Bis zum Jahresende will der Bundesrat eine politische Auslegeordnung zu Künstlicher Intelligenz vorlegen. Weil wir langsam aufs Jahresende zusteuern, «leakt» Kolumnist Reto Vogt den Text vorab.
83 Vorstösse reichten Parlamentarierinnen und Parlamentarier laut der Geschäftsdatenbank Geschäftsdatenbank des Parlaments insgesamt zu Künstlicher Intelligenz ein. Rund zwei Drittel davon in den letzten zwei Jahren, also seit ChatGPT für die breite Öffentlichkeit verfügbar ist.
Egal ob Anfragen, Interpellationen, Postulate oder Motionen, der Ablauf ist wie folgt: Der Bundesrat (beziehungsweise die zuständige Verwaltungsstelle) schreibt ein paar Wochen nach Eingang des Vorstosses eine Antwort auf die Fragen und empfiehlt das Ansinnen zur Annahme oder zur Ablehnung.
KI? Bundesrat bittet um Geduld
Beim Thema Künstliche Intelligenz war die Abstimmungsempfehlung des Bundesrats immer dieselbe: Bitte ablehnen! Und auch in den Antworten hiess es stets dasselbe, und zwar ganz egal, ob es beim Vorstoss zum Beispiel um Medien, das Gesundheitswesen, Datenschutz, Deklarationspflichten oder die Schaffung eines Transparenzregisters ging.
Die Antwort lautete stets sinngemäss: Man müsse noch abwarten. Die Regierung wolle «Ende 2024» eine «politische Auslegeordnung mit möglichen Optionen für sektorielle und wo nötig horizontale regulatorische Massnahmen im Bereich KI» erarbeiten und vorlegen. Dazu gehöre auch die Erörterung der Frage, inwiefern es eine Regelung brauche, die «über das neue Datenschutzgesetz hinausgeht».
Die «geleakte» Auslegeordnung
Weil es jetzt langsam aufs Jahresende zugeht und der Bundesrat seine Gedanken noch nicht zu Papier gebracht hat, dachte ich mir: Dann mach ich das halt. Das Management Summary des Berichts könnte wie folgt lauten:
Im Rahmen der Auslegeordnung hat der Bundesrat eingehend untersucht, wie die Schweiz ihre Innovationskraft im Bereich KI weiter stärken kann, ohne das Grundprinzip der technologischen Offenheit zu gefährden. Der Bericht legt Wert darauf, dass jegliche regulatorischen Massnahmen verhältnismässig gestaltet werden, um den Datenschutz zu gewährleisten und gleichzeitig die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz zu fördern. Durch gezieltes Beobachten und Nutzen der Chancen, die KI bietet, soll sichergestellt werden, dass die Schweiz mit dem internationalen Fortschritt mithält ohne die Forschung und Entwicklung oder die Freiheit und die Privatsphäre von Bürgerinnen und Bürgern einzuschränken.
Im Hinblick auf den Datenschutz werden Überlegungen angestellt, ob bestehende Bestimmungen, wie das kürzlich revidierte Datenschutzgesetz, ausreichen oder ob zusätzliche Regulierungen erforderlich sind, um die Integrität und Sicherheit personenbezogener Daten weiter zu schützen. Die zentralen Empfehlungen des Berichts zielen darauf ab, Risiken sorgfältig zu identifizieren, um gleichzeitig den Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten und die Entwicklung eines innovationsfreundlichen Umfelds zu fördern.
Insgesamt unterstreicht der Bundesrat die Bedeutung eines ausgewogenen Ansatzes: Der regulatorische Rahmen soll flexibel und anpassungsfähig sein, um auf neue Entwicklungen reagieren zu können. In einem internationalen Kontext wird zudem die Notwendigkeit hervorgehoben, im Dialog mit anderen Ländern zu bleiben, um gemeinsame Standards und Best Practices zu entwickeln, die den globalen Herausforderungen im Bereich KI gerecht werden.
Ich wäre überrascht, wenn der wohl kurz vor Weihnachten erscheinende Bericht über eine stark abweichende Tonalität aufweisen wird. Für jedes zuvor meinen Hirnwindungen (mit freundlicher Unterstützung von ChatGPT) entsprungene Buzzword, das es in den finalen Bericht schafft, trinke ich in der Altjahrswoche einen Schnaps. Das ist mein Bullshit-Bingo für den Bundesrat.
Regulierung nicht mit dieser Regierung
Und nun ganz im Ernst: Ich befürchte tatsächlich, dass die Auslegeordnung des Bundesrats in einer Ansammlung von Plattitüden und Schlagworten endet – ohne darin auch nur im Ansatz konkrete Massnahmen oder wenigstens Gedanken zu äussern, wie die Schweiz als Land mit Künstlicher Intelligenz umgehen will. Ich lege mich fest: Mit dieser Regierung gibt’s keine Regulierung.
Ist es unfair, den Bundesrat im Vornherein für etwas zu kritisieren, das er noch gar nicht publiziert hat? Mag sein. Ich entschuldige mich gerne, wenn es anders kommt. Nur glaube ich nicht daran.
Eine Antwort
Das mit dem Schnaps finde ich einen guten Plan.
Bewährt hat sich auch, damit man das nicht alleine tun muss, Schnaps-Schach zu spielen: Die Spielfiguren sind (gefüllte) Schnapsgläser, wer eine gegnerische Figur schlägt, muss diese austrinken.