Vogt am Freitag: Tschau mit Au

Während der Kanton Basel-Stadt seine Verwaltung in die Microsoft-Cloud schiebt, geht Kolumnist Reto Vogt den umgekehrten Weg und hat sich in den letzten Wochen von vielen US-Diensten verabschiedet.

Ich habe Schluss gemacht. Mit Google, WordPress, Dropbox und fast mit Meta. Nicht weil die Anbieter einen schlechten Job gemacht hätten, sondern weil ich keine Lust mehr hatte, meine Daten freiwillig in die Arme von US-Konzernen zu werfen. Denn als Privatperson verliere ich damit nicht nur die Kontrolle darüber, was mit meinen Daten passiert, sondern bin letztlich auch dem Goodwill einer fremden Rechtsordnung ausgeliefert – inklusive Zugriff durch US-Behörden, Blackbox-Algorithmen, undurchsichtiger Profilbildung und kommerzieller Nutzung.

Deshalb wollte ich raus. Raus aus dem Convenience-Käfig, rein in die Selbstbestimmung. Und so begann mein Selbstversuch: Digitale Entamerikanisierung, powered by Datenschutz, Idealismus – und ein bisschen Trotz.

Seit wenigen Wochen laufen meine Websites also nicht mehr bei WordPress.com, sondern auf einem eigenen Webserver bei einem Schweizer Hoster. Den bisherigen Google-Workspace-Account habe ich gekündigt und durch eine Mailbox mit eigener Domain beim gleichen Provider ersetzt. Statt Dropbox nutze ich Mycloud von Swisscom und das Android-Phone habe ich durch ein zwar immer noch amerikanisches aber doch datenschutzfreundlicheres iPhone ersetzt. Statt via Chrome surfe ich mit Vivaldi, Outlook gibt’s nicht mehr – stattdessen Edison Mail und Fantastical. Und die sozialen Kanäle aus dem Hause Meta sind schon längst gelöscht, genauso wie Ex-Twitter. So.

Whatsapp, Google-Suche und ChatGPT sind geblieben

Ganz gekappt ist der Draht nach Amerika noch nicht. Gruppenchats ohne Whatsapp? Aktuell noch nicht denkbar. Und genauso wenig komme ich von Google als Suchmaschine weg, mit allen ausprobierten Alternativen war ich nicht zufrieden. Und auch das ChatGPT-Plus-Abo würde ich aktuell nicht missen wollen, nehme mir aber immerhin ständig vor, mehr mit Lechat von Mistral zu chatten.

Zumindest für mich als Einzelperson mit etwas Technikaffinität waren die Wechsel vergleichsweise einfach. Ich musste keine Altlasten migrieren, keine Abteilungen schulen, keine vertraglichen Stolperfallen klären. Nach etwas Recherche und einem halben Tag Arbeit stand das neue Setup. Ich gebe zu, es hat mich Überwindung gekostet, überhaupt damit anzufangen. Aber es ging flotter als ich dachte.

Wenn Behörden rauswollen, braucht es Mut

Bei Behörden und Unternehmen ist das natürlich anders. Dort sind Altlasten die Regel, Schulungen Pflicht und jede Veränderung ein politisches oder zumindest bürokratisches Projekt. Es geht nicht nur um Software, sondern um Ausschreibungen, Supportverträge, Datenschutzgutachten und Zuständigkeiten. Wer da raus will, braucht mehr als Idealismus. Er braucht Mut. Und einen verdammt langen Atem.

Deshalb gehen viele den Weg des geringsten Widerstandes und landen genau dort, wo sie eigentlich nicht hinsollten: in der amerikanischen Cloud. Nobody gets fired for buying Microsoft, heisst es so schön. Und es ist faktisch auch so. Wer Microsoft oder Google wählt, muss keine Grundsatzdiskussion führen. Er kann auf Bewährtes setzen, auf skalierbare Infrastruktur, auf funktionierende Schnittstellen, ein gutes Security-Level und muss sich nicht vor Widerständen in der Belegschaft fürchten.

«Gefährdung für die Grundrechte der Menschen»

Ein aktuelles Beispiel dafür liefert der Kanton Basel-Stadt. Die Regierung hat entschieden, ihre Verwaltung in die Microsoft-Cloud zu verlagern – trotz der bekannten Bedenken rund um Datenschutz und Abhängigkeit von US-Konzernen. Soweit, so normal. Das tun die meisten anderen Verwaltungen auch. Neu ist die bemerkenswert scharfe Stellungnahme der kantonalen Datenschutzbeauftragten zu diesem Entscheid.  Sie spricht von einer «erhebliche Schwächung der digitalen Souveränität und eine Gefährdung für die Grundrechte der Menschen».

Ich gehe mit ihr einig – gerade angesichts des erratischen Verhaltens der Trump-Regierung. Kurz nach seiner Wahl schrieb ich in dieser Kolumne, dass mindestens vier Jahre Unsicherheit und Instabilität bevorstehen und Schweizer Kunden von US-Clouds Alternativen prüfen sollten. Dies scheint mir dringlicher denn je.

Digital souverän? Unbequem, aber lohnenswert

Mein Selbstversuch war keine Heldentat, sondern eine pragmatische Entscheidung. Weil es geht, weil es nicht besonders weh tut und weil ich sie für mich für nötig hielt. Wer heute in digitale Souveränität investiert, handelt nicht idealistisch, sondern vorausschauend. Lieber ein Tschau mit Au als ein böses Erwachen. Denn wer sich nicht damit beschäftigt, geht zumindest in der aktuellen politischen Konstellation ein Risiko ein. Kalkulieren müssen dies alle Verantwortlichen selbst.

dnip.ch mit Deiner Spende unterstützen

Wir wollen, dass unsere Inhalte frei verfügbar sind, weil wir es wichtig finden, dass möglichst viele Menschen in unserem Land die politischen Dimensionen der Digitalisierung erkennen und verstehen können.

