40 Millionen für Print-, 0 für Onlinemedien – die Schweizer Presseförderung finanziert die Vergangenheit und lässt die Zukunft verkümmern, schreibt Kolumnist Reto Vogt.
Ich bin kein geübter Autofahrer. Aber eines weiss ich: Wer ständig nur in den Rückspiegel schaut, fährt irgendwann in die Leitplanke oder baut einen noch schlimmeren Unfall.
Mir kommt die Schweizer Medienpolitik genau so vor, als wäre sie permanent mit Blick zurück unterwegs. Das Parlament hält an der Förderung von gedruckten Zeitungen fest und verzichtet auf die Unterstützung von Onlinejournalismus.
Doch von Anfang an: Von 30 auf 40 Millionen Franken wird die indirekte Presseförderung erhöht. Das hat diese Woche der Nationalrat in der Differenzbereinigung entschieden. Nur noch die Schlussabstimmung im Frühling steht aus, dann ist der Beschluss in trockenen Tüchern – und für die nächsten sieben Jahre zementiert. Diese Abstimmung dürfte eine Proforma-Übung werden, die Räte wollen das Geschäft vom Tisch haben.
Ständerat killt kanalneutrale Förderung
Mehr Geld für Presseförderung ist eine gute Sache – eigentlich. Dennoch macht mir dieser Beschluss Sorgen. Das Internet gibt es seit über 30 Jahren, doch die Politik hält immer noch an der Förderung von gedrucktem Journalismus fest, während es für Onlinemedien exakt null Franken (!) gibt.
Die Idee einer «kanalneutralen» Förderung stand zwar im Raum, doch der Ständerat hat diese versenkt und gleichzeitig auch noch die Printförderung von den anvisierten 45 Millionen auf 40 Millionen reduziert.
Keine Qualitätskriterien
Was ich am Beschluss nicht verstehe: Die Förderung bemisst sich nicht nach journalistischer Qualität oder Relevanz, sondern nach dem Trägermedium. Wer druckt, bekommt Geld – wer online publiziert, geht leer aus. Zu Letzteren zählen junge und innovative Medienprojekte wie Bajour, Hauptstadt, Republik, Tsüri und neu auch Wnti. (Und Dnip.ch). Wer nach wie vor vom Staatsbatzen profitiert sind grosse, traditionelle Medienhäuser wie Ringier oder Tamedia. In einem anderen Text verglich ich sie mit alten Schlachtrösssern.
Sie eint, dass die Reichweite ihrer Printerzeugnisse sinkt und jene der Onlinekanäle zunimmt. Das Publikum liest schon heute immer öfter nur online und weniger gedruckt. Diese Entwicklung treiben die Verlagshäuser selbst voran, in dem sie online-first publizieren. Doch wenn es um Subventionen geht, betonen sie die Wichtigkeit von Print. So sagte Tamedia-CEO Jessica Peppel-Schulz im Medienmagazin Persönlich.com: «Den Landboten gibt es weiterhin in Print, digital integrieren wir die Inhalte in den Tagi.»
Betonierte Wettbewerbsverzerrung
Ich halte den Entscheid des Parlaments für Wettbewerbsverzerrung: Junge Medienprojekte, die digitale Geschäftsmodelle entwickeln, werden benachteiligt – während grosse Verlagshäuser für ein Produkt belohnt werden, das offensichtlich ein Auslaufmodell ist.
Mit dem bald für sieben Jahre gültigen Entscheid für eine print-fixierte Medienförderung zementiert das Parlament die Vergangenheit – und verbaut die Zukunft. Statt den Blick vom Rückspiegel zu nehmen und wieder auf die Strasse zu richten, bleibt die Politik stur auf dem alten Kurs. Doch wer nur zurückschaut… Nun ja, das hatte ich ja schon geschrieben.
2 Antworten
Den Text kann ich voll unterstützen.
Ich finde es auch nicht sinnvoll, explizit nachhaltigen Journalismus (kein physischer Transport, keine Druckerschwärze, kein Papier) nicht zu unterstützen.
Stand in einer älteren parlamentarischen Diskussion zu diesem Thema nicht die Aussage im Raum „reine Online-Presseerzeugnisse gibt es nicht“? (wobei „Presse“ ja auch etwas altbacken ist, weil ja online nicht „gepresst“wird – ich vermute, der Begriff ist der Existenz der Rotationsdruckmaschinen geschuldet)
In Deutschland kann jeder Blogger Ausschüttung von VG Wort beantragen. Das sind die, die in Deutschland die Pauschalabgaben auf Drucker und Leermedien kassieren. Das ist schon seit mindestens zehn Jahren so.