speakerinnen und Speaker befanden sich exakt null von Microsoft, null von AWS, null von Oracle und – Sie haben richtig geraten: null von IBM.
Kein Wunder spielte der Bund Versteckis.