Damit das möglich ist, sind wir auf deine Unterstützung angewiesen. Jeder Beitrag und sei er noch so klein, hilft uns, unsere Aufgabe wahrzunehmen.

14 Antworten

  1. Eine meiner Meinung nach gute Alternative zur Google-Suche ist kagi.com. Zugegeben, man ist damit im Zweifelsfall noch der US-Regierung ausgeliefert. Allerdings ist man werbe- und verfolgungsbefreit. Durch die Kostenpflicht könnte es sein, dass die Suche und man selbst nicht das Produkt ist.
    Meinungen dazu?

  2. Kannte ich ehrlich gesagt nicht – macht aber auf den ersten Blick einen guten Eindruck. Ich teile deine Einschätzung, dass das Abomodell die Suche zum Produkt macht.

  3. Danke – interessanter Artikel! Ich habe mir selber auch ähnliche Gedanken gemacht – ein Wechsel ist nicht einfach – weil unbequem und teilweise technisch anspruchsvoll für mich als Laien, wenn man mit vielen Geräten und Services im Apple-Ecosystem investiert ist. Aber ich hab es probiert:

    – keine Produkte und Services von Meta -> sind mE Kriminelle
    – von Google nur Search via Startpage, also ohne Lieferung von Metadaten -> sind mE auch Kriminelle
    – keine Produkte und Services von Microsoft
    – Threema und Protonmail/-drive, Bluesky
    – in Prüfung: Linux auf Mac Hardware; läuft leider nur vernünftig mit den älteren M1 Prozessoren. Würde Verzicht auf das Apple Eco-System bedeuten
    – in Prüfung: WordPress für blogging aufgeben und zurück zu Cyon. Der Aufwand, selber einen Blog zu designen hat mich bisher abgeschreckt.

    Kennst Du einen CH Bloghoster mit einfacher Einrichtung?

    1. Hey
      Hab das mit Linux auf Mac Hardware auch probiert, allerdings alles vor-M-Prozessoren-Ära. Ist auf Laptops ein Krampf, aber geht. Falls du, wie ich, den Schritt wagen willst: ich kann Tuxedo Computer sehr empfehlen, Linux out-of-the-box mit hohen Qualitätsansprüchen. Für das Ausbrechen aus dem Apple-Ökosystem hab ich vor Jahren begonnen, Kalender, Fotos und Kontakte in einem Synology NAS zu speichern und von dort zu synchronosieren. Seither fühl ich mich weitaus wohler. Vermisse meinen Apple Laptop überhaupt nicht.

    2. Ich bin muss ich sagen gar noch nie auf die Idee gekommen, ein WordPress direkt bei wordpress.com hosten zu lassen und ich kann mir (möglicherweise mangels Wissen und Erfahrung) kaum vorstellen, dass das dort einfacher ist wie die automatische Installation bei Cyon. Auch bei wordpress.com muss man doch sicher danach noch Dinge wie Design, Name etc einstellen. Beim Design/Template muss man dann allerdings, aber das gilt generell, prüfen, was für externe Resourcen wie Schriften von Google zum Einsatz kommen.

      Da ich sowieso meine eigene Domain haben will, nur schon alleine wegen E-Mail (die ich nicht bei Google, Microsoft & Co laufen lassen will, seit je her), braucht es einen Hostingprovider, idealerweise im eigenen Land. Zumindest, wenn das Land die Schweiz ist.

    1. Klar. Aber ein Gruppenchat bei Whatsapp oder Signal bedingt, dass alle Mitglieder diese Apps nutzen. Und daran hakts noch bei mir.

  4. Ecosia und Metager sind als Suchersatz wie ich finde eine gute Sache. DuckDuckGo sucht zwar indirekt bei Bing und Google und vermeidet die Weitergabe von Metadaten der Suchenden, ist aber ebenfalls in den USA angesiedelt, im Gegensatz zu Ecosia und Metager.

  5. Das schwierigste am Wechsel ist, dass überall Daten an die US-Konzernen übermittelt werden.
    Ein Beispiel: Vivaldi Browser basiert auf Chromium und bei dem Browser wurde der Google DNS 8.8.8.8 hardcoded.
    https://help.vivaldi.com/de/desktop-de/sicherheit-datenschutz/datenschutzeinstellungen/

    Ich empfehle euch die App Safing.io zu installieren und zu prüfen wo ihr überall eure Daten hinschickt.
    Dann denn DNS auf dem Gerät lokal auf 9.9.9.9 (Quad9 von der Switch) umzustellen und im Browser die Einstellung setzen, dass der DNS vom lokalen Gerät genutzt werden soll (sonst gibts ein Bypass und der Browser verwendet den hinterlegten DNS vom Browser). Am besten verwendet ihr Mozilla Firefox (mit Ublock Origin um Google fonts auf Webseiten etc. zu blockieren), Thunderbird (als E-Mail Client) oder Protonmail, ProtonVPN oder Perfect Privacy, Linux Mint als Betriebssystem und Tresorit als Cloudstorage. Und als Smartphone GrapheneOS. Damit seid ihr sehr gut unterwegs. Für Firmen kann ich den Wehcsel zu Infomaniak kSuite empfehlen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Weitere Beiträge