Der Verband Schweizer Medien hat bei der renommierten Unternehmensberatung Fehr Advice eine Studie bestellt, um Argumente für das Leistungsschutzrecht zu belegen.
Die Resultate der Studie sind ernüchternd, um nicht zu sagen, unbrauchbar, um die Forderung nach einem Leistungsschutzrecht zu untermauern.
Die Studie hat herausgefunden, dass die Menschen Links zu News erwarten, wenn sie nach News suchen. Sie hat weiter bestätigt, dass viele nicht weiterklicken, wenn ihr Informationsbedürfnis durch die Resultateliste einer Suchabfrage gestillt ist. Beides keine weltbewegenden Erkenntnisse, sondern eher Binsenwahrheiten.
Was die Studie nicht untersucht hat, ist der Zusammenhang zwischen funktionierender Demokratie und dem Leistungsschutzrecht. Nicht einmal ansatzweise war diese Frage Teil der Studienanlage.
Trotzdem wird in der Pressemitteilung der Unternehmensberatung zur Veröffentlichung der Studie der berühmte Professor und Verwaltungsrat von Fehr Advice, der Verhaltensökonom Ernst Fehr mit folgender Aussage zitiert:
«Die direkte Demokratie ist ein wesentlicher Treiber des Wohlstands in der Schweiz. Die Medien leisten einen unverzichtbaren Beitrag für die Gesellschaft, denn sie informieren die Bürger, die auf dieser Basis ihre Entscheidungen treffen können. Ein funktionierender Leistungsschutz bildet damit die Basis für die politische und wirtschaftliche Stabilität der Schweiz.»
Pressemitteilung Fehr Advice zur Publikation der VSM-Studie zum Leistungsschutzrecht – 17.3.2023
Das Zitat wurde natürlich in diversen Medien aufgenommen und kommentarlos weiterverbreitet.
Ein sehr anschauliches Beispiel, wie die Öffentlichkeit durch geschicktes Polit-Marketing in die Irre geführt wird. Es gibt weder in dieser Studie noch in anderen Studien irgendeine belastbare Evidenz, dass ein Leistungsschutzrecht zum Funktionieren der Demokratie beiträgt, geschweige denn eine Basis für die Stabilität der Schweiz sein soll.
Genau solch unreflektiertes Wiedergeben von Narrativen und Zitaten aus Medienmitteilungen mit politischer Agenda wäre wohl eher als gefährlich für die Demokratie einzustufen, als das Fehlen eines Leistungsschutzrechts.
In diesem Zitat wird zwar nichts Unwahres, aber eben auch nichts Wissenschaftliches gesagt, sondern einfach eine Behauptung von einem berühmten Professor in die Welt gesetzt. Die Behauptung, dass die Stabilität der Schweiz durch ein Leistungsschutzrecht gestützt werde, würde, wenn diese direkt vom Medienverband geäussert würde, wohl eher als lächerlich taxiert werden.
Durch die Wahl von Ernst Fehr als Absender des Zitats, wird dieser einfachen Meinungsaussage der Nimbus von wissenschaftlicher Reputation verliehen, was mutmasslich Teil des Kampagnendesigns war.
Ich bin erstaunt, dass sich Professor Ernst Fehr, von dem ich sonst sehr viel halte, für eine solche Kampagne einspannen lässt. Und auch die Beratungsfirma Fehr Advice geht damit weit über die reine Durchführung der Auftragsstudie hinaus und macht aktives Campaigning für das Leistungsschutzrecht, wie die Pressemitteilung und auch weite Teile der Aussagen in der Studie selbst zeigen.
Es ist grundsätzlich problematisch, wenn eine private Firma für einen privaten Verband, wahrscheinlich für sehr viel Geld, eine Studie erstellt und sich diese durch «wissenschaftliche Begleitung» durch Universitätsprofessoren, die öffentlich finanziert sind, quasi veredeln lässt. Ich frage mich, ob das der Glaubwürdigkeit der Wissenschaft förderlich ist.
Auch die Medien, die dieses Zitat unkommentiert übernehmen, müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, entweder die Studie nicht mit der nötigen kritischen Brille gelesen zu haben, oder bewusst die Kampagne des Medienverbands zu unterstützen.
2 Antworten
Von diesem Artikel bin ich nicht ganz überzeugt. Erst mal musste ich nachschlagen was Leistungsschutz bedeutet. So gängig ist der Begriff nicht. „ ich eigentlich sehr viel halte“, da frage ich meine Studis immer „und uneigentlich“. Warum braucht ihr ein solches relativierendes Füllwort und keine klare Aussage? Da erwarte ich mir von euch mehr.
Besten Dank für Deinen Kommentar. Das Leistungsschutzrecht für Medienverlage ist eine Idee, die schon seit einiger Zeit in der Digitalpolitik diskutiert wird. In diesem Beitrag ging es aber vor allem um fragwürdiges Campaigning und zu wenig kritische Medienrezeption von Pressemitteilungen. Beides kommt in der Digitalpolitik oft vor und hier wurde ein aktuelles Beispiel präsentiert.
Und ja, „eigentlich“ kam hier mindestens einmal zu viel vor. Danke für den Hinweis, habe ich korrigiert.