Vogt am Freitag: Auserwählt

Bundesparlamentarierinnen und Parlamentarier sollen von einer KI unterstützt werden. Der gewählte Ansatz überrascht selbst Kolumnist Reto Vogt, der aber doch noch ein paar Haare in der Suppe gefunden hat.

Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats (SIK-N) fordert einen KI-Assistenten für Ratsmitglieder. Dieser soll die Parlamentarierinnen und Parlamentarier in ihrer täglichen Arbeit unterstützen. Meine erste Reaktion auf dieses Ansinnen war: «Das ist nicht zu fassen!». Ich ging davon aus, dass das Parlament in einer mehr oder weniger offen formulierten Ausschreibung einfach eine Team-Lizenz von ChatGPT beschaffen will.

Aber ich lag falsch. Im Motionstext fordert eine Mehrheit der SIK (15 zu 9 Stimmen), dass der KI-Assistent auf einem «Open-Source-Sprachmodell basiert, das auf die Bedürfnisse der Legislative zugeschnitten und mit den relevanten Datenbanken des Bundes verbunden ist». Das Modell solle auf einer «auf einer souveränen Schweizer Infrastruktur gehostet werden», um die Unabhängigkeit der Antworten von ausländischen Einflüssen sicherzustellen.

Weitsichtig und kurzsichtig zugleich

Dieses Vorhaben ringt mir Respekt ab. Die Kommission beweist Weitsicht, agiert proaktiv und liefert auch gleich noch die richtige Begründung dafür: «Mehrere Ratsmitglieder nutzen bereits KI-Chatbots wie ChatGPT oder Claude, um Texte zu analysieren, Vorstösse auszuarbeiten oder Dokumente zusammenzufassen.» Diese Tools seien zwar nützlich, aber es bestehe unter anderem die Gefahr, dass «sensible Informationen den sicheren Rahmen des Bundes verlassen» oder von einem Bias beeinflusst würden. All das ist korrekt.

Sicher ist auch: Bis die Idee konkret wird, fliesst noch viel Wasser die Aare hinunter. Über den Vorstoss entscheiden letztlich der National- und der Ständerat. Stimmen beide zu, erhält das Büro des Nationalrats den Auftrag, eigens für die Mitglieder der Bundesversammlung einen Assistenten für Künstliche Intelligenz entwickeln zu lassen. Chancenlos ist das Projekt meiner Meinung nach nicht. In der Kommission sprach sich lediglich eine bürgerliche Minderheit dagegen aus – «lustigerweise» mit der Begründung, der Datenschutz sei nicht gewährleistet. Damit bewiesen die Nein-Sagerinnen und Nein-Sager vor allem eines: ihre Unkenntnis im Thema.

Warum nicht SwissGPT statt AdminGPT?

Denn, trotz aller Sympathie für das Projekt, gibt es durchaus auch gute Gründe, nicht nur zu applaudieren. Mich beschäftigt zum Beispiel die Frage: Warum schlägt die Kommission nur einen «AdminGPT», also eine KI ausschliesslich für Parlamentarierinnen und Parlamentarier vor? Ich finde die ganze Bevölkerung hat es verdient, ein vom Ausland unabhängiges, auf Schweizer Servern betriebenes, quelloffenes KI-Modell nutzen zu dürfen.

Eine vertrauenswürdige, datensouveräne Alternative zu ChatGPT & Co. fehlt nicht nur dem Parlament, sondern allen: Journalistinnen und Journalisten, Unternehmen, Lehrpersonen, Behörden, Bürgerinnen. Der Bund hätte hier die Chance, mit einer offenen Infrastruktur ein öffentliches Gut zu schaffen, statt bloss ein exklusives Werkzeug für sich selbst.

Wenn also schon Geld in die Hand genommen wird, um eine Schweizer KI zu entwickeln, dann bitte nicht nur für 246 Auserwählte, sondern eine für alle. Natürlich: Die Anforderungen an ein parlamentarisches Tool unterscheiden sich von einem allgemeinen Chatbot für die Bevölkerung. Und es spricht auch nichts dagegen, dass das Parlament als erste Institution mit einem spezifisch trainierten Modell arbeitet. Aber wenn der Bund schon Infrastruktur, Datenanbindung und Open-Source-Entwicklung finanziert, wäre es fahrlässig, die Anwendung auf die Politik zu beschränken. Der Auftrag der Kommission müsste meines Erachtens zwingend lauten: Erst AdminGPT, dann SwissGPT. (Über die Namen können wir natürlich noch diskutieren.)

Wer trainiert das Modell und wie unabhängig ist es?

Doch selbst wenn es beim Einsatz unter der Bundeshauskuppel bleibt, sind weitere wichtige Fragen zu klären: Wie unabhängig ist der AdminGPT? Wer trainiert das Modell und mit welchen Daten? Auch ein Open-Source-Modell muss gepflegt, überwacht und, ja, letztlich auch politisch gesteuert werden. Das birgt Risiken – gerade bei einem Werkzeug, das Argumente liefert, Anträge formuliert und potenziell Debatten prägt.

Und nicht zuletzt muss sichergestellt werden, dass keine Ungleichheit im Parlament entsteht: Wie verändert ein KI-Assistent die Arbeit von Parlamentarierinnen und Parlamentariern? Was passiert, wenn einzelne Ratsmitglieder keine KI nutzen wollen oder können? Erhalten alle eine entsprechende Weiterbildung? Ob AdminGPT dereinst tatsächlich ein Fortschritt wird oder nur ein weiteres digitales Feigenblatt, hängt auch davon ab, wie gut es Nutzerinnen und Nutzer verstehen und damit umgehen können.

PS: Falls jemand Schulungen plant: Ich kenne da ein Institut mit KI-Kompetenz. 😉

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