Wie vertrauenswürdig sind Big-Tech-Unternehmen nach der Rückkehr von Donald Trump ins Weisse Haus noch? Es stehen mindestens vier Jahre Unsicherheit und Instabilität bevor. Schweizer Kunden von US-Clouds sollten Alternativen prüfen, schreibt Kolumnist Reto Vogt.
Rund eine Woche vor dem Wahltag in den USA haben die wichtigsten Tech-CEOs das Gespräch mit Donald Trump gesucht. Zu ihnen gehörten laut CNN Tim Cook von Apple, Sundar Pichai von Google, Amazons Andy Jassy und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Sie wissen, genau wie der ohnehin zum Trump-Lager zählende Elon Musk, dass Trumps zweite Präsidentschaft einen massiven Einfluss auf Themen wie Künstliche Intelligenz, Chips, Kryptowährungen und Datenschutz haben wird.
Fast sicher werde Trump den Kryptomarkt deregulieren, heisst es beispielsweise im Fortune Magazine. Auch die Kartellrechtsbehörde FTC dürfte ab Januar eine neue Leitung erhalten, wohl mit dem ZIel, dass sie weniger aggressiv und unternehmensfreundlicher auftritt. Elon Musk jedenfalls twitterte am 31. Oktober, dass Lina Khan bald gefeuert werde. Auch die von der gleichen Behörde und vom aktuellen Präsidenten Joe Biden initiierte Regulierung von KI-Konzernen dürfte gestoppt oder zumindest abgemildert werden. Das sind laut Trump «radikal linke Ideen». In diesem Zusammenhang nicht vergessen darf man den Einfluss von Trumps Vize JD Vance, der als Kryptoturbo bezeichnet werden darf und eine sehr libertäre Weltanschauung in die Regierung mitbringt.
Trump wird Tech deregulieren
Wenn den Anbietern von grossen Sprachmodellen niemand mehr auf die Finger schaut, bedeutet dies nichts anderes, dass voreingenommene, ungenaue und intransparente KI-Anwendungen mehr werden. Dasselbe gilt für die ungestoppte Verbreitung von Hass und Desinformation auf Social Media. Beides führt dazu, dass Minderheiten diskriminiert und unterdrückt werden. Wie das künftig überall aussehen könnte, kann man heute schon bei Twitter mitverfolgen: Das bald sehr regierungsnahe Netzwerk Twitter (Musk erhält wohl einen Sitz in Trumps Kabinett) könnte im negativen Sinn zum «Role Model» werden, wie die Debattenkultur im Netz unter einem Präsidenten Trump aussieht.
Das ist alles schlimm genug, doch es ist nur die eine Seite der Medaille. Was bedeutet Trumps Präsidentschaft für Big Tech und die Kundinnen und Kunden von Microsoft, Google oder AWS im Cloud-Bereich?
Zusammenarbeit mit Cloud-Anbietern mindestens debattieren
Die Zusammenarbeit mit US-Konzernen stellt sich neu zur Debatte: Können Microsoft, Google oder AWS unter Trump überhaupt noch die nötige Stabilität und Datensicherheit garantieren? Ich bezweifle es. Schon die erste Präsidentschaft von Donald Trump hat gezeigt, wie irrational, erratisch und unvorhergesehen er «regiert» oder weitreichende politische Entscheide fällt.
Schon heute erlauben Gesetze wie der Cloud Act und der Foreign Intelligence Surveillance Act (Fisa) den US-Behörden, auf Daten zuzugreifen, die von US-Unternehmen gespeichert werden, selbst wenn diese sich ausserhalb der USA befinden. Ich halte es für möglich, dass Trump diese Gesetze anwendet oder sogar noch verschärft, wenn es seinem persönlichen Nutzen (oder dem seiner Geschäftsfreunde) dient.
Vertrauensfrage stellen (ohne Antworten)
Hiesige Unternehmen sollten ihren Cloud-Lieferanten mindestens die entscheidende Vertrauensfrage stellen: «Was machst du, wenn die neue US-Regierung unsere Daten will?» Leider wird niemand eine brauchbare Antwort erhalten. Weil es nicht möglich ist, sie zu geben.
Für Schweizer Unternehmen und Behörden ist der Zeitpunkt gekommen, ihre Abhängigkeit von US-Clouds kritisch zu hinterfragen. Die digitale Souveränität Europas und der Schweiz muss vom blossen Schlagwort zur strategischen Priorität werden. Nur so können wir sicherstellen, dass unsere Daten und digitalen Prozesse nicht den Launen und Interessen einer politisch unberechenbaren US-Regierung ausgeliefert sind. Es ist Zeit, auf sichere, unabhängige Alternativen zu setzen.
Die nächsten vier Jahre könnten entscheidend sein. Betroffene sollten jetzt handeln, bevor ihnen die Kontrolle über die eigenen Daten und Werte endgültig entgleitet – und die Unsicherheit nur noch grösser wird.
6 Antworten
Die Schweizer Behörden sollten sich definitiv nochmals die «Twitter-Frage» stellen…
Den amerikanischen Providern hätte man noch nie trauen sollen. Den Firmen schon, dem NSA nicht. Nein es geht nicht um Terroristen, oder Pädophile, sondern um Geschäftsgeheimnisse, Patentapplikationen, Verbindungen und Zeitabfolgen von Leuten und Firmen auch ohne den Inhalt zu kennen. Das Ganze hat sich mittlerweile etwas entspannt, seit Entwickler weltweit kostensparend online Tools verwenden, ihre Mails von Microsoft, Google und so auf Spam filtern lassen, und für etwas Gewinn extern fertigen lassen und dabei die Geschäftsgeheimnisse offenlegen
Die Antwort von Microsoft & Co. auf «Was machst du, wenn die neue US-Regierung unsere Daten will?» ändert sich absehbar nicht.
Aber ändert sich die Antwort der schweizerischen Behörden bei der Rechtshilfe? Ändert sich die Antwort von schweizerischen Internet-Unternehmen mit Blick auf die Budapest-Konvention?
(Unwahrscheinlich.)
Wird sich die Häufigkeiten der Regierungsanfragen ändern?
Wirtschaftshistoriker Adam Tooze deutet im Watson-Interview US-Sanktionen (bzw. deren Androhung) gegen die Schweiz an. Darunter könnten auch Cloud-Angebote fallen. Natürlich sind alles Mutmassungen. Aber man sollte sich zumindest überlegt haben, was das bedeutet.